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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Katharina Wackernagel "War unangenehm, ständig nach Kindern gefragt zu werden"
Von vielen Frauen wird erwartet, dass sie Kinder bekommen. Doch was, wenn sie sich für einen anderen Lebensweg entscheiden? Wenn die Mutterschaft nicht ihr erklärtes Lebensziel ist? Schauspielerin Katharina Wackernagel erklärt im t-online.de-Interview, wie es sich anfühlt, wenn andere über die wohl intimste Entscheidung urteilen.
Schauspielerin Katharina Wackernagel hat in über zehn Kinofilmen mitgewirkt, war in mehr als 50 Fernsehproduktionen dabei. Seit 2009 ist sie Kommissarin in der TV-Krimireihe "Stralsund". Die Schauspielkunst liegt ihr gewissermaßen im Blut. Schon ihre Großmutter Erika Wackernagel stand auf der Bühne, genauso wie ihre Mutter Sabine Wackernagel. Der Beruf füllt sie aus.
Doch immer wieder muss sich die 41-Jährige rechtfertigen, weil sie eben "nur" berufstätig ist. Keine Ehe, keine Kinder und trotzdem glücklich. Das geht, wie Katharina Wackernagel im t-online.de-Interview erklärt.
t-online.de: Frau Wackernagel, Sie haben keine Kinder und wollen auch keine. Wie wurde der Wunsch, kinderlos zu bleiben, von Ihrem Umfeld aufgenommen?
Katharina Wackernagel: Es wird von Frauen erwartet, dass sie Kinder kriegen. Selbst von Leuten, die sich als sehr emanzipiert betrachten. Als ich Anfang 30 war wurde ich immer häufiger angesprochen und gefragt, wann es denn bei mir so weit ist. Ich bin dann sehr häufig auf Unverständnis gestoßen, wenn ich gesagt habe, das steht für mich nicht an.
Warum wollen Sie keine Kinder?
Mein Beruf nimmt so einen großen Raum in meinem Leben ein. Ich hatte nie eine Grundsehnsucht nach einem Kind. Ich bin in einer großen Familie aufgewachsen. Alle meine drei Brüder haben Kinder und ich habe das Gefühl, dass ich trotzdem eine Familie habe. Ich finde die Kinder meiner Brüder toll, ich möchte halt nur selbst keins haben.
Stört es Sie, diesen Wunsch immer wieder zu erklären?
Manchmal finde ich es ganz schön übergriffig, wenn mir gerade von Frauen immer wieder gesagt wird, dass Kinder das Beste auf der Welt sind. Das kann ja für den einzelnen stimmen, aber ich finde, das kann jeder selbst entscheiden. Eine zeitlang war es für mich auch unangenehm, dass ich das immer gefragt wurde. Das geht doch eigentlich keinen etwas an. Männer würden niemals mit 30 gefragt werden, wann es denn mal langsam so weit ist. Natürlich gibt es da auch keine tickende Uhr. Ich finde, Frauen werden in ein Bild gepresst, das sagt: Ohne Kinder bist du nicht vollständig. Das lehne ich ab. Man kommt in eine Verteidigungshaltung und muss sich rechtfertigen, wenn man diesem Bild nicht entspricht.
Wie stehen Sie zum Älterwerden? Ist es etwas, das Ihnen gefällt?
Als ich 30 wurde war ich ein bisschen erleichtert. Da hatte ich das Gefühl: ich bin definitiv kein Mädchen mehr. Ich wurde nicht mehr gefragt, ob ich Abitur habe oder eine Schauspielschule besucht habe. Ab diesem Zeitpunkt war ich eine erwachsene Frau. Das fand ich gut. Ich habe aber auch das Gefühl, dass manche Sachen mühsamer sind. Es gibt zum Beispiel mehr spannende Rollen für jüngere Frauen als für ältere Frauen. Das ist schade, denn ich glaube ich bin so viel besser als noch vor zehn Jahren. Ich kann so viel mehr, ich könnte so tolle Rollen spielen und jetzt werden sie weniger. Da schaue ich neidvoll auf die männlichen Kollegen.
