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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Matthias Reim "Das trifft mich jetzt mehr als vor 20 Jahren"
In über 30 Jahren Karriere lief nicht immer alles rund. Wie Matthias Reim mit den Tiefschlägen seines Lebens umgeht, verrät er im t-online-Interview.
Matthias Reim kämpfte mit Gesundheitsproblemen, dem Finanzamt und zeitweise schwindendem Fan-Interesse. Mittlerweile ist er wieder fit, die Millionenschulden sind getilgt und die Konzerthallen der Republik füllt er mit seinen Schlagerauftritten.
Im Gespräch mit t-online erklärt der 64-Jährige nun, dass er nicht noch einmal jung sein möchte und warum er seinen Tiefschlägen rückblickend einiges abgewinnen kann.
t-online: Herr Reim, wären Sie gerne noch einmal 20 Jahre alt und würden mit der Musikkarriere von vorne anfangen?
Matthias Reim: Man sagt immer, früher wäre alles leichter gewesen. War es aber nicht. Es war vor 30 Jahren genauso schwer, einen Plattenvertrag zu kriegen und sich durchzusetzen. Es war schon schwierig, ein One-Hit-Wonder zu werden, geschweige denn danach eine Karriere aufzubauen. Das hat sich heute nicht verändert – es war schon immer schwer. Wenn mir jetzt heute jemand sagen würde: Matthias, möchtest du noch mal 20 sein – um Gottes willen, nein. Ich möchte nicht mehr jung sein.
Wieso nicht?
Manchmal überlege ich, wenn der liebe Gott mich abholt und fragt, ob ich noch mal so ein Leben wollen würde, würde ich sagen, dass ich nie wieder so ein geiles Leben kriegen würde, wie ich es hatte.
Trotz der Höhen und Tiefen? Die gab es ja auch. Gesundheitlich wie finanziell.
Trotzdem nicht, nein. Ich habe so viel Glück gehabt, und ja, ich habe auch Niederlagen einstecken müssen. Diese haben mich aber gelehrt, dass ich mich auf einem falschen Weg befinde. Für mich sind die Tiefen oder Niederlagen Hinweise, etwas besser zu machen.
Blicken Sie mit Stolz oder Demut auf Ihre 30-jährige Karriere zurück?
Mit Stolz und Demut. Wer die Demut verliert, verliert den Respekt. Ich werde mein Leben nie als selbstverständlich ansehen. Ich durfte so viele tolle Sachen erleben. Gleichzeitig finde ich, dass jeder, der etwas geleistet und aus Niederlagen gelernt hat, auch ein wenig stolz sein darf.
Sie klingen sehr versöhnlich, was die Rückschläge angeht.
Ob ich das alles gebraucht habe, ist die Frage. Bestimmt nicht. Auf der anderen Seite hat mir jede dieser Niederlagen – und die waren teilweise wuchtig und auch sehr öffentlich – etwas über das Leben beigebracht. Deswegen gehört auch das für mich dazu.
Den Rückschlag "Corona Zwangspause" teilen Sie allerdings mit jedem, der in der Kulturbranche tätig ist. Wie haben Sie das erlebt?
Die letzten zwei Jahre waren katastrophal. Ich habe eine wirklich tolle Band. Das sind Profis, die davon leben, dass sie fünf, sechs Mal im Monat auf der Bühne stehen. Davon zahlen sie das Essen ihrer Kinder, ihre Miete, ihre Autos, ihre Kosten oder was auch immer. Wenn da plötzlich nichts mehr reinkommt … schlimm. Und es gab kein Auffangsystem für freischaffende Künstler.
Die alte Bundesregierung bot doch Hilfen an.
Es gab die großzügige Spende von 9.000 Euro, die dann sofort zurückgefordert wurde. Auch Techniker, Lichtträger, Caterer, Lkw-Fahrer, Trucker – für diese ganze Branche war das eine Katastrophe. Jeder Beamte hat meinetwegen seine 3.500 oder 4.000 Euro im Monat und davon zahlt er sein Reihenhaus ab. Das hat ein freischaffender Künstler nicht, ist aber genauso auf diese monatlichen Einnahmen angewiesen, weil die Kosten fortlaufen.
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Ärgert es Sie, dass diese zwei Jahre jetzt – mit Verlaub – im Herbst Ihrer Karriere einfach so fehlen?
Absolut. Man kann immer wieder sagen, dass man Konzerte nachholt und die Tickets ihre Gültigkeit behalten. Für mich als Künstler sind diese zwei Jahre jetzt aber einfach so weg. Und das trifft mich jetzt mehr, als es vor 20 Jahren der Fall gewesen wäre. Deswegen war es mir so wichtig, dass ich diese Zeit immerhin gut nutze. Ich habe an meinem Album "Matthias" gearbeitet und meine Konzerte vorbereitet. Ich würde es mir eher vorwerfen, wenn ich die Zeit nicht genutzt hätte, um daraus etwas zu machen.
In Ihrem Alter fangen die Leute an, in Rente zu gehen. Haben Sie schon mal über den Musikerruhestand nachgedacht?
Menschen gehen in Rente, weil sie ihr Leben lang gearbeitet und ein Recht auf einen wohlverdienten Ruhestand haben. Das habe ich nicht.
Sie haben nicht gearbeitet?
Ich habe meine große Liebe, die Musik gelebt. Ich bin manchmal erschöpft und ich mache viel, aber ich kann es nicht Arbeit nennen. Ich sage ja: "Ich spiele heute Abend ein Konzert in Berlin" und nicht: "Ich arbeite heute Abend ein Konzert in Berlin ab". Das ist der Unterschied. Solange Körper und Geist fit bleiben, mache ich Musik.
- Eigenes Interview mit Matthias Reim