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"Tatort" Bremen: Sind wir nicht alle ein bisschen Maria?


Meinung
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Bremen-"Tatort"
Wie viele Masken trägt jeder von uns?

MeinungVerena Maria Dittrich

Aktualisiert am 23.10.2017Lesedauer: 3 Min.
Mörderin und Egomanin Maria Voss (Nadeshda Brennicke). Die Frau in Rot als Spiegel unserer Gesellschaft.Vergrößern des Bildes
Mörderin und Egomanin Maria Voss (Nadeshda Brennicke). Die Frau in Rot als Spiegel unserer Gesellschaft. (Quelle: Radio Bremen/Michael Ihle)
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Ein Pharma-Vertreter wird Opfer eines Verbrechens. Die Ermittlungen kreisen um Maria Voss (Nadeshda Brennicke), eine Frau, die Sharon Stones Part in "Basic Instinct" wie ein blasses Abziehbild erscheinen lässt. Doch wie viel Maria steckt in uns allen?

Das Verbrechen mit dem es die Kommissare Lürsen (Sabine Postel) und Stedefreund (Oliver Mommsen) im neuen Bremen-"Tatort" zu tun haben, hat es in sich. Ein Mensch wurde brutal ermordet, in eine Kiste gestopft und in einem alten U-Bootbunker versenkt. Der Mörder ist eine Frau, die beim Zuschauer eine Mischung aus Faszination und Abscheu auslöst: Maria Voss (Nadeshda Brennicke), eine erotisch hauchende Femme fatale, bei der selbst Catherine Tramell alias Sharon Stone aus "Basic Instinct" noch in die Lehre gehen könnte.

Maria ist liebende Mutter, eine gute Ehefrau und eine äußerst erfolgreiche Geschäftsfrau – glaubt zumindest sie. Denn Maria lebt in einer Scheinwelt, einem Konstrukt aus falschen Versprechungen, Betrug und Lügen. Nach einem Autounfall, in dessen Folge ihr die Mediziner sagten, dass sie nie wieder laufen könne, kämpfte sie sich "zurück ins Licht", zurück ins Leben. Ihre Ärztin spricht von "unfassbarerem Willen und Fokussierung".

Die Abgründe der Leistungsgesellschaft

Damit ist man bei Marias Kern, der Kraft, die sie vollkommen ausfüllt. Der pure Wille etwas zu tun, jemand zu sein, im besten Falle wichtig. Maria lebt in einer Welt aus Halbwahrheiten und Wunschträumen, angetrieben durch eine auf Leistungsdruck basierte Gesellschaft, in der ein Mensch oft über sein Bankkonto, seinen Status und die Wichtigkeit seines Jobs definiert wird.

Auf den ersten Blick lehnt man Maria als Vorlage der Leidensgenossin vehement ab. Selbst wenn sie betörend, intelligent, willensstark und verführerisch anmutet, kann und will man sich mit dieser Frau nicht identifizieren. Doch ist das aufrichtig?

Sind wir nicht alle ein bisschen Maria?

Natürlich begeht nicht jeder von uns gleich ein brutales Verbrechen, damit kleine oder große Lügen nicht ans Licht kommen. Aber spielen wir nicht alle eine gewisse Rolle? Die Rolle des liebenden Partners, der sich vielleicht mit jemand anderem auf eine weit entfernte Insel wünscht, die Rolle des kumpelhaften Arbeitskollegen, der in Wirklichkeit heimlich hinterm Rücken vom Leder zieht, die Rolle des gutgelaunten Mitbürgers, in dem es im Grunde vor Wut brodelt.

Liegt es vielleicht sogar in der Natur des modernen Menschen, immer etwas darstellen zu müssen: mein Haus, mein Auto, meine Wohnung, meine vielen Facebook-Freunde, Twitter und Instragram-Follower. Ich bin Fashionista, aber auch Model, ich bin Gehirnchirurg und fahre nebenbei Formel-1-Rennen. Selbstredend erfolgreich. Es fühlt sich gut an, wichtig zu sein, Wichtigsein ist nämlich wichtig in unserer Gesellschaft.

Der gnadenlose Narzisst

Maria Voss ist eine Mörderin, daran lässt der neue "Tatort" aus Bremen "Zurück ins Licht" zurecht keinen Zweifel. Emotional aber ist sie eine gebrochene Frau. Und schlussendlich ist alles, was sie wirklich will, Anerkennung und Zuneigung - etwas, das wir alle wollen. Die Rahmenbedingungen unseres sozialen und ökonomischen Miteinanders haben Maria zu einem gnadenlosen Narzissten gemacht. Alles wird ihrem Trieb nach Anerkennung und der Aufrechterhaltung ihrer Scheinwelt untergeordnet. Die Gefühle ihres Kindes und der Menschen, die sie umgeben, sind ihr egal, alles, was für sie zählt, ist die Wahrnehmung, die die Umwelt von ihr hat, auch wenn diese mehr und mehr zu einem Zerrbild verkommt.

Unterm Strich wohnt wohl in vielen von uns eine kleine Maria Voss. Die Frage ist nur: Wie halten wir sie im Zaum und wie gelingt es uns, als Gemeinschaft, nicht jeden Tag tausende neue Marias zu erschaffen?

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