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TV-Duell zur Bundestagswahl: ARD und ZDF sind in die Falle getappt


Hickhack um TV-Duelle
Jetzt sehen ARD und ZDF alt aus

  • Steven Sowa
MeinungVon Steven Sowa

28.01.2025 - 16:25 UhrLesedauer: 4 Min.
Scholz und Merz duellieren sich: Habeck bleibt nur die Rolle des Zuschauers.Vergrößern des Bildes
Scholz und Merz duellieren sich: Habeck bleibt nur die Rolle des Zuschauers. (Quelle: Imago Images/Montage t-online)
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Friedrich Merz hat die Migrationsdebatte befeuert – und die Diskussion darum, welche Formate am besten zur Auseinandersetzung taugen. ARD und ZDF finden darauf die falschen Antworten.

Plötzlich ist also doch Bewegung drin. Der Wahlkampf lebt – und hat mit der Debatte zur Migrationspolitik nach der Bluttat in Aschaffenburg richtig Fahrt aufgenommen. Nur eine Institution rührt sich in dieser Sache nicht vom Fleck und wirkt festgefahrener denn je: der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Als wäre das nicht schon schlimm genug, haben sich ARD und ZDF jetzt auch noch von RTL den Schneid abkaufen lassen.

Man kann es gut finden, dass ARD und ZDF dieser Tage an ihren TV-Plänen festhalten und sich nicht von der volatilen Stimmungslage lenken lassen. Dass sie "Das Duell – Scholz gegen Merz" am 9. Februar zur besten Sendezeit austragen und damit den amtierenden Bundeskanzler, der mit den Sozialdemokraten bei etwa 16 Prozent in den Umfragen steht, gegen den aussichtsreichsten Kanzlerkandidaten antreten lassen: Friedrich Merz, der mit der Union rund 30 Prozent der Wähler hinter sich vereint.

Die innere Logik war von Beginn an brüchig

Aber man muss das nicht gut finden. Und wenn man ehrlich ist, hat das ganze Konzept bereits seit Wochen Schlagseite, ergibt von hinten bis vorn wenig Sinn. Die innere Logik dieses Fernsehereignisses erschließt sich dem gesunden Menschenverstand nicht – da können ARD und ZDF es drehen und wenden, wie sie wollen. Drei Szenarien liegen auf dem Tisch, werden aber von den Sendern mal mehr, mal weniger schlüssig abgeräumt:

  • Szenario eins: Warum sollte Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck nicht an einem Triell, wie es 2021 mit Scholz, Laschet und Baerbock stattfand, teilnehmen dürfen? ARD und ZDF drücken sich um die Frage und verweisen auf die Umfragewerte: Die AfD dürfe schließlich nicht ignoriert werden, so der Tenor. Was sie dabei verschweigen: Weder SPD noch Union oder die Grünen werden mit der AfD koalieren. Das haben sie oft genug betont. Ein Triell wäre also das naheliegendste Format für alle Wähler, um sich über die wahrscheinlichsten Regierungsoptionen ein Bild zu verschaffen.
  • Szenario zwei: Wenn es ARD und ZDF doch so sehr um die Umfragestärke geht: Warum tragen sie dann nicht ihre zwei Duelle aus – aber in einer Konstellation, die die aktuellen Werte widerspiegelt? Merz dürfte sich mit Weidel duellieren und seine von ihm gewünschten "Fetzen fliegen" lassen: Die 30-Prozent-Union träfe auf die 20-Prozent-Verfolger von der AfD. Das zweite Duell fände dann zwischen Scholz und Habeck statt. Also mit "den Spitzenkandidaten jener Parteien, die seit der letzten Bundestagswahl konstant über zehn Prozent liegen", wie es die ARD ausdrückt. Denn, so heißt es auf Nachfrage immer wieder vom Sender: "Die Kanzlerfrage ist für unsere Formate zur Bundestagswahl nicht ausschlaggebend, da ARD und ZDF kein Kanzler-Duell veranstalten." Ach, schau an, denkt man da und grübelt über den Sinn des Scholz-Merz-Duells.
  • Szenario drei: Und wenn das alles zu kompliziert ist: Warum wirft der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine Prinzipienreiterei nicht über Bord und gestaltet sein Studio in Berlin-Adlershof so um, dass dort auch ein Quartett diskutieren kann? SPD, Union, AfD, Grüne: Alle in einen Ring, mit Stoppuhr und knallharter Moderation von Sandra Maischberger und Maybrit Illner. Das, so die Sender, sei viel zu ähnlich zu anderen Sendeformaten wie der geplanten "Wahlarena" in der ARD oder "Klartext" im ZDF, wo sich die Spitzenkandidaten den Fragen der Bürger stellen. Ah ja.

"Die Voraussetzungen haben sich geändert"

Womit wir bei RTL wären: Die haben am Montagnachmittag die Gunst der Stunde gewittert. Zugegeben: Sie waren darin nicht sehr schnell, und erst auf Nachfrage von t-online ist ihnen ein Licht aufgegangen, dass diese verkorkste ARD-ZDF-Logik nicht auch für einen Privatsender gelten sollte. Kein Fernsehgesetz der Bundesrepublik besagt, dass RTL exakt eine Woche nach dem einen TV-Duell zwischen Scholz und Merz gleich noch ein weiteres senden muss – nur moderiert von Pinar Atalay und Günther Jauch statt von Maischberger und Illner.

 
 
 
 
 
 
 

Also legte der Sender spontan eine Wende hin: Nach den "tragischen Ereignissen von Aschaffenburg" hätten sich "die Voraussetzungen für ein TV-Duell am 16.2. geändert", hieß es nun von RTL. "Deshalb laden wir Olaf Scholz, Friedrich Merz, Alice Weidel sowie Robert Habeck ein, bei uns im direkten Schlagabtausch gegeneinander anzutreten." Ob es so weit kommt und die Spitzenkandidaten das Angebot annehmen, steht noch aus.

Für RTL liefe es dann wie am Schnürchen: Sie schicken am 9. Februar ihr Quoten-Schlachtross Dschungelcamp ins Primetime-Rennen mit dem TV-Duell bei ARD und ZDF, haben im Anschluss sogar noch den Superbowl im Angebot und können hoffen, eine Woche später mit der Viererrunde beim Publikum punkten zu können.

16 Millionen Zuschauer: Das war einmal

Damit sehen ARD und ZDF alt aus – im schlimmstmöglichen, buchstäblichen Sinne. Trotz aller politischen Entwicklungen bleiben sie stur, und RTL nutzt diese Schwäche aus. Der oft zitierte "bräsige Beamtenapparat", der in miefigen, stundenlangen Sitzungen Entscheidungen fällt, die aus der Zeit gefallen wirken: Hier ist er, live und in Farbe. Die Flexibilität und Dynamik des Privatsenders entlarvt damit die Systemschwäche der Öffentlich-Rechtlichen.

Die TV-Duelle vor den Wahlen sind ein Millionenmarkt: 2021 schalteten fast 11 Millionen Menschen ARD und ZDF ein, um Baerbock, Scholz und Laschet im Dreikampf zu erleben, bei RTL waren es immerhin 5,6 Millionen Zuschauer. Das Merkel-Schulz-Duell 2017 schauten sogar 16 Millionen bei den Öffentlich-Rechtlichen. Acht Jahre später können die Sender froh sein, wenn noch ein Viertel davon übrigbleibt – und das trotz stürmischer Zeiten und drängender politischer Themen. Es droht eine selbst verschuldete Schrumpfung, die ARD und ZDF noch wehtun dürfte.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen und Recherchen
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