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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Andrea Berg "Es ist kaum auszuhalten"
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Andrea Berg liebt es, einen Mann "um den Finger zu wickeln". Im Interview mit t-online spricht sie über Liebesspiele, die angespannte Lage im Land und den Tod.
Andrea Berg ist in ihrem Element. Durch das Telefon ist zu spüren, wie wenig Berührungsängste sie hat, über Intimes zu sprechen. Schnell dreht sich das Gespräch um das "Liebesspiel der Frau", das Flirten und das Verhältnis von Mann und Frau. Doch die 59-Jährige hat noch viel mehr zu erzählen: Im Interview findet sie deutliche Worte zur Stimmung im Land, erinnert sich an prägende Sätze ihres Vaters und formuliert eine Bitte für den 23. Februar 2025, den Tag der Bundestagswahl.
t-online: Frau Berg, Sie singen in einem Ihrer neuesten Lieder über die Waffen einer Frau. Welche sind das aus Ihrer Sicht?
Andrea Berg: Ich kokettiere gerne mit solchen Beziehungsgeschichten wie in "Simsalabim". Für mich gehört dieses Verzaubern, einen Mann 'mit ein bisschen Hokuspokus' um den Finger zu wickeln und mit einem Augenzwinkern zu bezirzen, zum Leben dazu. Auch wenn ich zugebe, dass es Frauen in dieser Hinsicht etwas einfacher haben als Männer.
Wie genau meinen Sie das?
Es ist schon interessant, wie wir Menschen funktionieren, wie Gefühle in Wallung geraten können, dieses Knistern und Kribbeln. Wenn eine Frau es geschickt anstellt, weiß sie genau, welche Knöpfe sie drücken muss, um einem Mann schöne Augen zu machen. Das funktioniert zwar auch umgedreht, aber ich glaube schon, dass es für Männer schwieriger ist, schnell zum Erfolg zu kommen.
Mit Erfolg meinen Sie, dass es funkt und sich die beiden aufeinander einlassen?
Na klar, Schlager ist keine Prüderie. Flirten, das Anbahnen von Gefühlen und das Spiel der Reize sind ein toller Nährboden für Liedtexte.
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Dafür sprechen auch Zeilen wie: "Ich wecke die Leidenschaft mit zärtlicher Magie." Oder: "Jeder Kuss entfacht ein Feuer: Du bist längst in meiner Macht."
Diese offensiven Avancen einer Frau machen mir Freude. Sie weiß, wie sie es anstellen muss, um ans Ziel zu kommen – auch wenn dabei solche Oberflächlichkeiten wie ein schwarzes Kleidchen oder roter Lippenstift zum Einsatz kommen. Zwei Dinge, mit denen Männer bei Frauen wohl in vielen Fällen nicht landen würden. Ob das jetzt an der höheren Intelligenz der Herren oder der Frauen liegt, lasse ich mal im Raum stehen.
Es gibt auch Kritik an solchen Songtexten, die sich nur darum drehen, wie eine Frau einen Mann um den Finger wickeln kann. Was entgegnen Sie dem?
Roland Kaiser singt: "Du, deine Freundin und ich". Die Menschen können schon sehr gut einschätzen, worum es da geht. Und so singe ich eben in "Simsalabim" vom Liebesspiel der Frau. Ich halte das für unproblematisch, weil sich viele darin selbst wiederfinden.
Zielt das Lied also darauf ab, dass sich die Leute auf ihren Konzerten in den Armen liegen und tanzen, so wie aktuell auf Ihrer "Party, Hits, Emotionen"-Tour?
Wir hatten am Samstag unsere ausverkaufte Show in Berlin. Diese Stimmung, Energie und Liebe der Menschen – das war wirklich Gänsehaut pur. Genau das ist das Schöne an der Musik: Sie setzt Gefühle frei. Das Leben ist schon ernst genug. Ich möchte die Menschen zum Lachen bringen, ihnen unbekümmerte Momente verschaffen, um einfach mal loslassen zu können. Und wer weiß: Vielleicht helfen solche Lieder auch, um einige Hemmungen fallen zu lassen und diese kleinen Unzulänglichkeiten zwischen Männlein und Weiblein oder in gleichgeschlechtlichen Beziehungen wegzuzaubern.
Spüren Sie heutzutage eine Ernsthaftigkeit in unserem gesellschaftlichen wie zwischenmenschlichen Miteinander, die das erschwert?
Ich finde schon, dass wir oft aneinander vorbei kommunizieren: ob bei gesellschaftlichen Themen, in der Politik oder bei den einfachsten Themen zwischen Mann und Frau. Aber wenn Sprachlosigkeit entsteht, verhärtet das die Fronten nur noch mehr.
Das klingt wie eine Gesellschaftsdiagnose, weil man das auch gut auf den aktuellen Zustand Deutschlands übertragen könnte.
