Sylt und die seltsamen Nebeneffekte Gigi D’Agostino feiert nach Nazi-Eklat Erfolg
Ein Eintrag aus dem Kuriositätenkabinett: Trotz tagelanger Diskussionen über Gigi D’Agostinos "L'amour toujours" schwimmt der Hit auf der Erfolgswelle.
Die Sonnenseiten der Kritik: Gigi D’Agostino hat mit seinem Hit "L'amour toujours" die iTunes-Charts erobert. Wie aus den aktuellen Zahlen des US-Konzerns Apple hervorgeht, landete der Song am Sonntag mit der "Small Mix"-Version auf Platz 1 und ist zudem im Original auf Platz 3 vertreten. Auch bei Spotify taucht "L'amour toujours" in einer Art Chartliste auf. Bei dem Streamingdienst heißt diese "Viral 50 – Deutschland": Dort rangiert das Lied D'Agostinos auf Platz 45.
Seit dem Vorfall in einer Bar auf Sylt, wo das Lied von Partygästen rassistisch umgedichtet worden war, genießt es offenbar weiterhin große Beliebtheit. Gigi D’Agostino selbst hatte sich bei t-online zuletzt so zu dem Thema geäußert: "Mein Lied handelt von der Liebe." Er wolle damit erzählen, wie er das Gefühl erlebe. Mehr über seinen Kommentar zur aktuellen Debatte lesen Sie hier.
"Das sind die wichtigsten Charts weltweit"
Die iTunes-Charts sind für die Musikindustrie äußerst wichtig. Beim Fachportal "Musik und Medien" heißt es dazu: "Vor allem auch Chartlisten von digitalen Dienstleistern wie Spotify oder iTunes sind für die Musikindustrie von großer Wichtigkeit." Und beim Musikportal "Mix1" heißt es: "Die iTunes-Charts gehören zu den wichtigsten Charts weltweit. In den Top 30 werden die 30 beliebtesten Songs aus Deutschland angezeigt."
Beim Streamingdienst Spotify ereignete sich zudem ein seltsames Detail im Zuge des Sylt-Skandals. Denn Nutzer, die in den vergangenen Tagen nach den Schlagworten "Deutschland den Deutschen" und "Ausländer raus" bei Spotify suchten, bekamen als Ergebnis D'Agostinos "L'amour toujours" vorgeschlagen – und das, obwohl die Hass-Parolen gar nicht im Original auftauchen.
Offenbar eine Verknüpfung, die der Algorithmus zu verantworten hatte. Auch wenn der Streamingdienst auf Nachfrage nicht offenlegt, wie es zu diesem Phänomen kommen konnte, besserte er inzwischen nach: Bei Spotify führen die Nazi-Slogans nun nicht mehr zu dem Popsong von 2001.
So viel verdient ein Künstler mit Spotify
Gigi D'Agostino wird die Vereinnahmung seiner Zeilen sicherlich verurteilen – und dürfte nun dennoch kommerziell von dem Erfolg des Songs profitieren. Umso höher die Chartplatzierung, desto mehr Abrufe pro Musikstream. Ergo: D'Agostino verdient am Skandal. So zahlt Spotify zum Beispiel in Deutschland pro Stream etwa 0,0033 Euro. Das sind 34 Cent für 100 Streams und 3,39 Euro für 1.000 Streams. Bei Tausenden neuen Streams summiert sich das.
Vor allem unterstreicht der unerwartete Erfolg von "L’amour toujours" erneut die Macht und Bedeutung der digitalen Musikindustrie und wie schnell ein Lied an Popularität gewinnen kann – und zudem die alte Werbethese, wonach auch schlechte PR für Aufmerksamkeit sorgt. Dass Gigi D’Agostinos Song mit seiner eingängigen Melodie und dem einfachen Text ein Ohrwurm ist, hat ihm schon Anfang der 2000er zum Erfolg verholfen. Dass er jedoch 23 Jahre nach seiner Auskopplung aus dem gleichnamigen Album von Naziparolen und rassistischen Entgleisungen überschattet wird, konnte niemand ahnen.
- Eigene Recherchen
- Zahlen von iTunes und Spotify
- musikmedien.org: "Wie funktionieren die Charts im Zeitalter des Musikstreaming?"
- mix1.de: "Musikportal | Charts, Hits, Musik und Stars"