Bei denen ist das anders?
Es gibt häufig Beispiele für Schauspieler, die erst mit Mitte 40 so richtig Karriere gemacht haben und dazu noch kernige Typen wurden. Man darf aber auch nicht vergessen, dass wir im ZDF viele Filme haben, in denen Frauen die Hauptrolle spielen, viele Frauengeschichten. Da möchte ich also auch nicht jammern. Mich bedrückt nur manchmal die Rollensituation mehr als Falten und graue Haare es je könnten.
Was zeichnet für Sie eine starke Frau aus?
Stärke hat viel mit dem Innenleben zu tun. Je selbstbewusster ein Mensch ist und je mehr er selbst an sich glaubt und umso weniger bereit er ist sich anzupassen, umso stärker wirkt der Mensch auf mich. Das gilt aber für alle Menschen, nicht nur für Frauen. Mich beeindrucken Frauen, die sich von den erwarteten Bildern entfernen. Ob es jetzt in der Filmbranche ist, in der Politik oder im sonstigen gesellschaftlichen Leben. Es ist immer noch so, dass von Frauen bestimmte Konventionen erwartet werden. Ob es jetzt den klassischen Kinderwunsch angeht oder einfach nur, dass eine Frau sich für ihr Äußeres interessieren muss. Da haben Männer ganz andere Freiheiten. Eine starke Frau ist für mich diejenige, die sich aus Konventionen herauszieht und einfach an sich selbst glaubt.
Sind Sie nach diesen Kriterien stark?
Ich passe mich in mancher Hinsicht ganz schön dem System an. Das gehört zu meinem Beruf dazu, sonst kommst du nicht vorwärts. Ich möchte drehen und spielen, das ist, was ich liebe und was ich machen möchte. Ich nutze dennoch Gelegenheiten, um auszubrechen und zu rebellieren.
Welche Gelegenheiten sind das konkret?
Ich finde zum Beispiel, man muss nicht jeden Instagram-Shit mitmachen, um dazuzugehören.
Wie meinen Sie das?
Ich habe einen Account und nutze den auch beruflich. Aber ich meine damit, dass ich keine Lust habe, mich davon abhängig zu machen, ob das, was ich da veröffentliche auch geliked wird. Ich möchte an meine eigene Vision glauben. Wenn man das nutzt, um eine politische Haltung zu zeigen, oder um Positionen zu beziehen, okay. Aber einfach nur mitzuwirbeln, um da auch vorzukommen, das lehne ich ab.
Sie haben vorhin die Konventionen angesprochen, die von Frauen erwartet werden. Inwieweit beziehen die sich auch auf ihren Beruf als Schauspielerin?
Ich habe zum Beispiel eine Kollegin, die war immer ein sehr zierlicher Typ. Nach der Schwangerschaft hatte sie vielleicht fünf Kilo mehr und die Agentur hat gesagt, die müssen runter. Ich frage mich da: Warum? Ist es für ihre Rolle wichtig, ob sie fünf Kilo mehr oder weniger hat? Muss es immer Kleidergröße 36 sein? Ich habe gar nichts gegen diesen speziellen Frauentypen, ich finde nur, es sollte viele unterschiedliche Typen geben. Genauso ist es mit dem Alter. Ich habe mit Anfang 30 schon Mütter von 20-jährigen Söhnen gespielt. Das ist doch absurd. Es gab keine Geschichte dazu, dass ich früh Mutter geworden bin oder ähnliches. Warum muss ich als Anfang 40-Jährige eine 35-Jährige spielen? Das stört mich und das bedauere ich, weil es nicht notwendig ist. Das sind ja nur Äußerlichkeiten. Ich verstehe die Angst nicht, dass die Leute Dinge nicht verstehen könnten.
Warum ist das Ihrer Meinung nach so?
