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Anke Engelke: "Das macht traurig, wütend, krank und hässlich"


Interview
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Ansage an Gender-Gegner
Anke Engelke: "Das macht traurig, wütend, krank und hässlich"

InterviewVon Janna Halbroth

07.08.2022Lesedauer: 10 Min.
Anke Engelke: Sie ist Veganerin, Gender-Befürworterin und eine der lustigsten Frauen in Deutschland.Vergrößern des Bildes
Anke Engelke: Sie ist Veganerin, Gender-Befürworterin und eine der lustigsten Frauen in Deutschland. (Quelle: Gerald Matzka/Getty Images)
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Ausschluss passiert auch über Sprache. Anke Engelke ist Befürworterin des Genderns. Im t-online-Interview richtet sie sich an alle, die sich dagegen wehren.

Wie stellen Sie sich Anke Engelke abseits von Kameras vor? Sicherlich lustig und umgänglich, oder? Als ich die 56-Jährige treffe, präsentiert sie sich mir genau so und überrascht mich dabei ein klein wenig. Zu oft lernt man in Interviews Prominente kennen, die dann doch ganz anders daherkommen, als man es sich vorgestellt, vielleicht sogar gewünscht hat. Engelke ist der Kumpeltyp und dabei sehr bescheiden. Von sich selbst sagt sie: "Ich bin höchstens normallustig." Normal ist an dieser Frau allerdings wenig.

Zweimal schickt sie die PR-Frau aus dem Zimmer, als diese uns signalisieren will, dass unsere vereinbarte Interviewzeit um ist. "Bitte geben Sie uns noch ein paar Minuten, das ist wichtig", erklärt sie. Ein paar mehr Minuten, in denen die Schauspielerin über ein Thema spricht, das ihr am Herzen liegt. "Der Mensch ist kein Inselmensch", so ihre Überzeugung und trotzdem ist das mit der Gemeinschaft für uns alle manchmal nicht so einfach. Aber lesen Sie doch gern selbst.

t-online: Frau Engelke, sind Sie eigentlich ehrgeizig?

Anke Engelke: Wirke ich auf Sie so?

Ja, schon.

(lacht) Echt? Verrückt, denn mir ist erschreckend vieles wurscht.

Ich denke mir immer, wenn jemand viel Erfolg hat, muss da auch ein gewisses Maß an Ehrgeiz dahinterstecken.

Stopp, stopp, Sie vergessen meine schönsten Misserfolge. Ich bin die, die mit der Late Night gescheitert ist. "Anke", die Serie, wurde nach zwei Staffeln abgesetzt. Die fand ich ganz toll. Auch Kinofilme, in denen ich mitgespielt habe, sind gefloppt. Ich bin kein Garant für Erfolg. Wenn mein Name aufs Plakat getackert wird, hilft das nicht. Ich war der erste Gast bei Barbara Schönebergers eigener Show – abgesetzt. Erster Gast bei Charlotte Roche – eingestellt. Ich gehe nirgendwo mehr als Erstes hin, das habe ich daraus gelernt.

Aber unterm Strich stehen bei Ihnen mehr Erfolge als Misserfolge auf der Habenliste, und das ist es doch, was zählt, oder nicht?

Nö, für mich zählen andere Dinge als Erfolge oder Misserfolge. Dennoch: Ich bin offenbar so ein Typ, bei mir bleiben die Misserfolge hängen. Ich denke mir dann: Was ist da genau passiert? Das hättest du dir vorher überlegen können. Die Erfolge sind mir eher unangenehm. Ist bestimmt auch echt schlecht für den Charakter, nur Erfolge zu haben.

Wieso?

Gucken Sie sich mal Leute an, die richtig Erfolg haben. Sogenannte Erfolgsmenschen – machen die auf Sie einen guten Eindruck? Ich glaube, dass das wirklich schwer ist. Deswegen schiebe ich das lieber weg. Ich komme auch aus einer ganz normalen Familie, kein bisschen Showbusiness, null Erfolgsdruck.

Wie erklären Sie sich dann Ihren Erfolg?

Ich kombiniere beim Arbeiten Spaß und Fleiß, würde ich sagen. Das ist vielleicht mein Geheimnis. Ich bereite mich auf Dreharbeiten z. B. immer sehr gut vor, lerne Texte früh genug, recherchiere viel. Ich habe meinen Radar die ganze Zeit auf Empfang. Auch unser Gespräch jetzt wird in irgendetwas einfließen. Ich gucke mir die Menschen an und interessiere mich wahnsinnig für sie. Ich gucke genau hin.

