Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Schon gehört? Der Soundtrack der Woche (11. März 2022)
t-online hat offene Ohren für die wichtigsten Alben der Woche und gibt Ihnen Musiktipps. Diese Woche mit dem gar nicht so brachialen Comeback von Rammstein sowie Capital Bra und Ghost.
Wenn Sie mal wieder richtig Lust auf neue Sounds haben, Ihnen aber die Zeit fehlt, sich durch die Veröffentlichungen der Woche zu hören, stimmt t-online Sie mit der Rubrik "Schon gehört?" ein.
Rammstein – "Zeit"
Der durchschnittliche Event-Fan kann aufatmen: Rammstein sind zurück. Für Leute, die gerne zwischen Rammstein, Metallica, Foo Fighters, Helene Fischer und Unheilig switchen, ist das ein großer Tag. Wenn man sich an die Anfänge der Band erinnert, dann ging es um Provokation, brachiale Riffs und kühle Industrial-Sounds. Seit "Mutter", spätestens seit "Reise Reise" ist diese Gruppe im Mainstream angekommen, wird von jungen Metal-Jüngern genauso bejubelt wie von Menschen, die beim Zähneputzen gerne Radio hören.
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Man spricht also eine Menge Menschen an. Manchmal habe ich den Eindruck, einigen geht es mehr um das Spektakel Rammstein als die Band Rammstein. Am Donnerstag erschien das Video zur neuen Single "Zeit" und im Netz wurde der Song gefeiert, als hätten die Berliner das Rad neu erfunden. Ich hingegen blicke in diesen fünf Minuten eher auf die Uhr, denn die Zeit mag so gar nicht vergehen.
Es fängt ruhig und zart an. Till Lindemann singt zerbrechlicher als gewöhnlich. Langsam baut sich die Nummer auf, die Gitarren kommen zunächst zurückhaltend hinzu, bevor man sich im Crescendo auf den Refrain zubewegt. Es könnte gut werden. Aber nein, der Chorus will so gar nicht zünden. Man denkt an Unheilig. Man denkt an Joachim Witt und "Die Flut". Aber man denkt nicht an Rammstein. Zumindest ich nicht, Sie vielleicht. Mir ist "Sehnsucht" aber auch bis heute lieber als "Rosenrot" oder "Liebe ist für alle da". Früher war ja alles besser, nech?
Die neue Nummer ist schon so konventionell, fast so ereignislos, dass man damit auch bei Carmen Nebel oder Florian Silbereisen an einem Samstagabend im Öffentlich-Rechtlichen auftreten könnte. Bei mir mag der Funke nicht überspringen, vielleicht würde Carmen Nebel im Live-TV aber wohlwollend mit dem Kopf nicken. Eigentlich schade, denn das letzte Album "Rammstein" hat mir eigentlich wieder ganz gut gefallen. Von daher ist die Hoffnung auf das kommende Werk "Zeit" noch nicht völlig ad acta gelegt.
Vielleicht befinde ich mich aber auch auf dem Holzweg. Vielleicht geht es Till Lindemann und Co. eben genau um diesen Effekt. Vielleicht liegt die Provokation eben im Gefälligen, was "Zeit" so an sich hat. Mal keine große Rocknummer wie "Engel", "Sonne", "Mein Teil" oder "Deutschland" als erste Single zu veröffentlichen. Aber ich muss meine eigene Zeit ja noch in andere Alben stecken, um auf dieser Frage herumzuphilosophieren. Warten wir ab, wie der Rest der Platte ausfällt.
Ghost – "Impera"
Wenn eine Metal-Band in den vergangenen Jahren einen rasanten Aufstieg hatte, dann wohl die Schweden von Ghost. Dahinter steckt nicht nur das ausgeklügelte Marketing samt Böser-Papst-Kostüm und mysteriösen, weil unbekannten Musikern. Immerhin ist bekannt, dass Tobias Forge den charismatischen Papst bzw. mittlerweile Kardinal gibt. Neben dieser steilen Vorlage für Merchandise von T-Shirts über Figuren bis Sexspielzeugen kann die Band auch mit den richtigen Songs aufwarten.
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Während die ersten beiden Alben noch okkulten Metal boten, wurde es ab "Meloria" zunehmend opulenter. "Impera", das fünfte Album der Gruppe, toppt alles, was die Schweden zuvor gemacht haben. Nach dem melodischen Intro "Imperium" startet "Kaisarion" fast schon mit Helloween-artigen Gitarrenläufen. Ungewohnt fröhlich für die Düster-Pomp-Rocker. Ich habe da tatsächlich ein paar Anläufe für gebraucht, bis diese Nummer zündete.
