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Charles III. in Berlin: Scharfschützen und Enttäuschung beim Staatsbesuch


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König Charles III. in Berlin
"Ist das eine Beerdigung?"


Aktualisiert am 30.03.2023Lesedauer: 5 Min.
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Im Video: Beim ersten wichtigen Termin von Charles' Staatsbesuch steht der Bürgerkontakt im Vordergrund. (Quelle: reuters)
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Beim ersten wichtigen Termin von Charles' Staatsbesuch steht der Bürgerkontakt im Vordergrund. Doch für manch Schaulustige überwiegt die Enttäuschung.

Dass etwas anders ist als sonst, zeigt sich schon beim Blick Richtung Brandenburger Tor. Die Flagge des Vereinigten Königreiches weht dort an mehreren zentralen Stellen, umrahmt von der deutschen Nationalflagge und einer blauen Fahne mit einem Kranz aus zwölf goldenen Sternen. Ja, auch die EU spielt heute eine Rolle – eine ganz entscheidende sogar.

Denn auf den Tag genau vor sechs Jahren begann Großbritannien mit dem Austritt aus der Europäischen Union. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier betont nun anlässlich des Besuchs von König Charles III. und seiner Frau Camilla, dass Deutschland und Großbritannien "ein neues Kapitel in den Beziehungen" der Länder aufschlagen wollen.

Also gehen die beiden Männer voran. Der Monarch und der Bundespräsident, begleitet von ihren Frauen, der Königsgemahlin Camilla und der deutschen First Lady Elke Büdenbender. Harmonisch schreiten sie über den Pariser Platz, demonstrieren im Vierergespann Geschlossenheit. Immer wieder winken sie den Menschen zu, lächeln, wirken unverkrampft und gelöst. Dabei war es alles andere als ein Kinderspiel, diesen Moment des Bürgerkontakts für die Menschen vor Ort möglich zu machen.

Per Geheimgang zum Staatsbesuch

Bis zu zwei Stunden stehen Besucher mehrere Hundert Meter vor dem Ort des Geschehens an. Martin aus Potsdam habe "keine Kosten und Mühen" gescheut, sei um 11.15 Uhr da gewesen, um 13 Uhr habe er auf den Pariser Platz gedurft. Andere Schaulustige berichten t-online Ähnliches, sie alle seien voller Vorfreude extra pünktlich angereist. Von 1.500 Besuchern ist vorab die Rede, doch am Ende sind es nicht einmal halb so viele. Nur etwa 500 Auserwählte dürfen sich zu zwei Seiten des Platzes positionieren.

Vorab müssen alle durch eine Sicherheitsschleuse, ihre Sachen werden durchleuchtet, sie selbst werden wie am Flughafen gescannt und abgetastet. Für einige wenige geht es an dem Zelt der Polizei vorbei, herum um die weiträumigen Absperrungen, die an der Straße Unter den Linden aufgebaut sind. Sie werden hinter das Hotel Adlon geführt, wo der König mit seiner Frau zwei Nächte in Berlin untergebracht ist. Danach weist ein Polizist sie zu einem schmucklosen Tunnel – dieser entlässt die zwei Dutzend Menschen dann direkt auf den Pariser Platz.

Per Geheimgang zum Staatsbesuch. Doch so aufregend dieser Moment auch ist, so enttäuschend ist für viele die Erkenntnis danach.

Schnell wird klar, dass das ausgeklügelte Sicherheitskonzept keine Kompromisse ermöglicht. Wer auf diesem Abschnitt des Platzes angekommen ist, darf die Seiten nicht mehr wechseln. Das Getuschel beginnt: In gut einer Stunde, um 15.10 Uhr, soll der Königsbesuch eintreffen, werden sich Charles und Camilla aufteilen und die Besucher jeweils an einer Seite begrüßen? Genauso wird es kommen – und die, die am Absperrgitter bei der Königsgemahlin stehen, werden Charles III. eben nur aus der Ferne zuwinken können.

Sicherheit ist das oberste Gebot an diesem Tag. Schon beim Einflug von Charles und Camilla nach Berlin begleiten Militärjets den Flieger aus Großbritannien. Zusätzlich zu den hohen Hürden, die nötig sind, um überhaupt auf den Platz des Staatsbesuches zu dürfen, wimmelt es in der Innenstadt nur so von Polizeikräften, rund 900 sind es laut offiziellen Angaben insgesamt. Auch schwer bewaffnete Spezialeinheiten sind vor Ort, Scharfschützen beobachten das Geschehen von den umliegenden Dächern.