Sie sind auch breit aufgestellt, machen Drama, Synchro, Comedy. Gibt es etwas, das Sie sich nicht zutrauen?

Den ganzen Rest. Ich würde nie eine Platte aufnehmen, ich würde nie ein Buch schreiben. Wenn es irgendwann ein Buch oder eine Schallplatte von mir gibt, müssen Sie sofort die Polizei rufen. Dann bin ich entführt und unter Drogen gesetzt worden (lacht). Nein, vielleicht gibt es irgendwann ein Buch, aber das muss auch passen. Inzwischen habe ich viel erlebt und denke mir, die Tagebücher sind sehr voll. Ich habe zum Beispiel zehn Semester an der KHM eine Gastprofessur gehabt und unglaublich tolle Regiestudierende unterrichtet. Eigentlich kann ich Regie ja gar nicht. Es ging mir dabei nur um das Teilen. Und darum, mich mitzuteilen und den Regiestudierenden mitzugeben: Habt keine Angst vor Schauspieler:innen.

Würden Sie sagen, dass sich im Bereich Comedy in Bezug auf die Stellung der Frau in den vergangenen Jahren viel getan hat?

Ich sehe mich nicht als Komödiantin und ich bin für das Genre auch keine Expertin, da mir die Stand-up-Erfahrung fehlt. Ich hatte noch nie ein eigenes Soloprogramm, mit dem ich allein auf der Bühne stand. Ich bin ein Teamplayer. Ich bin keine Komödiantin und auch nicht rund um die Uhr lustig. Ich bin höchstens normallustig wie wir alle. Vielleicht bin ich mutiger und schlagfertiger als andere. Ich bin auch nicht eitel und bin im Alltag wirklich ziemlich normal, vielleicht, weil es in meinem Arbeitsalltag schon genug Alarm und Glamour gibt. Ich habe beim Hörfunk angefangen und habe dort gelernt, Journalistin zu sein. Meine erste große Kinorolle war hochtragisch.

Als ich zur Wochenshow gekommen bin, war ich 30 Jahre alt. Man hat mich ursprünglich als Nachrichtensprecherin besetzt. Die haben dann gedacht: Moment mal, jetzt haben wir hier eine Frau, dann kann die doch auch in dem Sketch mitspielen. Ich bin aber nie angetreten, um lustig zu sein, und Komödiantin war auch nie mein Berufswunsch.

Sondern?

Lehrerin. Ich habe auch Lehramt studiert. In meiner Familie war niemand Lehrer:in. Ich finde es spannend, wo das bei mir herkommt. Bis heute halte ich mich für eine verkappte Lehrerin. Ich habe das Studium leider nicht abgeschlossen.

Woran lag das?

Nach den Zwischenprüfungen musste ich mich entscheiden. Die Semester zogen ins Land und ich habe neben dem Studium beim Hörfunk in Baden-Baden gearbeitet und sehr viele Seminare verpasst. Nach vielen Semestern, bei denen ich kaum anwesend war, habe ich dann abgebrochen. Das war eigentlich ganz peinlich. Aber bis heute glaube ich, dass das, was ich tue, relativ didaktisch ist. Alles, was ich so in den vergangenen 45 Jahren mitbekommen habe, möchte ich teilen und wiedergeben. Das ist einfach zu schön und zu interessant, was mir so alles angeboten wird und was ich gelernt habe.

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Apropos. Sie haben gerade auch wieder mehrere Projekte hinter sich, wie "Hotel Transsilvanien 4". Was gefällt Ihnen an dem Film besonders?

Ich mag zum Beispiel den Look, die eigene Art der Animation. Die geht künstlerisch einen Schritt weiter. Das ist alles sehr absurd gezeichnet, geht ästhetisch in die Tex-Avery-Comic-Richtung. Es sieht nicht humanoid aus, sondern die Monster dürfen durchaus surreal sein. Das mag ich total.

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Ihre Lieblingsszene?

