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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Belastungsprobe für Royal Family "Das wäre bei der Queen undenkbar gewesen"
Wird die britische Monarchie zum Krankheitsfall? Nach der Diagnose für Charles komme es jetzt auf seine Söhne an, urteilt ein Experte im Gespräch mit t-online.
Krankt nicht nur der König, sondern mit ihm gleich die ganze Monarchie? Eine Abdankung von Charles III. scheint nicht undenkbar zu sein. Verfassungsexperten wie Craig Prescott von der Universität Bangor in Wales halten es nicht mehr für ausgeschlossen, dass sein ältester Sohn und Thronfolger, Prinz William, schon früher als angenommen an die Spitze der Königsfamilie rücken wird.
"Als Charles mit 74 Jahren auf den Thron kam, schien es nicht unwahrscheinlich, dass er noch 20 Jahre bei guter Gesundheit bleibt. Diese Annahme wurde nun erschüttert", sagt er der Deutschen Presse-Agentur und fügt hinzu, die jüngsten Entwicklungen machten eine Abdankung – in zehn Jahren vielleicht – wahrscheinlicher. "Es könnte das echte Bedürfnis geben, mit William die nächste Generation einzubringen", so Prescott.
Auch der Royalexperte Thomas Kielinger weist im Gespräch mit t-online auf die Altersproblematik des Monarchen hin. "Wenn jemand über 75 ist, dann ist er kurz vor dem Beginn des Abschieds von der Welt. Eine lange Dauer hat diese Monarchie mit Charles ohnehin nicht", so der 84-jährige Queen-Biograf, der anfügt: "Dennoch ist das Bedürfnis der Briten groß, dass die Krankheit Charles keinen Strich durch die Rechnung macht." Durch die Rechnung, so lange wie möglich auf dem Thron zu bleiben, schließlich hat er darauf sein ganzes Leben lang warten müssen.
Kielinger sieht noch einen anderen Aspekt der Krise – einen deutlich positiveren. Charles' Umgang mit seiner Krankheit sei ein Novum in der britischen Monarchie. Die Transparenz und Offenheit sei "ein Zeichen der Modernisierung des Königshauses", ganz so, wie es sich der älteste Sohn von Queen Elizabeth II. im Zuge seiner Amtsübernahme vorgenommen hatte. "Das wäre bei der Queen undenkbar gewesen. Vor Charles wurde Diskretion und Geheimhaltung gewahrt, auf jede erdenkliche Art und Weise."
Das hat Vorbildcharakter und markiert einen Wendepunkt in der Geschichte der Monarchie.
Thomas Kielinger
Dass die Königin beispielsweise kurz vor ihrem Tod unter einer Knochenkrankheit litt, die sie schwächte, verschwieg der Palast bis zuletzt. Lediglich von "Mobilitätsproblemen" war die Rede. Noch geheimnisvoller wurde mit dem Lungenkrebs von König George VI., Charles' Großvater, umgegangen. Trotz einer Operation an der Lunge und der Tatsache, dass George ein Kettenraucher war, erfuhren weder die Öffentlichkeit noch die Königsfamilie die genaue Diagnose.
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"Charles legt die Karten auf den Tisch, er spricht offen über seine Gesundheit und macht damit anderen Menschen seines Alters Mut, das hat Vorbildcharakter und markiert einen Wendepunkt in der Geschichte der Monarchie", bilanziert Thomas Kielinger, der sicher ist: "Genau diese Offenheit macht Charles so beliebt bei seinem Volk. Charles erinnert seine Untertanen an die Normalität der Mortalität: memento mori, ein zutiefst menschliches Motiv."
Charles prägt in seiner schwierigsten Phase eine neue Ära
Galt ein Monarch früher als quasi gottähnliche Figur, verleiht Charles III. dieser Rolle mehr und mehr irdische Züge. "Insofern hat die neue Ära mit Charles schon angefangen, und diese zeigt, in welche Richtung es in Zukunft gehen wird", so Kielinger. Demzufolge stehe das "Zukünftige mitten in der Gesellschaft" und suche sein "Heil nicht durch das Versteckspiel mit der Öffentlichkeit". "Wir erleben die Perfektion des Unperfekten", analysiert der langjährige London-Korrespondent.
In dieser Tradition steht auch Prinz William, der nun so sehr gebraucht wird wie noch nie. Für die Dauer der Krebsbehandlung des Königs soll neben Königin Camilla und Charles' Schwester Prinzessin Anne vor allem sein Sohn William öffentliche Termine wahrnehmen und die Monarchie repräsentieren.
"William ist schon vorgerückt in die erste Reihe. Er ist nun eine Art Hofmeister, der das Vakuum um seinen Vater füllen muss, ohne gekröntes Haupt zu sein", sagt Thomas Kielinger. Die Stabilität der Monarchie sieht er dadurch nicht in Gefahr. Kaum eine andere Institution sei derart gut auf Probleme vorbereitet wie das britische Königshaus. Für jeden Fall gebe es einen Ablaufplan, für jede Rolle einen Ersatzkandidaten.
