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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Münsteraner "Tatort" Doppelter Filmriss: Thiel und Boerne wissen nicht, was sie tun
Schreckensszenario im aktuellen "Tatort" aus Münster: In "Die chinesische Prinzessin" gerät ein unter Amnesie leidender Professor Boerne (Jan Josef Liefers) unter Mordverdacht und sein Kollege Frank Thiel (Axel Prahl) muss alles geben, um den Rechtsmediziner vor dem Gefängnis zu bewahren. Dafür legt er sich sogar mit der chinesischen Mafia an und bringt so Kollegin Nadeshda (Friederike Kempter) in akute Gefahr.
Ganz angetan ist Karl-Friedrich Boerne von der schönen Songma, einer Künstlerin aus China, die von allen nur "die chinesische Prinzessin" genannt wird. Er lernt sie auf einer ihrer Vernissagen kennen, lädt sie anschließend in sein Institut ein und zeigt ihr Leichen und eingelegte Organe.
Das scheint sie zu animieren, denn anschließend will die schöne Asiatin den spröden Mediziner direkt auf dem Seziertisch verführen - ob es dazu kommt? Wir wissen es nicht, Boerne weiß es nicht. Am nächsten Morgen wird er neben der brutal ermordeten Prinzessin gefunden - mit jeder Menge Kokain im Blut und komplett ohne Erinnerung an den vergangenen Abend.
Hat der Thiel mit Nadeshda...?
Ein Filmriss kommt selten allein: Auch Kollege Thiel muss gegen einen Kater mit Gedächtnisverlust ankämpfen, den er als Folge einer feuchtfröhlichen Geburtstagsparty erleidet. Weil er aber an der Seite der niedlichen Nadeshda erwacht, fragt sich der verwirrte Thiel den halben Film über, ob er und seine Assistentin es nun in seiner geistigen Abwesenheit getan haben oder nicht. Die hilflosen Flirtszenen und Nadeshdas hinreißende, kokette Bewunderung für ihren Chef sind immerhin für ein paar Lacher gut.
Überfrachtete Handlung gerät aus dem Ruder
Zwischendurch wird es jedoch ernst, denn Thiel muss die Unschuld seines Kollegen Boerne beweisen und ermittelt im Umfeld der chinesischen Mafia, muss mit falschen Diplomaten und bärbeißigen LKA-Beamten jonglieren und verliert vor lauter Flirten und Fluchen ab und zu den Überblick. Genau wie der Zuschauer.
Regisseur Lars Jessen und Drehbuchautor Orkun Ertener haben sich an ein durchaus schwieriges Stück Kriminalgeschichte gewagt - und sich dabei die Zähne ausgebissen. Der Versuch, dem Münsteraner Tatort die Komik zu nehmen, die ihn normalerwiese ausmacht, und ihm dafür mehr Tragik einzuhauchen, scheitert kläglich. Denn das Loch, das durch die fehlenden Witzeleien der beiden Hauptermittler gerissen wird, kann mithilfe der übrigen Geschichte nicht gestopft werden.
Da ist zu viel auf einmal gewollt: Thiel soll ermitteln, dabei seine angebliche Liebesnacht mit Nadeshda aufklären, Boerne raushauen und sich gegen Mafia und unbelehrbare Vorgesetzte wehren: Allein stemmt auch ein Axel Prahl keinen Sonntagabendkrimi. Er soll gleichzeitig witzig sein, übellaunig, charmant und fix in Kopf und Beinen. Und weil Liefers mehr oder weniger zum Schweigen und "Danke"-sagen verurteilt ist und seine Assistentin "Alberich" plötzlich "Frau Haller" nennt, ist die Verwirrung ist groß.
Der Fall lässt die Zuschauer kalt
Die komplizierten Verstrickungen der fernöstlichen und daher fremden Kultur halten den Zuschauer auf gleichbleibender Distanz. Der Fall ist nicht zu greifen. Eine Fülle an nur unzulänglich erklärten medizinischen Fremdwörtern lassen einen ähnlich ratlos zurück wie Frank Thiel, der zusätzlich an den Namen der chinesischen Protagonisten und ihrer Herkunftsstädte und -volksgruppen schier verzweifelt.
Fazit: "Die chinesische Prinzessin" kommt trotz großen Bemühungen zu sperrig daher. Die 90 Minuten Krimizeit sind überfrachtet mit Informationen, die es trotz ihrer Fülle nicht schaffen, den Zuschauer abzuholen. Und wenn selbst die hartgesottene Staatsanwältin Klemm (Mechthild Großmann) überfordert scheint, kann man für das nächste Mal eigentlich nur raten: Schuster, bleib bei deinen Leisten.