Ein "Tatort" wie von RTL Stieftochter-Sex in der Spießersiedlung
Im Kölner "Tatort: Nachbarn" schauten Ballauf und Schenk hinter die Fassade einer Spießergesellschaft in der Vorstadt. Konnte man sich angucken – vor allem als Soap-Liebhaber.
Es sollte aussehen wie Selbstmord: Der von Frau und Tochter verlassene Mittvierziger Werner Holtkamp (Uwe Freyer) wird ermordet. Die Ermittler statten seinen Nachbarn in der Einfamilienhaus-Siedlung einen Besuch ab. Motive gibt es dort zuhauf. Mit Holtkamp hatten alle irgendwie zu tun.
Wer war nochmal wer?
Bei diesem "Tatort" wollte man sich am liebsten eine Personenkonstellation aufzeichnen, um sie auf dem Wohnzimmertisch parat zu legen. Denn die Beziehungen in der Nachbarschaft sind komplex - und das ist noch untertrieben.
Leo Voigt (Werner Wölbern), Anwohner aus Nummer 17 und Gartenfeind des Opfers, hat ein Kind mit seiner Stieftochter Sandra (Claudia Eisinger). Nachbar Scholten (Florian Panzner) gibt sich gegen horrende Summen als dessen Vater aus. Der Schein ist den Vorstadtbewohnern eben heilig.
Story erinnert an Daily Soap
Geschichten aus der Spießersiedlung. Doch genau hier liegt die Lösung des Falls begraben – im wahrsten Sinne des Wortes. Sandra Voigt war es, die Holtkamp umgebracht hat. Ihr Stiefvater hat ihr geholfen, den Mord zu vertuschen. Soweit so gut. Aber warum?
Sandra hat schon vor Jahren ihre Mutter ermordet. Die hatte herausgefunden, dass ihre Tochter ein Kind von ihrem Mann erwartet und wollte, dass sie es abtreiben lässt. Man tötete sie, vergrub sie im Garten und behauptete, sie wäre mit einem anderen durchgebrannt.
Holtkamp wurde zum Verhängnis, dass er die "verschollene" Mutter im Garten entdeckte - und mit diesem Geheimnis Sandra dazu zwang, mit ihm Sex zu haben. Eine Storyline, die genauso gut bei "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" auf RTL hätte vorkommen können – nur die psychischen Probleme waren tiefgehender.
Besonders gut
So kompliziert die Handlung, so gelungen die Besetzung. Vor allem das unglückliche Ehepaar beeindruckte. Die Szenen von Anne (Birge Schade) und Frank Möbius (Stephan Grossmann) waren sensationell: Der betrunkene Solotanz der vereinsamten Ehefrau zu "Hungry Heart" von Bruce Springsteen oder der Moment, in dem sie ihrem Mann am Frühstückstisch eiskalt eine Kanne Milch über den Kopf schüttet.
Fazit: 7 von 10 Punkten
Vor allem für die Liebhaber des klassischen "Tatorts" war der Kölner Fall eine willkommene Abwechslung zu seinen beiden brutalen Vorgängern – so ganz ohne Action, Blut und Gruselszenen.
In der ersten Stunde hatte der Film seine Längen. Richtig spannend wurde es erst, als rauskam, dass Mira nicht die Tochter von Scholten, sondern von Voigt ist. Dafür glänzten die Darsteller durchgehend. Insgesamt kein Knaller, aber passable Sonntagabend-Unterhaltung.