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"Bergdoktor"-Star Andrea Gerhard offen: "Ich bin nicht perfekt"


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"Bergdoktor"-Star Andrea Gerhard
"Das tut mir in der Seele weh"

InterviewVon Ricarda Heil

Aktualisiert am 01.04.2024Lesedauer: 9 Min.
Andrea Gerhard: Die Schauspielerin setzt sich für Nachhaltigkeit ein.Vergrößern des Bildes
Andrea Gerhard: Die Schauspielerin setzt sich für Nachhaltigkeit ein. (Quelle: Thomas Maenz)

Seit Jahren lebt sie bewusst und setzt sich öffentlich für Nachhaltigkeit ein. Andrea Gerhard fordert die Politik auf, mehr zu tun. Doch auch sie selbst sei nicht perfekt.

Millionen von Menschen kennen Andrea Gerhard aus "Der Bergdoktor". Sechs Jahre lang spielte sie in der ZDF-Serie mit und übernahm die Rolle der Linn Kemper. Vor wenigen Wochen wurde bekannt, dass die 1,85 Meter große Schauspielerin die Serie verlässt und in der nächsten Staffel nicht mehr zu sehen sein wird.

Andrea Gerhard widmet sich nun noch mehr ihrem Herzensprojekt. Seit Jahren setzt sich die 40-Jährige für Nachhaltigkeit im Alltag und für soziale Gerechtigkeit ein. Sie will andere inspirieren und für diese Themen Bewusstsein schaffen. Im Interview mit t-online spricht die Schauspielerin über ihre Leidenschaft, wie man mit kleinen Handgriffen die Umwelt unterstützen kann – und wie es für sie nach "Der Bergdoktor" weitergeht.

t-online: Frau Gerhard, bedeuten Klimaschutz und Nachhaltigkeit gleich Verbot und Verzicht?

Andrea Gerhard: Sollte man meinen, da dieses Narrativ immer wieder von Politik, Wirtschaft oder Presse aufgegriffen wird. Meine Meinung: Nein, es gibt so viel Innovation und Alternativen in diesem Land, dass wirklich niemand mehr auf etwas verzichten muss. Die Offenheit für eine Veränderung muss da sein, und ich glaube, das macht vielen Menschen aktuell Angst. Wir alle lieben doch die Natur und finden Erholung in ihr. Ein bewussteres und nachhaltigeres Leben kann und soll Spaß machen. Dafür stehe ich ein.

Wann und wodurch wurde Ihnen bewusst, dass man seinen Lebensstil ändern sollte, um der Welt etwas Gutes zu tun?

Ich war schon immer ein sehr tierliebender Mensch und wenn in der Kindheit der Hase, den ich vorher im Stall gestreichelt habe, auf den Tisch kam, dann konnte ich nicht mitessen. Irgendwann vor etwa elf Jahren war es dann so weit, dass ich gar kein Fleisch mehr essen konnte aufgrund von einigen Dokus, die ich gesehen habe. Wenn ich etwas gesehen oder gelesen habe, dann kann ich nicht mehr von diesem Missstand wegschauen und ihn ignorieren. Und von der Ernährungsumstellung bin ich Stück für Stück in das Thema reingerutscht. Ich bin eine Frau, die anpackt und Dinge verändern will. Und ich habe gemerkt, dass der Punkt der Selbstwirksamkeit für mich und für andere Menschen sehr wichtig ist. Es wird nicht die Welt retten, wenn Einzelne auf Plastikstrohhalme im Getränk verzichten. Da braucht es schon mehr.

Zum Beispiel?

In dem Fall sind die Politik und die Wirtschaft gefordert, die gesetzten Klima-, Umwelt- und Biodiversitätsziele einzuhalten, nicht das Individuum. Aber zu spüren, dass mein Handeln in Sachen Nachhaltigkeit etwas bewirkt, dass meine Entscheidung an der Supermarktkasse eine Auswirkung auf Angebot und Nachfrage hat, ist sehr wichtig und motivierend. Die Arbeit, die ich mache, soll aufklären und inspirieren.

Wie haben Sie angefangen?

