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Otto Waalkes im Interview: "Plötzlich vor mir gewarnt"


Interview
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Komiker Otto Waalkes
"Plötzlich wird vor mir gewarnt"

  • Steven Sowa
InterviewVon Steven Sowa

Aktualisiert am 23.10.2023Lesedauer: 6 Min.
Otto Waalkes: Der Komiker ist nicht nur in der Musik, sondern auch in der Kunst aktiv.Vergrößern des Bildes
Otto Waalkes: Er ist nicht nur Komiker, sondern auch in Musik und Kunst aktiv. (Quelle: IMAGO)

Bei Otto Waalkes gehen Kunst und Komik Hand in Hand. Wie der 75-Jährige Ideen kopiert, über alte Witze denkt und in der Liebe zurechtkommt, erzählt er t-online.

"Ganz große Kunst" nennt Otto Waalkes sein neuestes Werk. Der Clou: Er malt die bekanntesten Bilder der Kunstgeschichte – und fügt nur kleine Veränderungen hinzu. Doch ist das legitim? Ist das noch Kunst oder nur Kopie?

t-online trifft Otto Waalkes bestens gelaunt. Sein Alter ist ihm kaum anzumerken, er wirkt quirlig und munter wie immer. Der Komiker sprüht vor Ideen, spricht in rasendem Tempo und vor allem voller Begeisterung über die Kunst. Es ist ihm anzumerken, wie sehr er in seiner Malerei aufgeht. Doch schnell dreht sich das Gespräch auch um andere Themen: kulturelle Aneignung, diskriminierende Witze, die Liebe und die Frage, ob man sich den Künstler Otto Waalkes eigentlich einsam vorstellen muss ...

t-online: Herr Waalkes, werden Sie mit 75 noch zu einer Modeerscheinung? Zu einem Promi, der plötzlich zum Pinsel greift …

Otto Waalkes: Nein, bei mir ist das andersherum: Ich bin ein Künstler, der zufällig prominent wurde. Ich habe Kunst studiert und kenne die Techniken der alten Großmeister, die Stilrichtungen und Materialien quasi aus dem Effeff.

Was gefällt Ihnen am meisten daran, neben dem Humor und der Musik nun auch mit Kunst zu unterhalten?

Dass es dabei auch ums Lächeln geht. Wenn ich die Menschen beobachte, wie sie meine Werke begutachten und sie beginnen zu schmunzeln, weil sie den Ottifanten entdeckt haben, geht mir das Herz auf. Außerdem sind wir uns doch einig: In Museen wird viel zu selten gelächelt – mal sehen, ob sich das nicht ändern lässt.

Brauchen Sie das als Bestätigung: diese Resonanz der Freude?

Es ist etwas Schönes und es gibt mir ein gutes Gefühl. Der Impressionist Auguste Renoir hat mal gesagt: "Es gibt genug Scherereien im Leben; warum es nicht einmal auf die heitere Weise versuchen." Ich finde, das gilt heute genau wie zu seiner Zeit.

Das Verhältnis von Original und Neuschöpfung führen Sie dem Betrachter auf humoristische Art vor Augen. Gewissermaßen sind Ihre Werke auch eine optische Täuschung …

Nein, das würde ich nicht sagen. Ich täusche mein Publikum nicht. Was die Betrachter sehen, sind Originale. Denn sie stammen ja von mir, dem Maler Otto Waalkes. Am Vorbild habe ich nur eine Veränderung vorgenommen.

Wie ist es denn mit Ihnen selbst: Gefallen Ihnen die Originale überhaupt noch? Jetzt, wo Sie selbst welche erschaffen haben?

Eine interessante Frage. Ich sehe es als Weiterentwicklung. Die Originale sind natürlich unerreicht. Aber wenn ich diese Bilder mit derselben Technik kopiere und dann verändere, schadet das den Vorbildern nicht. Im Idealfall bringe ich die Kunst der alten Meister einem Publikum näher, das sie zuvor kaum beachtete.

Erinnert Sie dieser Prozess auch an Ihre frühere Kunst: die Musik?

