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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Fynn Kliemanns Imperium Wie reich ist der Mann hinter dem mutmaßlichen Maskenbetrug?
Neue Recherchen deuten auf einen weiteren Maskenskandal in Deutschland hin. Im Mittelpunkt: der Unternehmer Fynn Kliemann. Doch wer ist der Mann eigentlich, den Böhmermanns Team ins Visier genommen hat?
"Jedes Business ist völlig egal, wenn man dadurch ein Menschenleben retten kann." Ein Satz, der gut auf eine Visitenkarte passt oder eine Werbeanzeige. Ein schöner, sozialkompatibler, altruistischer Ansatz, wie gemacht für die eigene Imagepflege. Gesagt hat ihn Fynn Kliemann im März 2020 im Interview mit t-online. In dem Gespräch ging es um die Corona-Pandemie und darum, wie der Unternehmer aus der Not eine Tugend macht.
Zwei Jahre später werfen die Enthüllungen des "ZDF Magazin Royale" ein neues, unschönes Licht auf die Aussagen von damals und vor allem die Frage auf: Hat sich Fynn Kliemann an der Notlage bereichert – und nicht nur seine Fans, sondern auch Geschäftspartner und die Öffentlichkeit mit einem vorgegaukelten, hehren Ansatz betrogen? Die Vorwürfe wiegen schwer, mehr dazu lesen Sie hier.
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Nur so viel: Jan Böhmermann schildert in seiner ZDF-Sendung, wie Kliemann Masken unter dem Label "fair" und in "Europa produziert" verkauft hat, aber in Bangladesch und in Vietnam für einen Billigpreis produzieren ließ. Unbrauchbare Mund-Nasen-Bedeckungen seien außerdem an Geflüchtetencamps weitergegeben worden. Wie der Musiker und YouTube-Star mit den Anschuldigungen umgehen wird, bleibt abzuwarten. In einem Pressestatement bestreitet er die Vorwürfe nur teilweise, mehr dazu später.
Fest steht: Erste Geschäftspartner wie About You haben bereits Konsequenzen gezogen und auch der Deutsche Nachhaltigkeitspreis wurde Kliemann am Freitag entzogen.
Schon damals im Interview interessiert t-online noch eine andere Frage hinter dem gerne als "Alleskönner" beworbenen Mann aus Zeven in Niedersachsen. Wie viel Geld verdient er eigentlich mit seinen zahlreichen Tätigkeiten? Schließlich ist er nicht nur Musiker, YouTuber, Influencer und "Heimwerkerkönig". Fynn Kliemann betreibt eine ganze Reihe an Unternehmen oder ist an ihnen beteiligt. Die Bandbreite reicht dabei von Film- und Musikproduktion über Programmierung bis hin zu Handel und Immobilien. Der 34-Jährige hat in das Hanf-Start-up Sanity Group investiert, betreibt mit Oliver Schulz zusammen ein kommerziell genutztes Hausboot in Hamburg und vertreibt eigene Klamotten über seinen Onlineshop "oderso.cool".
"Ich bin finanziell schon immer ein Pessimist"
Ob er sich finanziell Sorgen machen müsse, beantwortet er damals so: "Wenn ich jetzt nur noch Websites bauen würde, dann wäre es schon gefährlich. Aber ich bin finanziell schon immer ein Pessimist und war sehr sparsam. Da habe ich so viel zur Seite gepackt, dass ich ein halbes Jahr ohne Einnahmen leben kann", gibt er Einblicke in seine Rücklagenbildung und versichert: "Wir werden das auf jeden Fall überleben!"
Er schaue ohnehin nicht so auf die Rendite, so Kliemann und um "Reichtum" gehe es ihm schon gar nicht, sagt er schließlich auch dem Nachrichtenportal "ntv". Ihm seien "andere Werte" wichtig. Auch Böhmermann zitiert in seinem Beitrag einen ähnlichen Ausspruch des Tausendsassas. Er sei eigentlich "immer pleite", erzählt Kliemann da in einem Gespräch mit Pierre M. Krause. Doch daran bestehen erhebliche Zweifel. Wer ein ganzes "Kliemannsland" im niedersächsischen Rüspel mit drei Hektar Größe bewirtschaften muss und behauptet, auch bei ausbleibenden Einnahmen sechs Monate autark auskommen zu können, muss offenbar über ein ausreichend großes Vermögen verfügen.
