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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Laura Karasek "Mein Vater hat mich nicht genügend auf Zurückweisungen vorbereitet"
Anwältin, Buchautorin, Moderatorin: Der Lebenslauf von Laura Karasek liest sich wie ausgedacht. Was sie am Begriff "Promikind" nicht mag, wie viel Hass sie im Internet erlebt und warum sie großer Fan von Frauen ist, erklärt sie im Interview mit t-online.de.
Laura Karasek verursacht bei manchen Menschen einen kleinen Systemausfall. In beschränkter Sichtweise vermag das, was sie verkörpert, irgendwie nicht so gut zu ihrem äußeren Erscheinungsbild passen. Ihre voluminösen Lippen bemalt sie mit grellen Farben. Ihre Haare sind blonder als blond. Ihre Röcke gern kurz. Genauso ist Laura Karasek aber auch erfahrene Anwältin, hat jahrelang in einer Kanzlei gearbeitet und mehrere Romane geschrieben. Die Tochter von Hellmuth Karasek beweist, warum genau all das bestens zusammenpasst.
Im Interview mit t-online.de erklärt die 38-Jährige, warum sie wegen ihres Vaters schon sehr früh an den Tod denken musste, was sie an Social Media stört und wie es sich als Frau in einer Männerdomäne lebt.
t-online.de: Frau Karasek, mit Blick auf ihren berühmten Vater: Ist das manchmal für Sie großer Leistungsdruck oder eher ein Türöffner?
Laura Karasek: Ich mag meinen Nachnamen. Mir passieren damit manchmal auch lustige Sachen. Ich werde dann angesprochen: Ach, sind Sie die Tochter des berühmten Dirigenten Herbert von Karasek? Es gibt witzige Verwechslungen. Ich glaube, als Tochter ist es einfacher als als Sohn. Ich habe nie geglaubt, dass ich mich beweisen oder abgrenzen muss. Er hat mir nie dieses Gefühl gegeben. Ich hatte nie das Bedürfnis, meinem Vater zu zeigen, ich bin wer! Ich habe Jura studiert, weil das einfach mein Ding war und weil ich dachte: Das hat in meiner Familie noch keiner gemacht. Da sind alle Journalisten und Kulturschaffende. Das war aber nicht der Druck aus meiner Familie heraus. Es war eher der Wunsch, dem gesellschaftlichen Vorurteil nicht zu entsprechen.
Was ist das für ein Vorurteil?
Der Begriff "Promikind" ist sehr negativ konnotiert. Er impliziert, man selbst kann nichts, man hat nichts geleistet. Das Image ist: Man sitzt Champagner schlürfend in der Sonne von Saint-Tropez und versäuft das Erbe seiner Eltern. Ich habe immer versucht, dieser Schublade entgegenzuwirken, durch eigene Leistung. Mir hat weniger der Name etwas fürs Leben gebracht. Mir hat die Erziehung und die Prägung durch meinen Vater etwas gebracht. Die Freude an der Sprache, die Freude an Literatur, am Lesen. Bei uns am Tisch wurde immer laut diskutiert und auch viel gestritten. Bei uns wurde nichts unter den Tisch gekehrt. Davon profitiert ja auch die eigene Persönlichkeit. Ich weiß aber nicht, ob der Name mir heute noch so viel bringt. Ich weiß gar nicht, ob jetzt noch jeder meinen Vater kennt. Obwohl ich immer empört bin, wenn man ihn nicht kennt. Aber ich bin auch empört, wenn ich darauf reduziert werde. Es ist eine Lose-lose-Situation (lacht). Nein, es ist schön. Er ist mein Papa. Ich liebe ihn. Ich habe mich nie für ihn geschämt, er war ja jetzt auch nie im Dschungelcamp, sondern hat wunderbar erzählt und geschrieben.
Wie hätte Ihr Vater Ihre Bücher beurteilt?
