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Interview mit Charly Hübner: "Über die Stasi wurde nicht geredet"


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Interview mit Charly Hübner: "Über die Stasi wurde nicht geredet"

t-online, Lars Schmidt

Aktualisiert am 16.01.2013Lesedauer: 5 Min.
Charly HübnerVergrößern des Bildes
Charly Hübner (Quelle: dpa)

Sascha Bukow und Rostock passen einfach perfekt zusammen. Sie können rau sein und herzlich, plötzlich aufbrausend und im nächsten Moment wieder sonnigen Gemüts. Seit 2010 ist der gebürtige Mecklenburger und Ostsee-Fan Charly Hübner (40) als raubeiniger "Polizeiruf"-Kommissar Bukow in der Hansestadt aktiv. Zwei Grimme-Preis-Nominierungen erhielten er und seine Kollegin Anneke Kim Sarnau für die authentische Darstellung ihrer Rollen.

Ihr siebter Einsatz führte das Ermittlerpaar in den Fischereihafen. Dorthin, wo bis 1990 das Zentrum der DDR-Fischfangflotte lag und wo Rostock wohl auch heute noch am urtümlichsten ist. Und auch die Verstrickungen im "Polizeiruf 110: Fischerkrieg" reichen bis in die DDR zurück: Wir sprachen mit Charly Hübner über Fisch, Schimanski-Vergleiche und seine DDR-Erinnerungen.

t-online.de: Sieben Rostocker Polizeirufe aber zum ersten Mal spielt der Krimi in einem richtigen maritimen Milieu - dem der Fischer. Das wurde doch mal Zeit, oder?

Charly Hübner: Auf jeden Fall. Wir haben versucht eine reale Geschichte zu finden, deren Teil die Fischer sind. Und die Fangquote als Hintergrund ist ja so ein reales Problem. Die Fischerei an der Ostsee ist schon lange nicht mehr, was sie einmal war. Meine zweite Heimat ist ja Hiddensee. Und wenn ich vergleiche, wie präsent die Fischerei dort früher war und wie es heute aussieht - dann hat sich das total verändert. Aber dieses Thema allein hat uns nicht gereicht und so kam der Dreher mit den Menschenschmugglern dazu.

t-online.de: Essen Sie gerne Fisch?

Charly Hübner: Ich bin seit zehn Jahren leidenschaftlicher Fischesser.

t-online.de: Und kaufen Sie den direkt beim Fischer oder im Supermarkt?

Charly Hübner: Ich wollte Silvester Fisch zubereiten, doch der Fischer war eine Enttäuschung. Ich fand das aber nicht schlimm. Wie sollen die das auch hinkriegen, immer frischen Fisch zu haben. Mein Kollege Hannes Jaenicke ist ja so ökomäßig unterwegs und der hat mir eine Liste mit Fischen gegeben, die man noch bedenkenlos essen kann. An die halte ich mich. Und ansonsten gibt es eben keinen Fisch.

t-online.de: Eigentlich wird in "Tatort" und "Polizeiruf 110" immer weniger Mundart gesprochen. In "Fischerkrieg" schnacken Sie platt, die Fischer reden in breitester Rostocker Mundart. War das Ihr Verdienst als gebürtiger Mecklenburger?

Charly Hübner: Das kam von Anneke und mir. Anneke kommt ja aus Elmshorn und die Schleswig-Holsteiner haben auch diesen breiten norddeutschen Klang. Der Sender fand das toll und deshalb müssen jetzt alle Schauspieler, die im Rostocker Polizeiruf mitspielen, norddeutsch reden können.

t-online.de: Wie fühlten Sie sich, als Ihnen als Mecklenburger der Posten beim Rostocker Polizeiruf angeboten wurde?

Charly Hübner: Erst habe ich es nicht geglaubt. Dann hat mich aber das Konzept überzeugt und seitdem bin ich glücklich.

t-online.de: Wie viel Charly Hübner steckt in Sascha Bukow?

Charly Hübner: Schwer zu sagen. Im Kern wenig. Der ist schon um einiges mutiger als ich. Und ihm fehlt mein Kommunikationstalent. Bukow will für alle ein Rätsel bleiben, damit er im Stillen seine Taktiken schmieden kann.

t-online.de: Wurden Sie schon mal mit Herr Bukow angesprochen?

Charly Hübner: Herr Kommissar ja, aber Herr Bukow noch nicht. Aber witziger Weise passiert es mir besonders im Westen ganz oft, dass die Leute sagen "Schönen Gruß nach Rostock" und dabei versuchen, den norddeutschen Dialekt nachzumachen.

t-online.de: Die Rolle des Bukow wird des Öfteren mit dem legendären Schimanski verglichen. Eine Ehre für Sie?