Prinz Harry zur Stelle – und damit ein weiterer "Councellor of State"
Dementsprechend werden nun auch an Prinz Harry Erwartungen geknüpft. Der jüngere Sohn des Monarchen, der sich vor einigen Jahren von seinen royalen Pflichten losgesagt hatte und inzwischen in den USA lebt, reiste nach Bekanntwerden der Krebsdiagnose eiligst nach Großbritannien. Am Dienstag traf er in London ein, fuhr in einem Auto mit verdunkelten Scheiben auf das Gelände von Clarence House, dem Wohnsitz von Charles und Camilla in London.
Eine Aussöhnung mit Harry könne sich womöglich heilsam auswirken, spekulierten britische Medien. Doch ein Treffen zwischen den einst als unzertrennlich geltenden, heute verfeindeten Brüdern Harry und William sei nicht geplant, hieß es bei der BBC und anderen namhaften Medien.
"Die schnelle Abreise von Harry ist ein gutes Zeichen, ein Hoffnungsschimmer", denkt Thomas Kielinger. Für den 39-jährigen Prinzen sei die Krankheit seines Vaters zwar auch "notgedrungen ein Grund, schnellstmöglich die Koffer zu packen", weil es der Öffentlichkeit kaum zu vermitteln sei, in Kalifornien zu bleiben, aber "die Wiederbegegnung ist sicherlich tragfähig für potenzielle Lösungen". Doch am Mittwochnachmittag stellt sich heraus: Nach nur 24 Stunden in Großbritannien fliegt Harry wieder zurück in die USA.
Kielinger hält eine Versöhnung dennoch für "unausweichlich" und begründet das so: "Harry ist ein Königssohn, der die britische Gesellschaft durchlebt hat, als Soldat, als Queen-Enkel und Prinz Charming. Er lebt in Kalifornien in einem Milieu der Entfremdung. Ich würde mich nicht wundern, wenn es sehr bald nicht nur zu vermehrten Vater-Sohn-Begegnungen kommt, sondern zu einer Aussöhnung mit seinem Land."
Endet das Zerwürfnis zwischen William und Harry?
Die Krebserkrankung des Königs als Chance. Nicht wenige Beobachter wollen in der Krise Potenziale entdecken. Auch Verfassungsexperte Prescott hält es für möglich, dass Harry und seine Frau Meghan eines Tages wieder in den Schoß der Königsfamilie zurückkehren. Als Anhaltspunkt dafür nennt er, dass Harry noch immer einer der "Councellors of State" sei, einer der potenziellen Stellvertreter des Königs – obwohl er bei einer Gesetzesänderung davon hätte ausgeschlossen werden können.
Prinz Harry wird zurückkehren. Er ist reifer geworden und weiß, dass es ohne seine Familie nicht geht.
Thomas Kielinger
Zwar werde er diese Rolle nicht ausüben können, solange er keine royalen Pflichten wahrnehme, doch die Tür stehe offen. Ein weiteres Indiz sieht er darin, wie wichtig es Harry war, dass seine Kinder Archie und Lilibet zu Prinz und Prinzessin gemacht wurden. Thomas Kielinger schließt sich dieser Einschätzung an: "Prinz Harry wird zurückkehren. Er ist reifer geworden und weiß, dass es ohne seine Familie nicht geht." Und noch etwas anderes sei entscheidend: "Ein Schulterschluss mit seinem Bruder ist gerade jetzt möglich. Am Krankenbett des Vaters kann der Zwist begraben werden – dieser Chance sollte sich Harry bewusst sein und entsprechend handeln."
Um den König selbst dürfte es in nächster Zeit womöglich erst einmal ruhig werden. Charles und Camilla reisten am Dienstag per Hubschrauber zu ihrem Landsitz Sandringham in der ostenglischen Grafschaft Norfolk. Zuvor waren sie lächelnd und winkend auf dem Rücksitz eines Autos in London gesichtet worden.
Erstmals seit Bekanntwerden der Krebserkrankung von König Charles trat am Mittwoch Thronfolger William wieder öffentlich auf. Der 41-Jährige verlieh auf Schloss Windsor Medaillen und Orden. Am Abend wird er bei der Spendengala einer Londoner Luftrettungsgesellschaft erwartet.
Die Augen dürften nun besonders auf den Prinzen von Wales gerichtet sein, der zuletzt eine Auszeit von seinen royalen Pflichten genommen hatte, um sich während eines Klinikaufenthalts seiner Frau, Prinzessin Kate, um die gemeinsamen Kinder zu kümmern. Kate hatte sich kürzlich einer Unterleibsoperation unterzogen und soll sich noch bis nach Ostern erholen. Damit bietet sich eine weitere Gelegenheit für Harry, um mit einem Krankenbesuch bei seiner Schwägerin Frieden zu schließen.
- Eigene Recherchen
- Interview mit Thomas Kielinger
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa