"Tatort: Unter Kriegern" Wer gut schlafen kann, muss sehr mit sich im Reinen sein
Im Keller eines Sportleistungszentrums wird die Leiche eines kleinen Jungen gefunden. Die Frankfurter Hauptkommissare Anna Janneke und Paul Brix ermitteln im Umfeld vermögender Eltern – und beim Hausmeister, dem Underdog. Der natürlich nicht der Mörder war.
Der kleine Malte Rahmani (Ilyes Raoul Moutaoukkil) verhungerte, weil er eingeschlossen wurde. Wer ist zu einer so grausamen Tat fähig? Sven Brunner (Stefan Konarske), der Hausmeister des Sportleistungszentrums, hat sich öfter mit Malte abseits des Zentrums getroffen. Der klassische Verdächtige, der es aber natürlich nicht war.
Aber was hat es mit Felix (Juri Winkler) auf sich, man mag ihn gleich nicht, den kleinen Klugscheißer im Dufflecoat. Der Zwölfjährige wächst in einem vermögenden Haushalt auf, mit einem extrem ehrgeizigen Vater. Der führt das Sportzentrum streng und leistungsorientiert, denn er strebt einen hohen Sportfunktionärsposten an. In der Schule muss Felix Bestnoten erzielen und sich beim Sport anstrengen, bis er kotzt.
Sind wir alle böse?
Schwer zu sagen, was solche Konstellationen bei Kindern anrichten können. Bei Felix, der am Ende zu bedauern ist, bringen sie die schlimmsten Eigenschaften und Möglichkeiten eines Menschen an die Oberfläche. Der Junge wird zum grausamen Täter, und oft aus reiner Mordlust, wie es scheint. So hat er – die Gründe bleiben unklar – auf Sylt ein Kind ermordet, und er hat aus Eifersucht den Jungen im Sportzentrum verdursten lassen.
Der Vater und Felix verbrüdern sich gegen die Mutter. Um seinem ehrgeizigen Vater zu imponieren, steigert sich das bei dem Jungen bis zur Verachtung. Als die Mutter ihm auf die Schliche kommt, ersticht er sie brutal.
Die Gewalt geht vom Kinde aus
Was will uns dieser "Tatort" damit sagen (Buch: Volker Einrauch)? Dass eine derartig körperliche Gewalttat eines jeden Kindes vorstellbar ist? Dass es dazu keine Kriegstraumata braucht, sondern auch das reiche Frankfurt eine Seele so verheeren kann? Im Dickicht der Vororte: Der Soundtrack, der nicht läuft, aber im Kopf abgeht, sind die Pet Shop Boys und "In this suburban hell..."
Herausragend spielt Lina Beckmann die Mutter des jungen Mörders und Ehefrau des Ehrgeizlings. Beckmann wurde 2011 von "Theater heute" zur Schauspielerin des Jahres gewählt, sie stand auf vielen bedeutenden Bühnen Deutschlands – von Hamburg über Köln bis München. Sie zeigt die Frau als zuerst verhuschte Blasswangige, die sich in ihre Reitstunden flüchtet, sich aber mausert und leider zu spät aller Bindungen an ihre grässliche Familie entledigen kann.
Die Hauptkommissare Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch) wirken blass anhand solcher Verbrechen. Verstört bleibt der Zuschauer zurück, wenn der Junge am Ende frei herumläuft – und einer Mitschülerin mit einem Messer in der Hand hinterherschleicht. Ist es also denkbar, dass ein Mensch, auch ein Erwachsener, sich an das Morden gewöhnt und skrupel- und gedankenlos immer weitermacht, wenn es einmal begonnen hat? Wer nach diesem "Tatort" (Regie: Hermine Huntgeburth) gut einschlafen kann, muss sehr mit sich im Reinen sein.