Charly Hübner: Das hat ja Deutschlands größte bunte Zeitung gleich nach unserem ersten Fall aufgebracht. Ich empfinde das als Ehre, weil Schimanski ein sehr auffälliger Kommissar war. Und Götz George hat das super gespielt. Wenn wir damit verglichen werden, können wir nicht viel falsch gemacht haben.

t-online.de: Im "Polizeiruf: Fischerkrieg" ist Ihr Filmvater der Hauptverdächtige, Ihr Kollege Pöschl sägt an Ihrem Stuhl, Ihr Kollege Thiesler flirtet mit Ihrer Frau und Ihre LKA-Kollegin Katrin König arbeitet weiter ihre Kindheitserinnerungen auf, die mit dem Thema das Falls - Landesflucht - verbunden sind. Da wird ja Konfliktpotenzial für etliche weitere Folgen produziert. Wie lange wollen Sie noch Sascha Bukow sein?

Charly Hübner: Lange. Das Potenzial das Bukow und König mitbringen gibt noch so viel her. Die beiden sind einerseits sehr zwiespältig, andererseits biografisch und psychologisch so tief miteinander verbunden. Aber es steht immer etwas zwischen ihnen. Dazu kommen weitere Charaktere wie mein Vater, unser Chef, die anderen Ermittler. Sie haben alle ihre eigenen Geschichten und sind weit mehr als nur unsere Stichwortgeber. Diese Konstellation ist genial, weil sie neben dem Fall so viel Raum für weitere Entwicklungen lässt.

t-online.de: Der Fall "Fischerkrieg" nimmt ja eine ungeahnte Wende. Plötzlich geht’s um eine Bande, die irakische Flüchtlinge nach Schweden schleust und früher DDR-Flüchtlingen half. Ein Satz in der Verhörszene hat mich nachdenklich gemacht: "Früher nannte man uns Fluchthelfer, heute sind wir Menschenschmuggler". Da treffen nicht nur zwei verschiedene Begriffe, sondern auch zwei unterschiedliche Einstellungen aufeinander wenn es um die Bewertung solcher Taten geht und es gibt genau genommen kein richtig und kein falsch. Werden solche Szenen im Team diskutiert?

Charly Hübner: Am Set herrschte die Meinung vor, man sollte diesen Menschen die Chance geben, in unserer Gesellschaft ihren Platz zu finden. Aber es gibt zu diesem Thema natürlich auch andere Einstellungen. Das Ganze ist ein Dilemma, wenn man weiß aus welchen Verhältnissen im Irak die Flüchtlinge kommen. Oder was Menschen in der DDR erlebt haben müssen, dass sie beschlossen das Risiko einer Flucht über die Ostsee einzugehen. Und dass solche Fragen durch den Film auftauchen, das macht mich total froh.

t-online.de: Sie selbst sind in der DDR aufgewachsen - spielte das Thema Flucht in Ihrem Umfeld da eine Rolle?

Charly Hübner: Es gab in den letzten Jahren ein paar Abwandererfamilien. Einige hatten einen Ausreiseantrag gestellt, andere waren heimlich abgehauen. Bei mir als Kind ist davon aber nur wenig angekommen, weil Vater und Mutter an das System glaubten und uns Kinder vor kritischen Dingen schützten. Zum Beispiel wurde zu Hause nicht über das Thema Stasi geredet.

t-online.de: Welche Erinnerungen verbinden Sie mit der DDR?

Charly Hübner: Politisch gesehen hatte ich so ab 13, 14 Jahren den Eindruck, dass im Westen alles einfacher war. Warum kostete ein Kassettenrekorder dort nur 100 Mark und war so viel besser als ein Ost-Rekorder, der 800 Mark kostete. Warum durfte ich nicht RIAS-Berlin hören, wo da doch die bessere Musik lief. Und dann - wir waren so eine Clique von sechs Jungs - haben wir uns Basecaps aus Jeansstoff selber gemacht weil es ja keine gab. Da dachte man, wir wären eine kriminelle Vereinigung. Streute Gerüchte, wir würden alte Menschen überfallen. Zitierte uns zu Einzelgesprächen über unsere ideologischen Ziele. Dabei wollten wir nur Punk und Heavy Metal hören. Und dann kam die Wende und plötzlich bewarb sich ein hoher Offizier, der uns vorher bei der Musterung noch drangsaliert hatte, als Hausmeister an unserer Schule. Das sind Erfahrungen, die wir den Menschen in den alten Bundesländern voraus haben. Wie ein Systemwechsel Biografien so sehr durcheinander wirbeln kann.

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t-online.de: Bei Ihnen wurde dadurch aus der angepeilten Karriere als Leistungssportler die des Schauspielers…

Charly Hübner: So war das Ziel, aber ich war mit 17 übertrainiert und musste warten, dass mein Körper hinterher wächst.

t-online.de: Welche Sportart?

Charly Hübner: Handball oder Leichtathletik. Das war noch nicht entschieden. Aber heute bin ich ganz froh, dass es nicht so gekommen ist.

t-online.de: Ganz andere Frage: Verfolgen Sie das Dschungelcamp?

Charly Hübner: Nee. Aber ich verurteile das auch nicht. Wenn es Zuschauer gibt, die das sehen wollen, einen Sender der das produziert und Leute, die freiwillig in dieses Camp gehen, dann hat das durchaus seine Berechtigung.

t-online.de: Vielen Dank für das Gespräch.

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