Ich sage immer: Die Parodie ist die aufrichtigste Form der Verehrung. So ist es bei der Musik und so ist es auch in der Kunst. Es gibt nur einen Unterschied.

Und der wäre?

In der Musik kostet das im Zweifel Geld, ich muss um Erlaubnis bitten, die Urschöpfung – und sei es auch nur als ein Sample – verwenden zu dürfen. Ich erinnere mich noch, wie ich für den ersten "Otto"-Film 1984 Michael Jackson angerufen habe und ihm meine Version von "Thriller" am Telefon vorgespielt habe. Zum Glück hat er gesagt: "I like it" – und ich durfte die Melodie verwenden.

Wie gut, dass Sie van Gogh oder Michelangelo nicht anrufen mussten …

Der Blick ins Telefonbuch ist mir zum Glück erspart geblieben. Denn in der Kunst können Werke auch ohne Erlaubnis des Urhebers selbstständig verändert und verbreitet werden.

In dieser Hinsicht dürfte Ihnen die Kunst besser gefallen, denn Sie hatten hier wortwörtlich: freie Hand.

Richtig, ja. Das war für mich neu und reizvoll. Denn es bietet mir die Grundlage für meine parodistische Art der Komik: Wiedererkennung und Überraschungseffekt. Hierin sind sich meine Kunst und meine Musik sehr ähnlich.

Ideen werden wiederverwertet, neu konstruiert und in anderem Kontext präsentiert. Doch wo endet die Kopie und wo beginnt die Neuschöpfung?

Das liegt im Auge des Betrachters.


Quotation Mark

Für mich ist es eher eine Bestätigung, wenn ein Werk erweitert oder verkleidet, verschönert oder verniedlicht wird.


Otto Waalkes


Haben Sie sich schon mal selbst erwischt, wie Sie doch nur ein Plagiat statt neuer Kunst erschaffen haben?

Nein, bisher noch nicht. Bei der Malerei zum Beispiel nutze ich die Ursprungswerke als Vorbilder und lasse meine Ottifanten durch die Kunstgeschichte galoppieren, mache sie zum durchgehenden Leitmotiv. So entsteht etwas eigenständig Neues.

Zu Ihren Anfängen als Komiker haben Sie sich dieser Technik auch bedient. Ob es von Ihnen übersetzte Woody-Allen-Sketche waren oder später Nummern wie "Häppy Bänjo", der an Steve Martins "You can’t sing a depressing song while playing the banjo" erinnerte. Ist das Abkupfern also völlig normal?

Kopieren geht über Studieren. Auch die größten Maler haben so angefangen: Goya hat Velazquez kopiert, Picasso Goya, und Andy Warhol hat noch auf seine alten Tage gleich hundert Variationen von da Vincis "Abendmahl" produziert.

Diese Kopiertechnik begleitet Sie also schon Ihre gesamte Karriere?

Schon immer, ja. Das begann schon zu Zeiten, als ich bei einem Kindermusikwettstreit Ralf Bendix‘ "Babysitter Boogie" so umgestaltet habe, dass ich das Baby selbst imitierte und so gut profilierte, dass die Leute ausgeflippt sind. Da war ich elf Jahre alt.

Eine besondere Form des Kopierens betrifft die viel diskutierte kulturelle Aneignung. Was halten Sie davon?

Für mich ist es eher eine Bestätigung, wenn ein Werk erweitert oder verkleidet, verschönert oder verniedlicht wird, vielleicht sogar ein neues Publikum erreicht. Sehen Sie: Der "Friesenjung" mit Ski Aggu ist plötzlich ein Riesenhit – und das nicht zum ersten Mal. Ich musste schon 1993 bei Sting nachfragen, ob ich für meine deutsche Version sein "Englishman in New York" nutzen darf.

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Man könnte einwenden, dass Sting als Brite Teil unseres Kulturkreises ist. Aber was ist, wenn Musik oder Kunst indigener Völker oder marginalisierter Gruppen adaptiert wird?

