Revival bei Netflix Schwuler geht es kaum: "The Boys in the Band"
Berlin (dpa) - Wer in Corona-Zeiten Lust auf ein Theatererlebnis verspürt, ohne ins Theater gehen zu wollen oder zu können, wird womöglich beim Streamingdienst Netflix zufriedengestellt. "The Boys in the Band" heißt dort ein verfilmtes Theaterstück.
Die Wucht dieses zweistündigen Kammerspiels voller männerliebender Männer ergibt sich allein aus den Dialogen. Schauplatz ist ein zweistöckiges Apartment mit Dachterrasse Ende der 60er Jahre in New York City.
1968 hatte das Stück in New York Premiere. Für damalige Verhältnisse war es skandalträchtig. Autor Mart Crowley, der am 7. März dieses Jahres mit 84 Jahren starb, besetzte nämlich ein ganzes Stück mit schwulen Figuren. Und nicht nur das: Anders als Zeitgenossen wie Tennessee Williams ("Die Katze auf dem heißen Blechdach") oder Edward Albee ("Wer hat Angst vor Virginia Woolf?") ließ Crowley seine Charaktere auch noch direkt und wie selbstverständlich übers Schwulsein reden. Wohlgemerkt: Das war mehr als ein Jahr vor den Unruhen an der Bar "Stonewall Inn" in Manhattan, nach denen der bis heute für queere Menschen emanzipatorische Christopher Street Day benannt ist.
1970 verfilmte William Friedkin ("Der Exorzist", "Brennpunkt Brooklyn") schon einmal den Stoff. Der deutsche Titel lautete "Die Harten und die Zarten". Zum 50. Jubiläum des Bühnenstücks holte der Regisseur Joe Mantello es zurück an den Broadway - Produzent war der Netflix-Überflieger Ryan Murphy ("American Horror Story", "Pose", "The Politician", "Hollywood", "Ratched"). Im Jahr 2019 gab es dafür den Tony Award in der Kategorie "Bestes Revival eines Stücks".
Mantello führte jetzt auch Regie bei der Netflix-Verfilmung und arbeitete mit einem komplett offen schwulen Cast. Auch wenn das Schwulendrama vom Zeitgeist her aus einer anderen Epoche zu sein scheint, so hat es doch ewige Männerthemen parat: Lust und Frust, Selbsthass, Scham und Sucht, Coming-out-Probleme oder aber unterschiedliche Einstellungen zum Thema sexuelle Treue.
Im Mittelpunkt steht der erst seit kurzem trockene Michael, den Jim Parsons ("The Big Bang Theory") gekonnt verkniffen spielt. Er ist pleite, bemitleidet sich gern selbst angesichts eines vergangenen Jetset-Lebens und hadert wegen seines christlichen Glaubens mit der Homosexualität. Er hat Freunde eingeladen, um eine Geburtstagsparty für Harold (Zachary Quinto) zu geben, der eigentlich eine Art Intimfeind von ihm ist und der - wie erwartet - zu spät kommt.
Weitere Figuren sind der aus der Stadt weggezogene und zu Besuch angereiste hübsche Donald (Matt Bomer), das mit der Monogamie ringende Paar Larry (Andrew Rannells) und Hank (Tuc Watkins), der unter Rassismus leidende schwarze Intellektuelle Bernard (Michael Benjamin Washington) und der gern exaltiert agierende Emory (Robin de Jésus). Als "Geschenk" taucht noch ein gebuchter Jüngling auf (naiv und süß: Charlie Carver). Unerwartet platzt außerdem Michaels vermeintlich heterosexueller College-Freund Alan (Brian Hutchinson) in die Runde. Michael hat plötzlich die verwegene Idee, jeder Gast solle seine große Liebe anrufen und mit seinen wahren Emotionen konfrontieren. Klar, dass das sehr aufwühlend wird.