Mein Vater fand alles toll, was ich gemacht habe. Das ist gar nicht so gut (lacht). Es ist natürlich schön, der Vater ist für die Tochter eine wichtige Referenz. Er kann einem Kind genügend Selbstbewusstsein mitgeben. Auf der anderen Seite würde ich ihm schon vorwerfen, dass er mich nicht genügend auf Zurückweisung vorbereitet hat. Er hat mir immer gesagt, dass alles, was ich mache, toll ist. Du tanzt toll, du singst toll. Tatsächlich habe ich immer mittelmäßig Klavier gespielt, Chopins Walzer. Er hat trotzdem immer applaudiert und ihm liefen Tränen über die Wange. Dann kommt man irgendwann in die echte Welt hinaus und bemerkt, nicht jeder klatscht wie der eigene Vater. Das ist ein Schlag ins Gesicht, aber es ist auch schön, dass ich diese bedingungslose Liebe von ihm erfahren habe. Deswegen denke ich, dass er meine Bücher gemocht hätte. Das erste hat er ja noch gelesen, Gott sei dank. Er mochte Ehrlichkeit und abgründiges Schreiben, das in die Seele der Menschen geht. Meine Figuren sind keine geschönten Pappaufsteller. Die sind nicht schwarz oder weiß. Die haben Schwächen und dunkle Seiten. Das war etwas, was er sehr mochte. Der Mensch ist ja auch nicht das, was heute auf Social Media passiert. Jeder Mensch hat etwas Gutes und etwas Schlechtes in sich.
Apropos Social Media, bekommen Sie viele Anfeindungen in den Netzwerken?
Instagram ist eher ein Kuschelverein. Da bekommt man Anmachen oder Penisbilder. Ich sage dann immer: Bitte keine Penisbilder mehr, mein Sammelheft ist voll (lacht). Instagram ist eher sexuell, freundlich gemeint, aber nicht immer so clever formuliert. Hass gibt es mehr bei Facebook und auf Twitter.
Was genau erfahren Sie da?
Da ist die Bezeichnung Schlampe noch harmlos. Erst bekommt man Komplimente und wenn man nicht reagiert, ist man eine Bitch. Es gibt auch immer noch viele Frauen, die mein Äußeres kommentieren. Ich glaube, die haben den Feminismus nicht verstanden. Es ist extrem frauenfeindlich, die Optik und die Klamotten von anderen Frauen zu kommentieren. Das ist doch genau das, was wir alle vermeiden wollen. Von Slutshaming über Bodyshaming – ich erlebe da alles. Ganz oft wird mir vorgeworfen, ich sei zu billig, zeige zu viel Haut, zu tussig, zu blond. So was kriegen immer nur Frauen ab! Wir werden in Schubladen gesteckt und müssen uns rechtfertigen. Andere Frauen sind untervögelt oder zu ungepflegt. Also wie man es macht, macht man es falsch. Das habe ich einfach satt. Ich finde das heftig, dass es im Internet so eine Verrohung und Feigheit gibt. Dass Menschen ihre Zeit damit verschwenden, andere zu beleidigen und zu beschimpfen. Mir fallen da einhundert geilere Hobbys ein. Da würde ich doch lieber einen Tanzkurs machen. Es ist traurig, wenn es einen glücklich macht, andere Menschen niederzumachen.
Welche Art von negativen Kommentaren gehen Ihnen besonders nahe?
Mir geht dummerweise sehr vieles nahe. Ich bin aber dabei, mir das abzugewöhnen. Durch die schiere Häufung der Anfeindungen bin ich mittlerweile ein bisschen abgehärtet. Es ist viel schlimmer, zu sehen, wie andere Frauen behandelt und beleidigt werden. Ich habe zum Beispiel noch keine Morddrohungen bekommen. So tolle Frauen werden bedroht, weil sie sich politisch äußern. Auch das Thema Kinder macht sehr verwundbar. Die Menschen wissen, was einen verletzt. Man hadert ja selbst genug mit sich. Meine Familie findet nicht auf Instagram statt, deswegen denken Leute logischerweise, ich sei nie zu Hause. Dabei habe ich einfach die Entscheidung getroffen, meine Kinder nirgendwo mit reinzuziehen. Das ist nicht ihre Entscheidung, deswegen finde ich das nicht gut. Ich verurteile aber auch niemanden, der das macht, aber ich möchte das nicht.