Thema des Films ist die Veränderung, obwohl das ja nicht mehr und nicht weniger als ein Animationsfilm ist. Meine Figur sagt den schönsten und klügsten Satz im Film. Drake baut sich vor ihr auf und ist jetzt nicht mehr der unheimliche Dracula, sondern ein Mensch mit hässlichem Hemd und Plauze, und er schiebt seinen Bauch peinlich berührt nach oben, um ihn zu verstecken und sagt "Hallo" und sie sagt: "Das musst du doch gar nicht machen", schiebt die geschwollene Brust von oben nach unten und dann wird es wieder eine Plauze und sie sagt: "Ich liebe dein Inneres und dein Äußeres." Das ist so ein schönes Bild, dass ich Gänsehaut bekomme. So eine kluge Aussage, oder nicht? Ob Mensch oder Monster, es geht nicht um Aussehen, sondern darum, wer wir sind, was wir wollen, was wir hinkriegen und wie wir uns fühlen.

Neben Hotel "Transsilvanien 4" sind Sie im Drama "Mein Sohn" dabei. Da spielen Sie eine Mutter, die sich um ihren schwer verletzten Sohn kümmert. Wie ist es, jemanden zu spielen, der nicht loslassen kann?

Super. Es ist ähnlich nah oder fern, wie eine Lehrerin oder eine Frau ohne Kinder zu spielen. Im Film zuvor habe ich eine Frau gespielt, deren Mann im Koma liegt. Wie viel bin da ich und wie viel ist da fremd? Darauf gibt es nie eine Antwort. In "Hotel Transsilvanien 4" spiele ich eine animierte Figur, da ist die Frage, wie viel Anke Engelke darin steckt, sowieso schon mal obsolet. Ich habe nichts mit dieser Figur zu tun. Es gibt natürlich eine bestimmte Spanne, welches Alter ich spielen kann, aber dann hört es auf. Ich kann zum Beispiel keinen Teenager mehr spielen. Das geht nicht. Ich kann und will Menschen spielen, ohne sie zu sein. Wenn ich eine 56-jährige Mutter spielen müsste, würde ich nicht nur bei mir nachschauen, sondern mich am Drehbuch orientieren. Spätestens wenn die Kamera an ist, ist nichts mehr echt. Dann bin ich nicht mehr die 56-jährige Mutter aus meinem wahren Leben. Das ist nicht Lügen, das ist nur so tun als ob. Man muss durchaus aufpassen, dass Schauspiel nicht einfach ein großer Haufen Lügen ist. Mein Ansatz ist es, andere Leute mitzunehmen und ihnen eine Figur zu zeigen und sich zu fragen: Was macht ihr Handeln mit euch?

Mein Gedanke hinter der Frage war, dass es falsche Vorstellungen wecken könnte, wenn eine 55-Jährige eine 64-Jährige spielt. Sie sehen nicht aus wie Mitte 60 und sind es auch nicht. Warum müssen Sie eine Frau in dem Alter spielen? Warum können Sie nicht eine Frau in Ihrem Alter spielen? Oder kurz: Warum müssen Frauen ständig jünger aussehen?

Ach so. In diesem Fall hatte das andere Gründe. Der Regisseur wollte gern, dass ich diese Rolle spiele und die Figur musste älter sein als ich, einfach aufgrund ihrer Biografie. Er war da auch durchaus in einem Dilemma und hat überlegt, die Rolle mit jemandem zu besetzen, der wirklich 64 Jahre alt ist. Wir haben lange darüber gesprochen und beide entschieden, dass wir das gern so wollen. Da machen wir jetzt aber ein großes Feld auf. Dürfen nur Heterosexuelle Heterosexuelle spielen? Darf ein Hamlet nur von Weißen gespielt werden? Ich freue mich, dass dieses Feld eröffnet wird und wir solche Fragen stellen können. Ich spiele gern mit, bin für alles offen und freue mich auf diese Reise, auf die wir uns begeben. Das ist ja nur ein Bereich des Lebens, und zwar die Kunst. Aber es betrifft zum Beispiel auch Ihren Arbeitsplatz oder Ihre Stellung in der Gesellschaft, meine Stellung. Wir müssen alles neu denken, und das wird eine Achterbahnfahrt. Es wird viele Menschen geben, die sich bedroht fühlen und Angst haben, dass jemand ihnen etwas wegnimmt, weil sie ihre Komfortzone verlassen müssen. Aber es kann auch eine ganz große Chance sein für uns alle.

Sie haben das ganze Gespräch über gegendert. Ist das etwas, was Ihnen wichtig ist?