Man kann darüber diskutieren. Aber wenn ein Künstler aus einem fernen Land mit einem speziell gefertigten Instrument einen tollen Sound kreiert, weiß doch niemand, der in einer Anverwandlung dieser Musik "kulturelle Aneignung" sieht, ob es dem Urheber nicht gefallen würde, wenn sich seine Musik über den Globus ausbreitet. Für mich ist das eine Form der freundlichen Übernahme. Es ist ein Beweis für die Qualität, ein Zeichen dafür, dass es andere begeistert und inspiriert. Darin sehe ich nichts Kritikwürdiges.

Apropos Kritik: Kürzlich gerieten Sie in die Schlagzeilen mit Sketchen von früher, weil diese heute diskussionswürdig anmuten.

Ja, plötzlich wird vor mir gewarnt. Die ARD, beziehungsweise der WDR, hatte eine schriftliche Warnung vor meine alten Shows geschaltet. Ein Kompliment für jeden Komiker, denn Komik kann tatsächlich gefährlich sein und zu Lachanfällen führen. Davor sollte gewarnt werden.

Der WDR zeigte "Die Otto Show" unter anderem von 1973 und schrieb dazu: "Das folgende Programm wird, als Bestandteil der Fernsehgeschichte, in seiner ursprünglichen Form gezeigt. Es enthält Passagen, die heute als diskriminierend betrachtet werden." Das hat Ihnen offenbar missfallen?

Ein wenig. Neueren Studien zufolge bewirken solche Warnhinweise nämlich genau das Gegenteil. Gerade die, die gewarnt werden, schauen erst recht hin und wollen wissen, wovor eigentlich.

Wobei der Begriff "Warnung" hier vielleicht irreführend ist. Im Prinzip ist es nur ein Hinweis des Senders und es müsste Ihnen doch recht sein, dass Ihr Programm weder gekürzt noch zensiert wird.

Das stimmt. Zensur ist immer der falsche Weg.


Quotation Mark

Ob ich diese Witze wieder machen würde? Jeder Witz hat sein Verfallsdatum.


Otto Waalkes


Aber zum Kern der Frage zurück: Würden Sie bestimmte Witze, rassistischer oder frauenfeindlicher Natur, heute immer noch genauso machen?

Als jemand, der dabei war, darf ich sagen: Vor einem halben Jahrhundert wurden diese Pointen offenbar nicht als diskriminierend empfunden. Sie waren auch nicht so gemeint. Es wurde darüber gelacht.

Und meine Frage?

Ob ich diese Witze wieder machen würde? Jeder Witz hat sein Verfallsdatum. Auch Don Quichotte oder die Narren bei Shakespeare wirken schon lange nicht mehr so komisch wie zu ihrer Zeit.

Ihr neuestes Werk ist vor diesen Vorwürfen gefeit. Es zeigt vor allem eines: Ihre Liebe zur Kunst. Wie sehr verlieren Sie sich privat darin?

Wenn ich in meinem Atelier bin und male, ist das Entspannung pur. Der Geist wird beansprucht, ohne den Körper zu strapazieren. Das gefällt mir. Die Zeit verfliegt dann oft, plötzlich sind vier, fünf Stunden einfach weg und ich gehe darin komplett auf.

Und was ist mit der zwischenmenschlichen Liebe?

Ich habe zwei Ehen hinter mir, was schon beachtlich ist. Ich habe dabei viel gelernt, auch über mich. Schließlich war ich mit meinen Partnerinnen lange Zeit zusammen, und ich habe heute noch ein gutes Verhältnis zu beiden. Aber das ist vorbei, und wer weiß schon, wie es weitergeht …

Muss man sich einen Otto Waalkes also einsam vorstellen?

Nein, überhaupt nicht. Selbst das Malen ist keine einsame Tätigkeit. Ich bin umgeben von großen Vorbildern. Ansonsten bin ich ja viel unterwegs, meist mit alten Freunden. Viele davon begleiten mich schon mehr als ein halbes Leben lang. Wenn einer nicht klagen kann, dann ich.

Verwendete Quellen
  • Eigenes Interview mit Otto
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