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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Jasmin Wagner So geht es Sängerin Blümchen heute
Sie redet viel und schnell. Jasmin Wagner alias Blümchen scheint mit fast 40 Jahren nichts von ihrer einstigen Energie verloren zu haben. Im t-online.de-Interview spricht sie über Kinder, Älterwerden und ihre Vergangenheit.
Wie ein Boom Boom Boom Boom Boomerang, der eine 23-jährige Schlaufe gedreht hat, kommt Blümchen nun wieder bei uns an. Die Sängerin feierte in den 1990er-Jahren eine für diese Zeit gerade zu klassische Blütezeit.
Innerhalb kürzester Zeit feuerte die damals 15-jährige Jasmin Wagner einen Hit nach dem anderen heraus. Von "Herz an Herz" über besagten "Boomerang" bis zu "Kleiner Satellit" – ihre Technosongs waren schnell, verrückt und quirlig. Genau so ist auch die Künstlerin selbst. Denn Blümchens Blüten sprühen vor Energie, von Verwelken keine Spur. Mittlerweile tritt sie wieder auf, mit den alten Songs. Im t-online.de-Interview auf einer Veranstaltung in Cannes verteilt die 39-Jährige ganz viel Blütenstaub. Bitteschön:
t-online.de: Frau Wagner, wie wichtig ist Ihnen Ihr Aussehen?
Jasmin Wagner: Es ist wichtig, wir leben in einer Zeit, in der wir das auch sagen können. Es geht immer mehr darum, eine Verbindung mit sich selbst zu haben. Ich kratze gerade hart an der 40, da muss ich mir überlegen, wie viel ich an Zeit überhaupt investieren will, damit ich lange gesund und stark bleibe. Ich habe da eine 50 / 50 Rechnung gemacht.
Wie genau sieht die aus?
50 Prozent in meinem Leben habe ich Spaß und mache Quatsch, die restlichen 50 Prozent versuche ich diszipliniert zu sein und mich um mein Aussehen zu kümmern. Ich finde es schön, Make-up zu tragen und mich zu inszenieren. Ich finde es aber auch wichtig, dass ich mich ohne Make-up leiden kann und die Grundsubstanz mag.
Aprops an der 40 kratzen, ist das ein großes Thema für Sie?
30 werden fand ich kurioser. Ich selbst hatte viele Vorurteile über das Älterwerden. Natürlich bin ich heute keine 20 mehr, 20-Jährige empfinden mich als alt, das ist klar. Aber wir leben in einer so wunderbaren Zeit, in der wir als Frau alles sein können, was wir wollen. Ich bestimme selbst, wie frei ich lebe, wie familiär ich sein möchte. In der Generation meiner Mutter gab es in einem bestimmten Alter Dinge, die so zu sein hatten. Ich finde es total toll, wie es heute ist. Vielleicht trägt man in meinem Alter nicht mehr bauchfrei, aber ich bin so frei in meinen Entscheidungen, dass ich sage kann: Ok, ich habe nun mal einen Bauch, den ich noch zeigen kann und will, also mache ich das einfach.
Wie sind im Allgemeinen die Reaktionen auf Sie?
Der größte Zuspruch, den ich erfahre, kommt von Frauen. Ich habe neulich ein wunderbares Yoga-Training gemacht zum Thema, wie Frauen miteinander umgehen sollten. Da wurde gesagt: Warum sollte sich eine Rose mit einer Tulpe vergleichen? Das sind alles schöne Blumen, die sind alle auf eine Art und Weise gut so und genau richtig. Das ist eigentlich so simpel.
Das ist es. Haben wir Frauen in dieser Hinsicht viel dazugelernt?
Ich habe das Gefühl, dass Frauen untereinander einen liebevolleren Blick entwickeln. Das hat damit zu tun, dass wir uns viel mehr sehen. Das liegt auch an der großen Auswahl, die wir mittlerweile durch Social Media haben. Dort werden andere Schönheitsideale gezeigt, als die, die vorher von wenigen – meistens Männern – diktiert wurden. Wenn wir sagen, die Gleichstellung hat noch nicht stattgefunden, dann geht das auch nur, wenn wir uns untereinander solidarisieren und gegenseitig stark machen.
