TV Historiker kritisiert ARD-Doku über Friedrich den Großen
Anlässlich des 300. Geburtstages von Friedrich dem Großen am 24. Januar zeigte die ARD gestern die Dokumentation "Friedrich – Ein deutscher König". In der Gemeinschaftsproduktion unter Leitung des RBB setzten die Darstellerinnen Anna Thalbach (38) und ihre Mutter Katharina (57) Friedrichs Leben als Kronprinz und als König begleitet von Expertenkommentaren mit viel Leidenschaft in Szene. Doch wie nah an den historischen Fakten war der auch als Dokudrama bezeichnete Film wirklich? Der Historiker Dr. Vinzenz Czech von der Universität Potsdam hat da so seine Bedenken: "Der Zuschauer bekam die bekannten, mit Mythen und Anekdoten aufgeladenen Bilder präsentiert, die Friedrich II. und nachfolgende Generationen geschaffen haben und denen wir bis heute zum Teil erliegen." Dadurch, so der Experte gegenüber t-online.de, sei die "historische Realität zugunsten dramaturgischer Effekte nicht selten auf der Strecke geblieben".
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Beispielhaft dafür war Czech zufolge die Szene um die Hinrichtung von Friedrichs Jugendfreund Hans Hermann von Katte. Der Film zeigte, wie Friedrich, der die Exekution nach dem Willen seines Vaters Friedrich Wilhelm I. mit ansehen sollte, in der Festung von Küstrin von Soldaten vor das Fenster gezerrt wurde und wie ihm die Augen aufgerissen wurden. "Es gibt seit langem berechtigte Zweifel, ob sich diese Szene so abgespielt hat", wendet Czech ein. So besagen weitere Thesen, dass Friedrich schlichtweg in Ohnmacht gefallen sei oder er die Hinrichtung von seinem Fenster aus gar nicht habe sehen können, wobei Czech zufolge gerade letztere gut belegbar sei. "Ein Kronprinz, dem die Augen aufgerissen werden, macht sich in dem Film aber dramaturgisch natürlich viel besser", so der Historiker.
Unsterblichkeitsmythos weitertransportiert
Auch die Darstellung, wonach in der Schlacht bei Kunersdorf eine Kugel Friedrichs Tabakdose in dessen Brusttasche traf, die ihm so das Leben rettete, ist Czech zufolge umstritten. So habe Friedrich selbst nur von einem „Prellschuss“ berichtet. Die Tabakdose habe lediglich sein Vertrauter Henri de Catt erstmals in seinen Tagebüchern erwähnt: "De Catt war nicht dabei, keine Ahnung woher er das hatte." Dennoch hat der Film die Tabakdose in einer der Spielszenen mit Katharina Thalbach "begeistert aufgegriffen und damit den Unsterblichkeitsmythos weitertransportiert", so Czech. Und zwar ebenso wie in einer anderen Szene den Mythos vom fahneschwenkenden Friedrich, der vor seinen Soldaten in die Schlacht zog.
"Bekannte Bilder weitergeführt"
Generell sei es zweifelhaft, Friedrich II. verkürzt als "Deutschen König" zu bezeichnen: "Dazu ist er erst im 19. Jahrhundert ganz gezielt als protestantische Alternative zu den katholischen Habsburgern aufgebaut worden", so Czech. Dazu komme, dass der 90-Minüter lediglich Friedrichs Zeit als Kronprinz und die Jahre bis kurz nach Ende des Siebenjährigen Krieges 1763 thematisierte: "Der Mann regierte noch weitere 23 Jahre." Lediglich am Ende wurde kurz erwähnt, dass der gealterte König zunehmend menschenverachtende Züge annahm und dass angeblich alle froh waren, als er starb. "Auch hier hat der Film jene bekannten Geschichtsbilder aufgegriffen und weitergeführt."
Experten bringen Licht ins Dunkel
Jedoch findet der Historiker auch lobende Worte. So habe die Doku Friedrichs Vorliebe für Männer entgegen früherer Verklärungsversuche ausführlich thematisiert: "Mittlerweile ist klar, dass Friedrich mit Männern mehr anfangen konnte als mit Frauen. Er ist durchaus als homosexuell zu bezeichnen." Ob er seine Neigung auch auslebte, sei dagegen schwierig zu beantworten. Diese Frage ließ somit auch die Doku völlig zurecht unbeantwortet. Auch die Beiträge der Experten zwischen den Spielszenen brachten Czech zufolge etwas Licht ins Dunkel. So etwa der deutliche Hinweis auf Friedrichs Hang zur Selbstinszenierung: "Friedrich war ein Meister darin. Jedoch wurde dies von späteren Generationen meist nicht oder nur unzureichend beachtet, so dass seine Person immer weiter verklärt wurde."
"Chance vertan"
Obwohl der Historiker einräumt, dass man das Publikum heutzutage packen muss, um Geschichte greifbar zu machen, sei in der Doku andererseits die Chance vertan worden, bekannte Mythen zu hinterfragen - und zwar vor allem bei den Spielszenen mit den Schauspielerinnen: "Hier wurden teils neue Bilder geschaffen, die von den Zuschauern mit historischer Realität verwechselt werden können."