Das ist auch so. Alles, was um uns herum passiert, ist extrem und ich kann es kaum noch aushalten, wie die Menschen heute miteinander umgehen. Da sehe ich es tatsächlich als meine Aufgabe, ein bisschen Leichtigkeit zu versprühen, sodass die Menschen wenigstens für einen Moment freundlich miteinander umgehen, Respekt voreinander zeigen, lachen und ihr Herz öffnen, anstatt sich ständig gegenseitig anzufeinden. Wir durften bei unseren bisherigen Shows so viele emotionale und unvergessliche Momente gemeinsam erleben, das war wirklich wunderschön. Deshalb freue ich mich schon jetzt riesig auf die weiteren Konzerte und Begegnungen mit meinen Fans!
Es stimmt mich schon traurig, wenn ich beobachte, wie die Menschen zum Beispiel in den sozialen Medien miteinander umgehen und wie oft dort respektlos mit Worten aufeinander eingedroschen wird.
andrea berg
Ist das Ihre Mission: Mit Ihrer Musik eskapistische Momente kreieren, sodass die Leute der Ernsthaftigkeit der Situation entfliehen können?
Ich möchte nicht, dass man in die Oberflächlichkeit abrutscht, zwei Flaschen Wein trinkt und dann nur noch Plattitüden von sich gibt. Aber gegen Heiterkeit und Vergnügen ist nichts einzuwenden: im Gegenteil. Wir sollten uns bewusst sein, wie wenig Zeit uns im Leben bleibt. Was für eine Verschwendung wäre es, verbittert auf die Welt zu blicken und einander zu verletzen? Ich möchte die Sonnenseiten des Lebens in den Vordergrund rücken und den Menschen gute Laune bereiten, ihnen auch in schwierigen Situationen mit meiner Musik und meinen Texten Halt geben. Wenn wir es in unserem kleinsten sozialen Umfeld nicht schaffen, aufrichtig und in Liebe miteinander umzugehen, wie sollen wir es dann auf größeren Ebenen schaffen?
Es spricht auch eine gewisse Sorge aus Ihnen, dass die Stimmung in unserem Land zu Kippen droht.
Es stimmt mich schon traurig, wenn ich beobachte, wie die Menschen zum Beispiel in den sozialen Medien miteinander umgehen und wie oft dort respektlos mit Worten aufeinander eingedroschen wird. Dann denke ich, dass es im Großen auch nicht funktionieren kann, wenn jeder nur auf Konfrontation aus ist. Deshalb ist für mich die Familie oder die Partnerschaft das, woraus wir lernen können. Denn auch dort sind Rücksichtnahme und die Bereitschaft, Fehler einzugestehen, sich zu entschuldigen, essenziell für ein gemeinsames Miteinander. Das ist mein großes zentrales Thema: Respekt, Toleranz und Liebe einzufordern – aber ohne erhobenen Zeigefinger.
Sind Sie auch manchmal wütend, wenn schon solche Selbstverständlichkeiten nicht funktionieren?
Mich ärgert es schon manchmal, wenn sich Menschen respektlos verhalten oder uneinsichtig, obwohl sie offensichtlich zu weit gegangen sind. Aber davon lasse ich mich nicht blenden. Mein Kompass bleibt der Optimismus, dass das Gute in uns überwiegt.
Sehen Sie sich manchmal mit dem Vorwurf konfrontiert, Sie und Ihre Schlagermusik seien zu oberflächlich?
Natürlich ist es so, dass der Schlager von vielen banalisiert wird. Aber wenn ich mir anschaue, wie vielen Menschen er guttut, lasse ich mich von solchen Kritiken nicht irritieren. Ich bin absolut zufrieden mit dem, was ich tue. Ich habe in jedem Song meine eigene persönliche Tiefe drin. Mal spende ich Trost, dann helle ich wieder die Laune auf: Meine Musik ist wie eine Tüte Gummibärchen für die Seele. Jeder nimmt sich so viel heraus, wie sie oder er gerade braucht. In unserer Tourshow gibt es natürlich jede Menge Party und Hits zum Abfeiern, aber es gibt eben auch diese stillen Momente, wenn Tausende Handylichter angehen und wir bei den Songs "Nirgendwo anders" oder "Sternenträumer" an die Menschen denken, die nicht mehr in unserer Mitte feiern können und doch immer bei uns sind.
Sie engagieren sich schon Jahrzehnte in der Palliativmedizin und unterstützen Menschen, die wegen einer Erkrankung nur noch eine begrenzte Lebenszeit haben.
Mein Vater hat mich geprägt. Er war Feuerwehrmann und sagte immer, das Leben hängt am seidenen Faden und niemand weiß, wie lange er bleiben kann. Ich habe das verinnerlicht und erfreue mich an jedem schönen Moment und ganz bewusst an jeder Kleinigkeit. Der Schlüssel zum Glück steckt von innen. Man selbst muss versuchen, positiv zu sein. Auch wenn ich mal wütend, enttäuscht oder traurig bin, versuche ich dem Strudel mit positiver Energie zu entfliehen.
Haben Sie dafür ein Beispiel?