Hat Social Media denn auch gute Seiten?
Social Media hat auch gute Seiten. Es ist Fluch und Segen zugleich. Es ist toll, dass man sich mit Menschen austauscht und solidarisiert, die man gar nicht kennt. Ich mag es, dass mich Menschen anschreiben und mir sagen, sie haben bei meinem Buch geweint. Es ist schön, dass ich anderen Frauen folgen kann, die ich bewundere, die mich inspirieren – das sind alles gute Seiten daran. Ich erfahre auch ganz viel Unterstützung auf Social Media. Das hat auch einen guten Effekt.
Wie stehen Sie zum Älterwerden? Freuen Sie sich darauf?
Ich freue mich nicht darauf, älter zu werden. Ich habe eher Angst davor. Wenn man nicht älter wird, ist es natürlich noch beschissener, denn das heißt ja, man stirbt. Ich hatte einen sehr alten Vater und ich habe immer gesehen, was für Verletzlichkeiten und Zerbrechlichkeiten damit einhergehen. Bei ihm war es glücklicherweise nicht die geistige Kraft, die nachgelassen hat. Aber Einschränkungen körperlicher Art waren etwas, mit dem ich mich ehrlich gesagt schon in sehr jungen Jahren beschäftigt habe. Vielleicht, weil ich so einen alten Vater hatte.
Wie hat Sie das beeinflusst?
Ich habe sehr früh über Sterben, Tod und meine eigene Vergänglichkeit nachgedacht. Das ist auch etwas, wovor ich mich fürchte. Ich kann nicht mehr so gut schlafen. Ich habe einfach Angst, damit selbst nicht so gut umgehen zu können. Ich weiß nicht, wie ich gewappnet bin und wie meine Psyche mit Schmerzen und Einschlägen umgehen wird. Ich kann nicht wissen, ob mir das im Alter auf die Laune schlägt. In meinem Alter ist es nicht schwer, gute Laune zu haben. Deswegen finde ich es auch immer so bedauerlich, wenn junge Leute jammern. Man sollte versuchen, fröhlich zu sein. Ich denke mir dann: Besser wird es nicht.
Vor Ihrer Karriere als Moderatorin haben Sie als Anwältin gearbeitet. Denken Sie manchmal, es wäre besser gewesen, in der Kanzlei zu bleiben?
Ich bin ein sentimentaler Mensch. Ich habe den Schritt noch an keinem Tag bereut. Aber ich vermisse auch ganz viele Sachen am Anwaltsdasein oder in der Kanzlei. Ich bin jetzt beruflich oft allein unterwegs. Es ist eine One-Woman-Show. Ich habe das Buch allein geschrieben und bin als Schriftstellerin mit dem Buch allein auf Lesereise. Dann mache ich ja auch meine Show nicht allein, aber ich moderiere sie allein. Natürlich sind da Hunderte Leute, die mit daran arbeiten. Aber diejenige, die da raus muss, bin ich. Ich meine das gar nicht jammernd. Aber der Druck ist da, die Nervosität. In der Kanzlei waren wir alle Anwälte und hatten alle die gleichen Ängste und Sorgen. Es ist logisch, dass ich andere Sorgen habe als der Kameramann, der Regisseur oder mein Verlag. Jeder trägt irgendwie eine alleinige Verantwortung. Als Anwältin gebe ich ein Produkt ab, das nicht persönlich ist. Du kämpfst für einen Mandanten. Jetzt bin ich das Produkt. Das heißt, man ist viel angreifbarer und viel verletzlicher, weil es persönlicher ist.
Können Sie sich vorstellen, wieder in die Kanzlei zurückzugehen?
Ja, ich kann mir vieles vorstellen. Erst einmal möchte ich aber drei Drehbücher schreiben, einen Preis gewinnen, ein Chanson-Album aufnehmen, einen Film synchronisieren … Aber dann melde ich mich bei der Kanzlei (lacht).
Hatten Sie als Anwältin mit ähnlichen Vorurteilen zu kämpfen wie jetzt?