Immerhin der Rest des Albums hatte deutlich weniger Startschwierigkeiten. Das fast schon Grunge-mäßige "Call Me Little Sunshine" ist ein Ohrwurm, "Hunter's Moon" ebenfalls. "Twenties" mit seinen ungewöhnlichen Rhythmen hat ebenfalls viel Charme. "Darkness At the Heart Of My Love" kann durch einen dramatischen Refrain punkten und "Respite on the Spitalfields" ist ein progressiver Rausschmeißer, wie sich Forge ihn nur von Iron Maiden hätte abgucken können.
Dass diese Band mittlerweile in Arenen spielt, wie auf der im April kommenden Tour, ist kein Wunder. Diese zwölf neuen Tracks beweisen, welches Spektrum Ghost mittlerweile besitzen. Wo früher primär sakrale Chöre den Charme dieser Gruppe ausmachten, ist es heute ein großartiges Gespür für Melodie und Dramaturgie.
Marillion – "An Hour Before It's Dark"
Für die meisten wird Marillion immer die Band sein, die mit "Keyleigh" einen Welthit schrieb. Doch auch die Alben nach "Misplaced Childhood" hatten stets ihre Momente. Mit "An Hour Before It's Dark" zeigen sich die Progressive-Rocker so songorientiert wie schon lange nicht mehr.
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18 Songs zählt die digitale Version des Albums. Klingt viel, aber in Wirklichkeit sind es nur sieben Songs. Einige der längeren Stücke wurden in einzelne Teile geschnitten. "Be Hard on Yourself", der Opener, besticht besonders durch seinen zurückhaltenden Charakter. Steve Hogarths Gesang wechselt zwischen Emotion und Fragilität. "Only a Kiss" und "Murder Machines" – übrigens ein Song über die Corona-Pandemie und wie Umarmungen mittlerweile in bösen Infektionen enden können – sind ähnlich gut gelungen.
Bei diesem Album liegt die Würze in der relativen Kürze. "An Hour Before It's Dark" dauert nämlich nicht einmal eine Stunde, sondern pendelt sich bei 54 Minuten ein. Für die letzten Werke der Gruppe erstaunlich kurz.
Capital Bra – "8"
Er gehört zu den erfolgreichsten Künstlern in der deutschen Chart-Geschichte. Nun gibt es Nachschub von Capital Bra. Das Schlachtschiff des Deutschrap legt mit dem schlicht "8" betitelten Album seine bereits – Überraschung – achte Platte vor.
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Und mehr geht nicht! 27 Songs in fast 80 Minuten gibt es hier zu hören. Das wird die Streamingzahlen nach oben schnellen lassen. Um sich scharrt der Rapper die Crème de la Crème der Szene. Es gibt Features mit Ramo, Farid Bang, Kool Savas, Juju oder RAF Camora. Der Bratan hat sehr an der Produktion der Songs gearbeitet. Fett produziert, abwechslungsreich und teilweise verdammt eingängig. Meist brachialer Rap, aber gerne auch mal etwas poppiger (hören Sie doch mal "Sag mir wo du gerade bist" mit Juju).
Auch melancholische Zwischentöne lassen sich erkennen wie in "Ich will nur dich", "Wir sehen gut aus" oder "DSDS". So resümiert er über die eigene Karriere: "Aber ich komm von der Straße, nicht von DSDS." Sprich: Er hat sich den Erfolg selbst erarbeitet, brauchte nicht seinen Kumpel Dieter Bohlen (die beiden nahmen zusammen vor einigen Jahren eine Rap-Version von "Cherry Lady" auf. Kurios!). Und es wäre kein Wunder, wenn nicht auch "8" auf den ersten Platz der Charts ziehen würde.
John McLaughlin – "The Montreux Years"
Weiter geht es bei den Veröffentlichungen mit der "The Montreux Years"-Reihe. Nach Marianne Faithful, Nina Simone oder Muddy Waters werden nun die besten Momente von John McLaughlin bei dem ikonischen Jazz-Festival gesammelt auf Vinyl veröffentlicht.
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Nun gibt es neue Aufnahmen des Jazz-Fusion-Gitarristen John McLaughlin auf schönem Doppel-Vinyl zu hören. Der Musiker arbeitete schon mit Carlos Santana, Miles Davis oder James Taylor zusammen. Bei den "Montreux Years" fokussiert er sich jedoch auf sein Solowerk, mit welchem er besonders in den späten 60er- und 70er-Jahren in den USA Erfolge feiern konnte.
Die Aufnahmen sind sauber, vermitteln ein schönes Live-Feeling und bezeugen auch das besondere Talent des Saitenmanns. Es sammeln sich Aufnahmen von 1978 bis 2016 auf diesem Tonträger. Zwar wurden fast alle dieser Aufnahmen bereits auf dem 17 CD starken Boxset "The John McLaughlin Montreux Concerts" im Jahr 2003 veröffentlicht, aber hier finden sich diese Perlen deutlich kompakter gesammelt wieder.
Alle Alben sind am 4. oder 11. März 2022 in digitaler sowie physischer Form erschienen. Wir hören uns wieder!