Es wird oft argumentiert, die Leute wollen das so, weil es schon immer so war. Aber die Zuschauer sind nicht so dumm und kleingeistig, wie es ihnen vorgeworfen wird. Da beißt sich die Katze in den Schwanz, wenn sie nie was anderes sehen, wie sollen sie da wissen, dass sie was anderes wollen. Noch vor ein paar Jahren hätte keiner eine zehnteilige Serie gemacht. Jetzt sind die Leute gar nicht mehr von Netflix wegzukriegen, weil sie eine Serie nach der anderen ansehen wollen. Das deutsche Fernsehen ist in manchen Bereichen sehr zögerlich und ängstlich vor den Zuschauern. Ich würde sagen: Traut den Menschen mehr zu. Man unterschätzt das Publikum.
Wer ist Ihr Vorbild?
Meine Mutter ist in vielerlei Hinsicht mein Vorbild. Sie ist der Grund, warum ich Schauspielerin werde wollte. Ich konnte sie früh ins Theater begleiten und habe sie auf der Bühne gesehen. Ich fand es toll, wie sie sich verwandelt hat und jemand anderes sein durfte. Aber sie ist auch als Mensch ein Vorbild, wie sie das geschafft hat mit drei Kindern, ihrem Beruf und ihren Beziehungen.
Sie waren gerade im neuen Stralsund-Krimi "Blutlinie" zu sehen. Gucken Sie sich ihre Filme hinterher immer selbst an?
Ich gucke meine Filme immer an. Für mich sind manchmal die Dreharbeiten eineinhalb Jahre her. Wenn ich dann in Interviews darüber sprechen möchte, schaue ich mir das Ganze schon an. Manche Dinge hat man sonst auch einfach anders im Kopf, als es dann geschnitten ist. Außerdem möchte ich sehen, wie der Film geworden ist, ob die Geschichte funktioniert. Für mich ist das eine Art Hausaufgabe. Manche Filme gucke ich auch, wenn sie ausgestrahlt werden, zusammen mit Freunden oder Familie. Das macht mir Spaß.
Was haben Sie für ein Verhältnis zu ihrer Rolle Nina Petersen aus dem "Stralsund"-Krimi?
Ein gespaltenes. Ich kenne diese Figur schon eine ganze Weile. Wir hatten jetzt 16 gemeinsame Fälle. Ich finde, sie hat eine gute Klarheit. Ihr Ehrgeiz und ihre Verbissenheit gehen mir ein bisschen auf die Nerven. In den ersten Filmen war sie rebellischer und hat sich öfter durchgesetzt. Diese Seite vermisse ich mittlerweile. Bei solchen Reihen ist allerdings auch die Frage: Wieweit dürfen sich die Charaktere weiterentwickeln.
Wie meinen Sie das?
Da wir kaum eine Horizontale haben und die Fälle immer abgeschlossen sein müssen, hat sich die Figur in den letzten Jahren wenig entwickelt. Da finde ich, wäre noch Spielraum. Wenn ich Krimis gucke, interessiert es mich sehr, was die Kommissare für Leute sind. Das ist ja schon ein seltsamer Beruf. Du stehst auf, gehst ins Büro und wirst dann an einen Tatort gerufen, meistens zu einer Leiche. Du musst dann herausfinden, was passiert ist und denkst dich in ein fremdes Leben ein. Es ist spannend, wenn man sieht, was es mit den Menschen macht, wenn sie in anderes Leben eintauchen. Als Schauspielerin kenne ich das ja, aber als Kommissarin natürlich nicht. Ansonsten glaube ich aber, dass meine Rollenfigur und ich ein gutes Team sind.
Welche Projekte stehen noch auf Ihrer Wunschliste?
Es ist für mich sehr reizvoll, was es momentan an Serien gibt. Comedy, Drama, Krimi: Da wäre für mich überall etwas dabei. Aus Skandinavien oder auch aus Amerika, sowie Belgien, da habe ich schon vieles gesehen, was mich interessiert. In einer Serie kann man auch eine Figur ganz anders erzählen über einen langen Zeitraum, ohne ein Korsett, dass sich auf 70 oder 80 Sendeminuten beschränken muss. Solche Rollen liegen nicht auf der Straße, aber so etwas würde ich mir sehr wünschen.
- Eigene Recherche