Ja, das ist mir wichtig. Aber das muss jede:r für sich entscheiden dürfen, finde ich, ohne Vorschriften. Meiner Ansicht nach brauchen wir eine Veränderung, ein Umdenken. Ich habe in Kauf genommen, dass das auch ein bisschen anstrengend sein kann, dass das Gendern andere irritiert oder stört, aber mir fällt das nicht schwer. Wir sind aber empathische Wesen und erleben, dass es zu viele Menschen gibt, denen es nicht gut geht, weil sie reduziert werden auf ihr Äußeres, auf ihre Sexualität, ihre Herkunft und diskriminiert werden. Je mehr wir an unserer Toleranz arbeiten und an einem zugewandten Miteinander, desto besser. Gendern ist doch ein guter Anfang, oder?

Verstehen Sie, dass sich manche Menschen dennoch so vehement gegen das Gendern stellen?

Ich verstehe, wenn Leute sagen: "Das mit dem Gendern mache ich nicht mit, ist mir zu doof." Was ich nicht verstehe, ist der Zorn in der Diskussion. Ich verstehe Menschen, die Angst davor haben, dass man ihnen etwas wegnimmt. Das ist dem Menschen offenbar angeboren. Er findet Veränderungen schwierig und assoziiert mit Veränderungen Verzicht. Das Geheimnis ist, dass Verzicht gar nicht so schlecht ist. Man muss ihn nur selber definieren dürfen und sich dann nicht hetzen.

Wie definieren Sie Ihren Verzicht?

Indem ich bei mir anfange. Zum Beispiel ernähre ich mich nach 20 vegetarischen Jahren jetzt schon ein paar Jahre vegan. Ich habe ein Elektroauto, das ich selbst nicht oft genug benutze, deswegen verleihe ich es gern und viel. Damit es ein Fahrzeug ist und kein Stehzeug. Ich fahre Zug und fliege nicht innerhalb Deutschlands, nur einmal im Jahr innereuropäisch. Ich möchte aber dann und wann ins Ausland fliegen. Deswegen entscheide ich selbst, worauf ich verzichten kann und worauf nicht. Easy. Aber deswegen muss ich niemanden hetzen. Niemand hat mir das befohlen, ich habe es mir selbst empfohlen. Guter Satz, sofort tätowieren lassen, oder?


Ja, nicht schlecht.

Manchmal habe ich so Geistesblitze. Und dann denke ich mir aber auch wieder: Man redest du einen Schwachsinn.

Wie würden Sie den Leuten klarmachen, dass es wichtig ist zu gendern?

Würde ich nicht, muss jede:r für sich entscheiden. Mich stört das zum Beispiel einfach, dass Frauen für ihre Arbeit schlechter bezahlt werden als Männer. Jeder Mensch, egal ob Mann, Frau, LGBTQ – alle sollten doch als das genommen werden dürfen, als was sie sich fühlen und gesehen werden möchten. Für mein Empfinden wird zu oft marginalisiert und werden Menschen an den Rand geschoben. Das machen wir jetzt seit vielen, vielen Jahrhunderten, aber sollten wir nicht alle reinholen und ein gesünderes gesellschaftliches Miteinander und Denken entwickeln? Wenn Menschen sich in sich selbst zurückziehen und nur stänkern und hetzen, dann ist das kontraproduktiv. Das ist nicht der Sinn von Gesellschaft, das ist der Sinn von Inselmenschen. Jeder Mensch als Insel? Das kann es nicht sein. So kann und will der Mensch nicht leben. Wir sind Gemeinschaftswesen, wir möchten miteinander sein. Ich kann uns alle nur bitten, uns zu öffnen, besser hinzugucken und nicht zuzumachen. Denn das macht auf Dauer traurig, wütend, krank und hässlich. Es ist wichtig, dass wir weitergucken.

Wie stehen Sie Menschen gegenüber, die sich darüber aufregen, dass Sie gendern?

Na respektvoll, natürlich, ich kann und muss nicht mit jedem reden, der nicht meiner Meinung ist oder mit jedem, der sich aufregt, weil ich gendere. So viel Zeit habe ich leider nicht. Aber man muss sich dann und wann auf diese Gespräche einlassen. Es ist sicher auch eine Frage des Zeitmanagements (lacht). Ich bin nicht bei den sozialen Netzwerken, weil ich vermute, dass es mehr um Hetze als um Kommunikation geht. Aber so manches Mal lasse ich mich auf die Situation ein. Nicht weil ich überzeugen, predigen oder oktroyieren möchte, sondern weil mich auch das Gegenüber interessiert und weil ich wissen möchte, wo es herkommt, dass es einen Menschen so wütend macht.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Anke Engelke
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