Woher kommt Ihre Energie?
Ich versuche viel Freude und Spaß zu haben. Ich lasse es zum Teil richtig übel krachen. Ich hatte früher wahnsinnig viel Stress mit allem. Ich habe viel zugenommen und viel abgenommen und war ständig aus der Balance. Ich gehe oft von einem Extrem ins andere Extrem, wir alle wissen, in den Extremen haben wir am meisten Spaß, aber man braucht einfach auch eine gewisse Balance, in der man sich aufhalten muss. Ich habe Freundinnen, die haben schon mit Mitte 20 angefangen, kleine Spritzen einzusetzen. Ich glaube, am Ende sehen wir alle gleich alt aus und es ist nur die Frage, wie viel Freude wir in unseren Augen haben und wie oft wir gelächelt haben.
Operative Schönheitseingriffe sind also nichts für Sie?
Nein, bis jetzt noch nicht. Nicht, dass ich das ablehne, aber im Moment läuft es bei mir ganz gut und geht noch alles. Ich beobachte erstmal gerne, was andere machen, das habe ich schon immer so gemacht. Ich finde, Botox kreiert einen Look, der ist nicht schlecht, aber wenn man Botox lange benutzt, dann sehen alle Gesichter sehr ähnlich aus. Ich finde nicht, dass man zwangsläufig jünger aussieht, wenn man sich die Mimik wegspritzt. Ich finde es viel wichtiger vital zu sein und Muskeln aufzubauen. Meine Eltern sind zum Beispiel 60 und 70 und die könnten viel fitter sein, wenn sie in meinem Alter schon angefangen hätten, Muskeln aufzubauen. Wenn ich alt bin, möchte ich möglichst lange beweglich sein, um die Welt zu genießen.
Wie fühlt sich das an, wieder als Blümchen aufzutreten?
Mega gut und das ist für mich selbst die größte Überraschung. Ich hatte das vorher immer kategorisch abgelehnt, weil ich dachte, das kann man nicht wieder aufrichten. Ich habe das am besten gemacht, als ich 15,16,17 Jahre alt war, danach habe ich einfach gesagt: Nein. Mein bester Freund hat das hinterfragt und gesagt, er würde sich total freuen. Gerade sind die 1990er-Jahre wieder Thema. Im März gab es dann die größte 90er-Party der Welt und ich habe mir gedacht, das ist cool, dabei zu sein. Ich hatte es bis dahin auch noch nicht erlebt, vor so vielen Leuten aufzutreten. Es ist alles Geschmackssache, aber diese 60.000 Leute und ich, wir hatten eine Megaenergie, das verbindet uns. Wir waren damals alle jung und kennen diesen Flow, das verbindet uns im heute, das ist total schön.
Und diejenigen, die heute jung sind? Haben die auch einen Bezug zur 90er-Musik?
Durch die ganzen Streamingdienste kann man ja sehen, wer sich was runtergeladen hat. Die ganzen Kids, die heute 19, 20 Jahre alt sind, die laden sich das auch herunter, das heißt, diese Energie funktioniert auch heute noch, auch wenn die gar nicht wissen, wer wir waren. Das motiviert auch mich jetzt wieder, mich erneut mit der Musik zu verbinden. Im besten Sinne geht es um nichts weiter, als darum, gute Laune zu stiften.
Werden Sie heute noch oft von Menschen auf der Straße erkannt?
Ja, schon. Ich frage dann gerne nach dem Alter, weil die Personen manchmal viel zu jung sind, um mich zu erkennen. Oft ist es der Geschwister-Effekt, dann hat der ältere Bruder Blümchen gehört. Dann ist es aber auch so: ich bin eine große Frau mit Locken. Ich falle grundsätzlich auf. Aber es ist nicht so wie früher. Da konnte ich teilweise nicht aus der Umkleidekabine herauskommen, weil so viele Leute davor standen. Ich wusste da oft nicht weiter.