Tatsächlich war mein Einstieg die vegetarische, später nahezu vegane Ernährung. Danach kamen der Modekonsum und seine Umweltauswirkungen dazu. Von da aus ging es dann ganz schnell, dass ich mir weitere Fragen stellte: Was kaufe ich ein – vom Putzmittel bis zur Schokolade? Wie bin ich unterwegs, wenn ich reise? Mit welchen Materialien umgebe ich mich? Und wie arbeiten eigentlich beauftragte Banken oder Versicherungen, denen ich mein Geld anvertraue? Und irgendwann kam mir der Gedanke, dass kein Tier, kein Mensch oder auch die Umwelt nicht unter meinem Konsum leiden sollte.

Und all diese Gedanken geben Sie nun weiter …

Das hat mich zu meiner Mission gebracht: Menschen zu inspirieren und informieren, mit kleinen Dingen des Alltags einen großen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit zu tun. Das schaffe ich seit 2019 durch den Podcast "ZWEIvorZWÖLF", den ich zusammen mit meinem Freund und Kollegen David Wehle hoste. Es gibt so viele einfache Produktalternativen und clevere Ideen, die nachhaltiger sind, mehr Sinn haben und richtig Spaß machen.

Welche Alltagstipps haben Sie, die die Welt schon ein kleines bisschen besser machen könnten?

In meinen Augen ist das Wichtigste auch mit das Einfachste: Abschlüsse für den Haushalt. Nur einmal kümmern und die umweltfreundlichere Wirkung bleibt die ganze Zeit. Was man da machen kann, sind beispielsweise folgende Punkte:

  • einen richtig guten Ökostromtarif wählen,
  • einen klimafreundlicheren Smartphone-Netztarif wählen
  • und der Wechsel zu nachhaltigen Bank- und Investmentgeschäften, die Geld nicht in Waffengeschäfte oder Lebensmittelspekulationen investieren.

Jetzt gibt es zum Beispiel auch Plastikdeckel, die von Flaschen nicht mehr entfernt werden können. Ist das ein kleiner Schritt in die richtige Richtung?

Relevantere Hebel in Sachen Umweltschutz sind andere Themen, denke ich. Wann schaffen wir es endlich, mehr Plastik zu recyceln und nicht die Ressourcen, die schon aus der Erde geholt wurden, einfach wegzuwerfen? Ich habe gerade dazu das Buch "Die Plastiksucht" von Jacqueline Goebel und Benedict Wermter gelesen. Dazu gibt es auch eine passende Doku, die ich empfehlen kann. Eine Podcastfolge dazu erscheint am 9. April bei "ZWEIvorZWÖLF". Was mir noch einfällt: Wann kommen starke Lieferkettengesetze, damit auch Menschenrechte gewahrt werden? Mir fallen da noch viel, viel mehr Themen ein, die auf der Welt, in der EU, aber auch in Deutschland von der Politik festgesetzt werden sollten. Der Deckel an der Flasche kann da nur ein Symbol sein.

Was fällt Ihnen selbst besonders schwer?

Ganz klar, weniger Haushaltsmüll zu produzieren. Wir trennen zwar zu 100 Prozent penibel, aber unsere Vermieter bieten zum Beispiel keine Biotonne an. Und da wir viel unterwegs sind, haben wir uns gegen eine Wurmkiste entschieden. Aber weil wir eigentlich immer frisch kochen und damit auch häufig einkaufen, fällt natürlich viel Biomüll an und das ständig wegzuschmeißen, obwohl es sich zersetzen könnte, tut mir in der Seele weh.

Gibt es etwas, auf das Sie nicht verzichten können?

Meine Freiheit und meine Haare. Obwohl ich eine große Freundin der Öffis, des Radfahrens und der Deutschen Bahn bin, liebe ich die Freiheit und das Erkunden der Welt. Wir haben uns letztes Jahr ein Fiat-Ducato-Campingmobil gekauft und sind gerade mitten dabei, diesen zu renovieren. Unterwegs zu sein in Europa, ist das nächste Ziel.

Und Ihre Haare?

Da hat mir Prof. Dr. Michael Braungart, der das Cradle-to-Cradle-Prinzip erfunden hat, in Podcastfolge Folge 123 klargemacht, dass ich lieber meine langen Haare rasieren sollte, um eine immense Summe an Wasser einzusparen. Recht hat er! Ich wasche meine Haare zwar nur einmal die Woche, wenn es möglich ist, aber dabei verbrauche ich dann trotz festem Shampoo und Co. immer noch viel Wasser. Und auch meine Friseurbesuche und das damit verbundene Haarefärben sind nicht besonders umweltfreundlich, obwohl ich bei meiner Auswahl natürlich schon auf naturnahe Produkte und Salons achte. Darauf möchte ich aber nicht verzichten – noch nicht jedenfalls.