Pünktlich auf die Minute beginnt der minutiös durchgeplante Akt. Der Bentley mit Charles und Camilla stoppt vor dem Brandenburger Tor. Eine Minute später steigen beide aus. Kurzer Jubel brandet auf, verhaltener Applaus ist zu hören. Betretene bis ehrfürchtige Stille dominiert die Atmosphäre vor Ort. Oder verfolgen die Menschen einfach nur gebannt das Protokoll? König und Bundespräsident gehen über den Platz und winken. Das Stabsmusikkorps der Bundeswehr und das Wachbataillon des Verteidigungsministeriums spielen beide Nationalhymnen, die Staatsoberhäupter gehen die Formation der Soldaten ab.

Wenige Minuten nach der Ankunft wendet sich das Königspaar den wartenden Menschen auf beiden Seiten des Pariser Platzes zu. Beide schütteln zahlreiche Hände und wechseln immer mal wieder Worte. Charles lächelt eher verhalten, Camilla strahlt und lacht die Menschen an. Der Kontakt zum Volk dauert nur eine Viertelstunde. Elke Bülter aus Wilhelmsdorf in Baden-Württemberg ist "ein bisschen enttäuscht", wie sie t-online sagt. "Das war jetzt schon sehr schnell vorbei", wird sie nach dem kurzen Schaulaufen sagen.

Für andere endet der Kurzkontakt mit überraschenden Erkenntnissen: "Sie hat einen sehr festen Händedruck", erzählt Ursula Mund strahlend und spricht von einem "warmherzigen Lächeln" Camillas. Die meisten Umstehenden sind sich einig: Die 75 Jahre alte Gemahlin des Königs sei "sympathisch", "zugewandt" und "nahbar". Doch es wird auch gerätselt. So rätselt eine Zuschauerin direkt nach ihrer Begegnung mit Camilla über deren Körpergröße: "1,72 Meter groß soll Camilla laut Angaben im Internet sein? Das kann nicht sein. Sie wirkt viel kleiner."

"Ist das eine Beerdigung?"

Auch kurze Sätze wechselt der hohe Staatsbesuch mit den umstehenden Gästen. Es sei für sie etwas "ganz Besonderes, hier sein zu dürfen". Sie freue sich außerdem über die "vielen Frauen", die entlang ihres Streckenabschnitts in erster Reihe stehen. Und zu Scherzen ist sie, ganz in britischer Tradition, auch aufgelegt: Es sei "wärmer als gedacht", das Wetter müsse sie wohl mitgebracht haben, so Camilla zu einer Frau, die herzhaft lachen muss.

Christine Bratke hingegen kann sich nicht so amüsieren, wie sie es gehofft hatte. "Ich habe deutlich mehr Stimmung erwartet. Was ist denn hier los? Ist das eine Beerdigung?", fragt sie laut in die Menge. Camilla mal aus der Nähe zu sehen, habe ihr dann aber doch gefallen, schließlich sei diese "schmaler als gedacht" und "sehr stark geschminkt". Auf den Bildern, die man von solchen Persönlichkeiten kenne, sei das gar nicht so zu erkennen.

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Es sind diese kleinen Momente, die den wenigen Zuschauern vor Ort in Erinnerung bleiben werden – und die Erkenntnis, dass sich langes Warten nicht immer unbedingt lohnen muss. Um 15.30 Uhr steigt das Königspaar in seine Limousine, winkt noch einmal durch die Scheibe und braust davon. Alles auf die Minute pünktlich, die Organisation verläuft reibungslos. Die Scharfschützen der Spezialeinsatzkommandos der Polizei verlassen ihre Posten auf den Dächern, der Polizeihubschrauber fliegt davon, die Schaulustigen dürfen wenig später die Sicherheitszone verlassen.

Für Charles und Camilla war das jedoch erst der Auftakt ihres dreitägigen Staatsbesuchs. Auch das ein oder andere Händeschütteln steht ihnen noch bevor. Am Abend werden sie zum Staatsbankett im Schloss Bellevue erwartet. Die früheren Bundespräsidenten Horst Köhler und Joachim Gauck sowie Altkanzlerin Angela Merkel werden dabei sein. Am Donnerstag geht es weiter, unter anderem mit einer Rede vor dem Deutschen Bundestag und einem Abstecher nach Brandenburg.

Abschließen wird das Paar seine Reise am Freitag in Hamburg. Dort ist ebenfalls ein Termin für den Bürgerkontakt geplant. Womöglich wird es dann auch dort zu der einen oder anderen Enttäuschung kommen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen vor Ort
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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