Wie schlimm war das?
Das war eine Mischsache. Im einen Moment war es schlimm, weil man einfach nicht das machen konnte, was man machen wollte, wie zum Beispiel Socken kaufen. Aber es war auch lustig, es gibt ja zum Beispiel auch Leute, die haben ein Tattoo mit dem Blümchen-Schriftzug. Das haben ja sonst nur Rockstars. Zeitweise hat mich das auch überfordert, aber mittlerweile finde ich es cool.
Was haben Sie seit dem Ende von Blümchen gemacht?
Ich habe eigentlich genau so viel gemacht, wie immer. Ich habe anfangs viel im Fernsehen moderiert und in den letzten Jahren haben ich sehr viel Theater gespielt. Ich fand das ganz toll, einen neuen Experimentierraum zu haben. Ich habe viele Klassiker gespielt, aber auch moderne Komödien oder Musicals. Das war herrlich, weil ich da all meine Superkräfte einsetzen konnte: Spielen und Singen. Ich war es die letzten zehn Jahre gewohnt, für sechs Wochen in einem Theaterkeller zu sein und anstrengende Prozesse durchzugehen. Ich war viel im Dunkeln eigentlich.
Mittlerweile sind Sie wieder da, auch auf Instagram sind Sie aktiv, sehen Sie sich auch als Influencerin?
Ich weiß nicht, wo es anfängt, das zu sein. Ich bin da eher eine Praktikantin, die lernt und beobachtet. Ich habe da noch kein Selbstverständnis. Ich finde es noch immer komisch, in die Kamera zu sprechen. Im Moment mache ich das mit sehr viel Humor. Man kann schon sehr viel von sich zeigen, von sich als Mensch, abseits des Jobs. Aber mein Köpfchen ist da schon sehr verhaftet in den 90er-Jahren, in der Zeit, in der ich alles gelernt haben.
Inwiefern? Was war da anders?
Da haben wir unser Privatleben verteidigt. Da war es heilig, dass man eben keine Homestory macht. Heute sagt man: Schau mal wie ich beim Duschen aussehe. Es hat sich einfach gewandelt. Ich frage mich, was in weiteren zehn Jahren passiert. Das ist das Tolle am Älterwerden. Man weiß einfach, dass sich alles ändert. Auch diese Form von medialer Gestaltung wird sich verändern und ich bin gespannt, was dann mit diesen ganzen jungen Menschen passiert.
Viel über Ihr Privatleben weiß man tatsächlich nicht. Sind Sie verheiratet?
Ich bin seit vier Jahren verheiratet, wir sind seit acht Jahren zusammen.
Wollen Sie verraten, wie Sie damals ihre Hochzeit gefeiert haben?
Wir hatten 400 Gäste und alle kamen in Weiß, das war sehr schön. Das macht alle gleich und in Weiß sehen alle schön aus. Ich war ein bisschen so wie Bridezilla. Unsere Hochzeitstorte zum Beispiel hatte eine Etage weniger als geplant. Dem Tortenbäcker tat das total leid. Es war dann einfach so, man muss die Nerven bewahren. Man gibt sich nur so viel Mühe in der Gestaltung, macht Probeessen und so weiter und fragt sich dann natürlich, wie kann das passieren.
Kinder haben Sie keine. War oder ist das ein Thema?
Genetisch geht es noch. Mein Leben ist sehr erfüllt. Oft kommen Kinder, wenn man sagt, man hat Platz. Ich müsste da schon gewaltig viel Platz freischaufeln. Aber wir liebäugeln tatsächlich damit. Die Tür geht schon immer weiter auf. Kinder haben ist aber auch eine krass langfristige Entscheidung.
Vielen Dank für das Interview, Jasmin Wagner.