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Ist es möglich, als Schauspielerin komplett nachhaltig zu leben?

Niemand, egal in welchem Beruf, kann 100 Prozent nachhaltig leben. Es geht nachhaltiger – aber alles erzeugt Emissionen und hat eine globale Auswirkung auf die Umwelt, Menschen und ihre Rechte. Deswegen würde ich sagen: Nein, ist es nicht. Aber mit ein paar Hebeln wird das Drehen umweltfreundlicher und der CO₂-Fußabdruck reduziert sich enorm.

Haben Sie ein paar Beispiele?

  • Nicht den Flieger nutzen, sondern berufliche Reisen nur mit dem Zug machen. Seit Kurzem werden auf einigen Strecken wieder Nachtzüge angeboten, was helfen kann, wenn man mal in Prag oder Paris dreht.
  • Am Set eine pflanzliche Ernährung angeben. Das hilft vor allem, die Umwelt, die Artenvielfalt und das Klima zu schützen.
  • Auf ein eigenes Aufenthaltsmobil am Set verzichten.
  • Bei längeren Aufenthalten am Set lieber in die Ferienwohnung statt ins Hotel gehen. Hotels haben durch die vielen Räume einen höheren Energieeinsatz und damit einen größeren CO₂-Abdruck. Und wenn es doch mal das Hotel sein muss, dann hilft es, die tägliche Zimmerreinigung abzubestellen, nicht ständig die Handtücher waschen zu lassen und eigene Flip-Flops fürs Spa mitzubringen.
  • Papierlos arbeiten.
  • Wenn möglich, ein Set-Fahrrad benutzen oder anregen, damit nicht ständig Autos auf Stand-by sind, die die Schauspieler und Schauspielerinnen hin und her shuttlen.
  • Müll richtig trennen.
  • Eigene Becher, Flaschen und Wärmeunterwäsche mitbringen. Das erscheint lapidar, aber der Müll reduziert sich damit erheblich.
  • In den Szenen darauf achten, wie die eigene Figur durchs Leben geht. Fragen stellen wie: Muss meine Figur einen To-go-Becher wirklich benutzen in der Szene? Ist es wichtig, dass man sieht, dass Fleisch gegessen oder mit dem eigenen Auto gefahren wird?
  • Mit positivem Beispiel vorangehen und gute Laune zu dem Thema Umweltbewusstsein am Set verbreiten.

Es gibt viele Hebel und Alternativen, die möglich sind.

Auch die Filmbranche wird immer offener für grünes Drehen.

Es gibt Sets und Kollegen und Kolleginnen vor und hinter der Kamera, die sehr aktiv sind, die oben genannten Dinge umzusetzen. Das ist super und ich freue mich riesig, wenn ich das mitbekomme. Geht es jedoch um die ganze Produktion und nicht nur einzelne Personen, dann sind die wichtigeren Hebel andere.

Was hat sich am Set in Sachen Nachhaltigkeit getan?

Die Energie hat eine hohe Relevanz. Idealerweise sollte beispielsweise Öko-Feststrom anstelle von dieselbetriebenen Generatoren verwendet werden. Transporte haben eine hohe Tragweite, die die Produktion bestenfalls mit E-Mobilität bewältigt. Auch die Teamverpflegung hat Einfluss und es macht eine Menge aus, ob es fünf oder einen Fleischtag die Woche gibt. Der Regisseur Lars Jessen ist auf dem Gebiet Pionier und lässt vor jedem Drehstart eine Fleischumfrage machen. Die meisten geben an, ihren Konsum reduzieren zu wollen und das wird dann an seinen Sets umgesetzt. Die Kommunikation und die Transparenz sind dabei besonders wichtig, um alle am Set mitzunehmen. Seit einigen Jahren gibt es die Green Consultants für Film und TV, die Produktionen beraten und ihnen helfen, die ökologischen Standards einzuhalten. 2022 habe ich mich auch zur Green Consultant weiterbilden lassen und erstaunliche Hintergründe über die Arbeit an einem Film- oder Fernsehset gelernt.

Haben Sie schon einmal eine Rolle abgesagt, weil die Produktion nicht nachhaltig genug war?