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Wie hoch diese Summe beim "Do-it-yourself"-Spezialisten genau ist, kann nur spekuliert werden. Er selbst äußert sich dazu nicht. Verschiedenen Quellen wie der "Südwest Presse" zufolge kann Kliemanns Vermögen auf knapp zwei Millionen Euro geschätzt werden. Bei rund 820.000 Instagram-Followern und 600.000 Abonnenten auf YouTube zehrt Kliemann viel von seiner Community. Allein zu seinem "Kliemannsland" zählen laut eigenen Angaben etwa 55.000 Menschen, die sich dort mit einem Bürgerausweis registriert haben.
Als ehrenamtlicher "Kliemannsland-Aktivist" soll man dort in ausrangierten Wohnwagen nur vorübergehend vor Ort leben, wenn man mit Zustimmung des Teams dort kreative, handwerkliche Fähigkeiten einbringen kann, berichtete die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" im Jahr 2019 in einer Reportage. Ein paar wenige hauptamtliche Mitarbeiter habe Kliemann auch angestellt. Diese betreiben unter anderem ein eigenes Café, das eigenen Angaben zufolge Produkte aus der Region verkaufe. Die Agentur Online Marketing Rockstars (OMR) sowie der Inhaber der Karls Erlebnis-Dörfer besitzen Anteile am "Kliemannsland".
Wer ist Fynn Kliemann?
Fynn Kliemann ist YouTuber und Influencer. Er wurde zunächst mit seinen Heimwerkervideos bekannt. Auf Instagram folgen ihm über 820.000 Menschen. Kliemann besitzt das sogenannte Kliemannsland, einen ehemaligen Reiterhof in Niedersachsen. Hier ist er tätig und kreativ, hat dort eine Werkstatt und ein Atelier. Seinen Fans gibt er regelmäßig Einblicke. Der 34-Jährige ist auch Webdesigner, Unternehmer und Musiker.
Auch ein anderer in Böhmermanns Beitrag kritisch beäugter Geschäftsbereich Kliemanns dient dem Unternehmer als offenbar lukratives Investment. Unter dem Titel "Lass dir gut gehen" (kurz: LDGG) werden Ferienhäuser unter anderem an der Ostsee vermietet. Ein finanzieller Überschuss, den Urlauber freiwillig bei Kliemann spenden durften, beziffert sich aktuell auf 10.640,85 Euro. Doch aktuell wisse niemand, für welche Zwecke diese Summe überhaupt eingesetzt werden könne. Ein angeblich anvisierter Deal mit der Tafel Deutschland e.V. platzte – nun sei der gute Zweck bei der Aktion völlig unklar.
Kliemann bestreitet Vorwürfe teilweise
"Ich möchte natürlich einfach nur, dass diese Krise vorübergeht und dass es den Menschen gut geht", sagt Kliemann im Gespräch mit t-online noch im März 2020. "Aber letztendlich sind das die spannendsten Momente in meinem Leben, denn das ist das, was ich den ganzen Tag mache: mir für irgendein Problem eine kreative Lösung einfallen lassen." Aktuell scheint genau diese Art Geschäftsgebaren auf Kliemann zurückzufallen – in vielerlei Hinsicht. Denn welche Konsequenzen der Betrug auch juristisch haben könnte, ist noch ungeklärt. Es gilt die Unschuldsvermutung und Kliemann bestreitet inzwischen auch teilweise die Vorwürfe. So behauptet er am Freitagnachmittag, einige "Betrugsvorwürfe" würden "einfach nicht stimmen".
Doch Kliemann räumt auch Fehler ein und erklärt, seinen "Wertekompass aus den Augen verloren" zu haben". Er habe sich online "abfeiern lassen" für seine Maskenweitergabe an Flüchtlingslager. Dafür bitte er "um Entschuldigung". Außerdem bereue er inzwischen seine "intransparente Kommunikation". Das letzte Wort in der Sache dürfte noch nicht gesprochen sein. Gut möglich, dass die Causa Kliemann nun in die nächste Instanz geht.
- ZDF Magazin Royale: "Fynn Kliemann: SCHEISSE bauen (DIY)"
- Interview mit t-online: "Wie ein Musiker die Corona-Not zur Tugend macht"
- Kliemannsland: "3 Hektar Selbstverwirklichung"
- Südwest Presse: "Alle Infos zum Youtuber und Unternehmer im Porträt"
- NTV: "Wie (a)sozial ist Fynn Kliemann wirklich?"FAZ: "Im Kliemannsland"
- Eigene Recherchen