Meine Mama ist 81 Jahre alt und immer noch bei uns. Auch wenn es ihr nicht immer gut geht, ist sie stets optimistisch und bleibt dem Leben zugewandt. Das sind die Dinge, die mich glücklich machen und wo ich mich schlecht fühlen würde, wenn ich in Pessimismus verfalle. Deswegen bin ich so rebellisch, glücklich und gut gelaunt.
Haben Sie denn Angst vor dem Tod?
Vor dem Tod nicht, vor dem Sterben ja. Niemand weiß, in welcher Beziehung er dann ist oder in welchem Zustand. Nächstes Jahr werde ich 60. Da ist es ganz normal, dass man sich mehr Gedanken macht als ein junger Mensch. Das Leben ist das Entscheidende. Gestorben wird nur an einem einzigen Tag. Die Zeit davor müssen wir nutzen und jeden einzelnen Moment genießen – aufrichtig und dankbar.
Wenn Sie auf Tour gehen wie jetzt, stehen viele Termine an. Wie gehen Sie mit der körperlichen Anstrengung um?
Ich fühle mich gerade topfit. Das hat vor allem mit einer intensiven Vorbereitung zu tun: Die letzten vier, sechs Wochen vor einer Show stehe ich wirklich eine Stunde am Tag auf dem Crosstrainer und singe währenddessen meine Songs. Das gibt mir Kraft und die Luft, dass ich auf der Bühne fast drei Stunden Gas geben kann.
Klingt nach viel Arbeit …
Das ist Training, Disziplin und Kondition, aber es tut wahnsinnig gut. So gelingt es mir, mit Euphorie und Energie durchzustarten. Sobald dann das Licht angeht und die Show beginnt, brennt die Luft. Die letzten Augenblicke, bevor ich die Bühne betrete, durchströmt mich auch heute noch – über 30 Jahre nach meinem Karrierestart – ein Adrenalinkick.
Kennen Sie auch Momente des Zweifelns? Wenn man abends nach einem langen Tag ins Bett fällt und denkt: Bloß nicht morgen schon wieder.
Das habe ich nie. Mein Mann ist in den letzten Jahren viel dabei, auch jetzt auf unserer großen Arenatour. Das macht mich glücklich und hilft mir. Es ist schön, wenn man die Dinge gemeinsam erleben und genießen kann.
Sie sind seit 2007 verheiratet. Wenn wir uns an den Beginn unseres Gesprächs erinnern: Flirten Sie eigentlich noch?
Ja, absolut. Ich finde das ganz wichtig in so einer langen Beziehung. Man muss sich das Knistern erhalten. Ein Partner ist kein Möbelstück, das immer da ist. Manche merken das aber erst, wenn derjenige dann nicht mehr da ist. Das ist ein großes Problem in vielen Beziehungen: diese Selbstverständlichkeit. Miteinander flirten, Händchenhalten, Liebe schenken: Das hält eine Beziehung am Leben.
Wie hat sich Ihre Beziehung über die Jahre verändert?
Wenn man sich verliebt, dann ist das ein Reiz, eine körperliche Anziehung, die schwer zu erklären ist. Aber das Schöne an der Liebe ist das, was darüber hinausgeht. Wenn man die Macken und die Ecken und Kanten kennt und akzeptiert, aber die Liebe überwiegt. Die Liebe ist das, was überdauert. Etwas, das über diese frühe Verliebtheit und diese Phase, in der sich die Gefühle überschlagen, hinausgeht.
Wenn Sie dann verführerisch "Simsalabim" hauchend und Liebeslieder-säuselnd über die Bühne fegen, wird dann auch Eifersucht zum Thema zwischen Ihnen und Ihrem Mann?
Nein, denn er weiß, dass er sich hundertprozentig auf mich verlassen kann.
Ich wünsche mir, dass die Menschen weise und vernünftig und nicht aus einer Angst heraus wählen.
andrea berg
Sie stehen während Ihrer Tour vor einem Millionenpublikum. Spüren Sie auch ein Verantwortungsgefühl, mit Ihrer Strahlkraft die Welt zum Besseren zu verändern?
Ich glaube schon, dass die Menschen etwas in mir suchen. Sonst würden sie mir nicht über so viele Jahre folgen und mir zuhören. Das ist ein ganz großes Geschenk. Viele Fans bedanken sich bei mir, weil ich ihnen über den Liebeskummer hinweggeholfen oder in schweren Phasen, während einer Krankheit, Hoffnung gemacht habe. Diese Reaktionen berühren mich immer wieder tief.
Sie werden am 23. Februar einen Auftritt in Halle haben. Der Tag der Bundestagswahl. Was wünschen Sie sich für diesen Abend?
Ich wünsche mir, dass die Menschen weise und vernünftig und nicht aus einer Angst heraus wählen. Ich habe die große Hoffnung, dass das gelingt.
Wirklich?
Ja, weil ich schon immer ein optimistischer und durchweg positiver Mensch bin.
- Interview mit Andrea Berg