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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Mousse T. "Avicii konnte die Szene körperlich nicht verarbeiten"
Nach 14 Jahren hat Mousse T. wieder ein Album herausgebracht. Im Interview mit t-online.de spricht der Musikproduzent über seine Karriere und seinen Freund, der mit gerade einmal 28 Jahren sein Leben verloren hat.
Mousse T. ist zurück – mit einem eigenen Album. Weg war er eigentlich nie. Aktuell sitzt der DJ in der Jury der 15. Staffel von DSDS, sucht gemeinsam mit Chefjuror Dieter Bohlen nach Deutschlands neuem Superstar. Parallel hat der 51-Jährige an einer neuen Platte gearbeitet – aus der auch die gleichnamige Single "Where Is The Love?" stammt. t-online.de stellt exklusiv das Video vor.
Ende der Neunziger feierte Mousse T. weltweit Erfolge mit Songs wie "Sexbomb" und "Horny". Es folgten zwei eigene Alben, jetzt – 14 Jahre später – das dritte. Nicht weil er sich zur Ruhe setzte, ganz im Gegenteil. In den vergangenen Jahren hielt sich der Musikproduzent hauptsächlich im Hintergrund auf.
DJ Avicii wurde nur 28 Jahre alt
So hatte sich das auch der Star-DJ Avicii für sich gewünscht. Der Schwede war einer der ganz Großen in der Musikszene – und das mit gerade einmal 28 Jahren. 2011 veröffentlichte Avicii seinen ersten Hit "Levels". Es folgten Songs wie "Wake Me Up" und "Hey Brother". Dann zog der Musiker 2016 völlig überraschend die Reißleine. Avicii verabschiedete sich aus dem Rampenlicht, konzentrierte sich nur noch auf die Musik im Studio.
Zwei Jahre später stirbt Avicii. Der DJ wurde am Freitag im Oman tot aufgefunden. Die Todesursache ist zwar bekannt, wurde aber der Familie zu Liebe nicht preisgegeben. Mousse T. kannte Avicii, überreichte ihm 2014 sogar den Echo. Im Telefongespräch mit t-online.de erzählt der 51-Jährige, wie er vom Tod des Musikers erfahren hat und wie knallhart die Szene wirklich ist.
t-online.de: Mousse T., du hast nach 14 Jahren wieder ein neues Album rausgebracht. Wie kommt's?
Mousse T.: Ja, ich habe mir tatsächlich etwas Zeit gelassen. Das ist der Luxus, den man sich als Musikproduzent mal gönnen kann. Man ist nicht in einer Schleife gefangen, wie Lady Gaga oder Xavier Naidoo zum Beispiel, die alle zwei Jahre ein Album rausbringen müssen, um im Gespräch zu bleiben. Ich habe als Produzent eine Bandbreite an Aufgaben: Songwriting, auflegen, Live spielen, Musik produzieren – dann vergehen mal eben so ganz schnell 14 Jahre.
Was können deine Fans von "Where Is The Love?" erwarten?
Liebe ist für einen Musiker immer ein sehr gern genommenes Thema. Die Kunst ist es, das Thema immer neu klingen zu lassen. Das Album bietet wirklich alle Facetten – von einem klassischen Liebeslied mit einem sexuellen Ansatz wie "Horny" bis hin zum esoterisch angehauchten Song "Where Is The Love?".
Wie groß ist der Druck, mit den neuen Liedern an dem Erfolg von zum Beispiel "Sexbomb" anzuknüpfen?
Als Künstler darf man so gar nicht erst denken. Wenn man sich diesen Druck macht, dann leidet natürlich die Kreativität. So habe ich in der Vergangenheit auch oft gedacht. Und dann machst du doch auf einmal wieder etwas, was dich selbst erstaunt. Das ist mir auch bei meinem neuen Album gelungen – mit dem richtigen Handwerk und einem Touch Modernität.
Wie schwer ist es, sich als Musiker über Wasser zu halten?
Eigentlich ist es ein Beruf wie jeder andere. Du musst deine Musik verkaufen, arbeitest selbstständig. Es ist schon schwieriger, als irgendwo angestellt zu sein. Jeder kann Sänger, Fotograf oder Künstler sein, aber man muss sich immer irgendwie von allen anderen abheben, man muss sich als Person schärfen. Das ist nicht einfach.
Heutzutage reicht es eigentlich gar nicht mehr aus, nur Musik zu machen.
Man muss auch auf Social Media präsent sein. So haben Fans das Gefühl, dass sie backstage sind. Das wäre bei Madonna in den Achtzigern undenkbar gewesen. Heute wollen die Fans die Nähe zum Star. Man muss kein Arschloch sein, weil man ein bekannter Künstler ist. Man kann ja auch sympathisch sein, die Leute in seine Kunst mit einbinden und trotzdem ein genialer Künstler sein. Die Achtziger-Superstar-Ära ist mittlerweile vorbei. Heute steht ein Robbie Williams neben dir und spielt Fußball.