Ja, bei Juristen ist es ja noch schlimmer als in der Medienbranche. In den Medien herrscht ja viel mehr Abwechslungs- und Facettenreichtum, wohingegen Anwälte ja doch relativ ähnlich auszusehen haben. Ich hatte aber ein Team, das richtig cool war. Wir hatten zum Beispiel auch eine Band zusammen. Ansonsten ist bei Anwälten sogar roter Lippenstift zu krass. Da waren meine Klamotten oft zu heftig, der Rock zu kurz, die Lippen zu pink. Das ist eben eine Männerwelt und eine recht konservative noch dazu. "So sieht man doch nicht aus als Anwältin!" Das sagen leider nicht nur Anwälte zu einem. Da sind auch viele Vorurteile gegenüber Frauen.
Sind Sie als Anwältin besonders aufgefallen?
Ich habe es schon genossen, dass ich der Exot war. Ich war Anwältin und gleichzeitig Autorin und dazu noch eine Frau. In der Medienlandschaft bin ich jetzt mit Menschen zusammen, die tausendmal krasser sind als ich. Da bin ich ein ganz kleines Licht, auch das ist manchmal schwierig, weil man an sich zweifelt – aber nur so kann man sich steigern. Die Zeit in der Kanzlei hat mir sicherlich sehr viel beigebracht. Ich war dort sehr gerne, ich habe dort viel gelernt über mich und die Zusammenarbeit mit Männern. Ich war 29 Jahre alt, als ich da angefangen habe, ich war wie ein Kind. Das war mein erster Job, es war ein bisschen wie die erste Liebe: Ich war völlig blauäugig und hänge auch immer noch sehr an dieser Zeit.
Was für eine Frau sind Sie?
Ich empfinde mich als Frau, die oft sagt, was sie denkt. Die sehr emotional ist und viel über sich selbst lachen kann. Die selbstironisch ist, was erreichen möchte und Menschen mit ihren Texten und Sendungen bewegen möchte. Es gibt sicherlich stärkere Frauen als mich, weil die mehr durch die Hölle gehen mussten als ich. Ich hatte eine behütete Kindheit. Aber sagen wir es mal so: Ich bin eine Frau, die weiß, was sie will.
Welche Frauen bewundern Sie?
Ich liebe Phoebe Waller-Bridge und die Serie "Fleabag". Ich finde Scarlett Johansson und Nicole Kidman gut. Ich mag Jennifer Lawrence. Ich bin ein Fan von Paula Beer, Désirée Nosbusch und "Bad Banks". Als Moderatorinnen verehre ich Ina Müller. Ich finde die "Kroymann"-Sendung toll. Ich mag, was Carolin Kebekus macht, ich liebe Martina Hill, Palina. Ich mag Adele, ich mag Billie Eilish und Florence Welch von Florence + the Machine. Ich finde, Leila Slimani ist eine tolle Autorin. Charlotte Roche, Kathrin Weßling, Johanna Adorján. Ich könnte immer so weiter machen. Es darf nicht vergessen werden, dass es verdammt viele geile Frauen gibt und endlich rücken sie langsam mehr in die Öffentlichkeit. Das finde ich sehr gut und sehr richtig.
Am 19. März startet "Zart am Limit". Was verspricht die neue Staffel?
Ich glaube, dass wir noch mal tiefer gehen, was die Themen belangt. Das betrifft einerseits den Informationsgehalt und andererseits den Unterhaltungswert. Wir haben noch stärkere Aussagen, spannende Gäste, es wird eine Fortführung. Die erste Staffel war schon schön, aber es war alles neu – jetzt entwickeln wir uns weiter. Wir wollen gesellschaftlich etwas bewegen für die Menschen zwischen 20 und 40. Wir beschäftigen uns mit dem Älterwerden, dunklen Seiten und Träumen.
Was waren Highlights der ersten Staffel?
Ich habe einen Lügendetektortest mit Evelyn Weigert gemacht, das fand ich sehr lustig. Sie hat auch so einen derben Humor wie ich. Ich liebe die Ehrlichkeit zwischen Frauen, die sich alles sagen können.
- Eigene Recherche
- Instagram: Profil von Laura Karasek