Das ist bisher noch nicht vorgekommen. Ich nehme die Nachhaltigkeit mit an jedes Set und setzte das um, was ich machen kann.

Gibt es bestimmte Engagements, für die Sie eine Ausnahme machen würden?

Na klar mache ich Ausnahmen. Als Individuum trage ich nicht allein die Verantwortung für das Wohl der Welt. Ich bin nicht perfekt und möchte auch nicht perfekt sein. Das ist und wäre eine verzerrte Realität, die keinen Spaß macht.

Auch Flugzeuge und Kreuzfahrtschiffe stehen in der Kritik ...

Eines ist klar, auch die Kreuzfahrtbranche muss ein Teil der Lösung werden und die Transformation mit antreiben. Es geht dabei nicht nur um die Umweltverschmutzung, sondern auch um die Lärmbelastung der Lebewesen in den Meeren. Aber auch die Städte und Menschen fühlen sich vielerorts schon belastet und verbieten das Anlegen von zig Schiffen am Tag in ihren kleinen Städten. 2022 habe ich mit einem Gondoliere in Venedig darüber gesprochen, als dort gerade über eine Regulierung diskutiert wurde. Er meinte, für seine Stadt wünscht er sich die Regulierung – für sein Geschäft mit den Touristen und sein Einkommen sei es allerdings schlecht. Das ist wie so häufig ein Dilemma.

Würde eine Rolle auf dem "Traumschiff" zum Beispiel überhaupt für Sie infrage kommen?

Auf jeden Fall würde ich eine Besetzung bei solchen Formaten in Betracht ziehen. Was mir aber wichtig wäre: die Geschichte der Figur und der bewusste Umgang etwa mit Ressourcen an Bord. Ist es eine Frau, die sich stark macht für die Umwelt, für Menschen oder andere Themen? Wo sind ihre Konflikte? Diese Fragen interessieren mich eher.

Sie sind vor Kurzem aus der Serie "Bergdoktor" ausgestiegen. Wie geht es für Sie nun weiter?

Mal schauen, was dieses Jahr so passiert, das ist jedes Jahr aufs Neue spannend – ob als fester Teil einer Serie oder nicht. Ich habe meine Moderationsagentur gewechselt und werde mein Hauptaugenmerk auf meine Herzensthemen Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz legen. Diese Themenfelder werden gesellschaftlich immer größer und wichtiger und ich habe im Moderieren großer Events dankbarerweise einen wunderbaren Ausgleich zum Schauspielern.

Aber mit der Schauspielerei hören Sie nicht auf, oder?

Beim Schauspiel ist es so, dass die Anfragen eher spontan übers ganze Jahr reinkommen. Und ich freue mich jetzt schon, spannende Figuren in TV und Film zu verkörpern. Wie im Kurzfilm "Chokehold" von Reza Mosadegh, in dem ich eine ganz besondere Hauptrolle übernehme: eine einsame Supermarktkassiererin, die ihre Zugehörigkeit in einem Underground Wrestling Club findet. Der Film wird auf dem Cortisonici Film Festival in Italien laufen, was fantastische News sind. Es geht also gut und beschwingt weiter. Und eins ist eh klar, ich bin kein Mensch, dem je langweilig wird. Ich suche mir meine Aufgaben und Projekte. Zudem brenne ich für das Theater und habe 2024 auch schon wieder auf der Bühne gestanden. Außerdem arbeite ich mit einer Produktionsfirma an einem eigenen TV-Format – das ist mein Traum und ich wäre überglücklich, wenn das alles so klappt, wie ich mir das vorstelle.

Wann können Fans Sie das nächste Mal im Fernsehen sehen?

Nicht alles darf ich schon berichten, aber was ich sagen kann, ist, dass ich als Nächstes bei RTL zu sehen sein werde. Im Magazin "Extra" cruise ich mit dem SUV durch Berlin und zeige, wie alltagstauglich ein riesiges Auto in der Großstadt ist und ob das Sinn hat. Im Herbst bin ich Teil der neuen "Notruf Hafenkante"-Staffel für vier Folgen. Und nächstes Jahr bin ich bei einer Folge "Nord bei Nordwest" dabei. Wo ich immer zu finden bin: alle zwei Wochen im "ZWEIvorZWÖLF"-Podcast.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Andrea Gerhard
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