Du bist seit über 25 Jahren im Showgeschäft. Gibt es irgendwelche Entscheidungen, die du im Nachhinein bereust?
Ich habe 1996 Remixe für Michael Jackson gemacht. Die sind damals gut angekommen. So gut, dass er sich dann sogar selbst bei mir gemeldet hat und mich zu seinem Konzert nach London eingeladen hat. Das habe ich leider aus reinem Arbeitswahn abgesagt. Das bereue ich tatsächlich noch immer sehr.
Was ging dir als Erstes durch den Kopf, als du vom Tod von DJ Avicii erfahren hast?
Wir kannten uns flüchtig. Wir haben einen guten gemeinsamen Freund: David Guetta. Über ihn haben wir uns kennen gelernt, ich durfte ihm sogar 2014 den Echo überreichen. Von seinem Tod erfahren habe ich letzten Freitag kurz vor einem Auftritt. In den sozialen Medien häuften sich die Kommentare und Nachrichten. Das war ein großer Schock, vor allem, weil er noch so jung war. Er war wirklich ein begnadeter Musiker. Er wird ein künstlerisches Erbe hinterlassen.
Es heißt, die Elektroszene habe ihn kaputtgemacht.
Für die Szene musst du geschaffen sein. Das ist ein harter Job. Da braucht man kopfmäßig, aber auch körperlich eine gewisse Sicherheit. Avicii wurde immer schmächtiger. Das Ganze konnte er körperlich nicht verarbeiten. Am Ende hast du gesehen, irgendwas stimmt da nicht.
Er hatte 2016 seiner Karriere selbst ein Ende gesetzt.
Man muss selbst wissen, wie weit man gehen kann. Natürlich ist man aber auch einfach eine Maschine. Man hat ein Management, verpflichtet sich mit Verträgen und Vorauszahlungen. Wenn man dann auch noch jung ist, hat man die Angst, immer leisten zu müssen. Man traut sich auch nicht zu sagen, dass es einem zu viel wird. Ich fand es sehr beachtlich, als Avicii 2016 seinen Abschiedsbrief an seine Fans verfasst hat. Er hat damals gesagt, dass er viel gemacht hat, sich aber jetzt erst mal zur Ruhe setzen will. Das war eine geile Aussage. Das erwartet man eigentlich nur von einem Menschen, der 60 ist.
Das Management wollte, dass er die noch geplanten Konzerte zu Ende spielt.
Das Management rechnet dir dann vor, was an Knete flöten geht und macht dir damit ein schlechtes Gewissen. Ich schiebe es ein bisschen auf sein Alter. Ich hatte meinen ersten großen Erfolg Gott sei Dank erst mit 30 Jahren gehabt. Tokio Hotel hatten ihren ersten Hit mit 17 Jahren, da musst du schon eine geile Infrastruktur haben, am besten noch ein tolles Elternhaus, das dich ein bisschen auffängt.
Wie hast du dich geschützt?
Ich habe ein solides Elternhaus, außerdem ist auch Hannover eine ganz coole Basis. Hannover ist nicht Berlin oder New York, wo du die ganze Zeit in die Versuchung kommst, auf den wildesten Partys zu sein. Die Gefahr bestand gar nicht, weil ich eigentlich immer nur mehr der Produzent hinter den Kulissen war – das was Avicii auch sein wollte.
Wie übersteht man die Branche? Lässt sich das überhaupt ohne Alkohol und Drogen aushalten?
Du wirst permanent damit konfrontiert. Am besten ist das DJ-Pult auch noch neben der Bar, dann kannst du dagegen kaum noch etwas tun. Man muss wirklich stark genug sein und selbst merken, wann es zu viel ist. Oder man hat jemanden, dem man vertraut und der einen beschützt. Ich habe ein dickes Fell. Ich trinke gerne mal einen, habe auch schon mal gekifft, aber ich habe sonst noch nie irgendwelche Drogen konsumiert.
Avicii brauchte den Alkohol, um seine Nervosität zu überspielen.
Das geht schnell. Das ist auch nichts Schlimmes, halt alles in Maßen. Die Erfahrung macht jeder und jeder hatte bestimmt schon einmal einen Vollrausch in seinem Leben gehabt. Man muss halt gucken, dass man sich selbst im Griff hat. Wenn man trinkt, weil man ein Defizit hat wie Angst oder Schüchternheit, dann ist es schwer, selbst da rauszukommen. Da kann man eigentlich nur auf seinen geilen Freundeskreis bauen oder eine gute Familie, die das schnell erkennt und dich da rauszieht.
Die Todesursache ist nicht bekannt. Denkst du, dass er sich das Leben genommen hat?
Ich hoffe es nicht, aber heutzutage weiß man es nie. Ich kenne seinen psychischen Status nicht. Er hat immer gelächelt, aber er war natürlich auch ein Profi. Du kannst in die Leute nicht hineinschauen. Manche Menschen haben Depressionen, bei denen würdest du das niemals erwarten.
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