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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Erfolgsband Amon Amarth "Wir haben sozusagen umsonst gearbeitet"
Mit Death Metal auf Platz 1 der Charts? Haben bisher nur Amon Amarth geschafft. Warum der Erfolg trotzdem Schwerstarbeit ist, erklärt Sänger Johan Hegg.
1992, also vor 30 Jahren, gründeten fünf Freunde in Schweden Amon Amarth. Die Band spielte Death Metal, man sang über Wikinger und Schlachten – im Grunde sind das keine Ingredienzien für schnellen Erfolg. Oder für kommerziellen Erfolg überhaupt. Und dennoch haben es die Schweden geschafft, als Headliner auf Festivals aufzutreten, große Hallen zu füllen und sich auf die vorderen Ränge der Charts zu spielen. Mit den LPs "Jomsviking" (2016) und "Berserker" (2019) landete man in Deutschland sogar von 0 auf 1. Auf gewisse Weise steht man da einer Helene Fischer in nichts nach. Das neue Album "The Great Heathen Army", welches jetzt auf dem Markt ist, hat das Potenzial, den Spitzenplatz-Hattrick zu schaffen, steht in den Midweek-Charts erneut auf der Poleposition. Doch das alles macht nichts mit den Metalheads.
"Irgendwo sind wir vielleicht Rockstars"
"Wir sind die gleichen Typen wie früher", gibt sich Sänger Johan Hegg im Interview mit t-online bodenständig. "Mittlerweile kommen aber Leute auf der Straße auf mich zu und fragen nach einem Selfie oder Autogrammen. Also ja, irgendwo sind wir vielleicht Rockstars. Ich dachte früher nur, dass es ein bisschen glamouröser wäre."
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Von großen 15-Zimmer-Villen, Privatjets und einer Oldtimer-Sammlung sind die Headbanger trotz all ihrer Erfolge wohl eh noch ein wenig entfernt. Hegg berichtet ganz bescheiden, dass der Weg zum aktuellen Erfolg ein steiniger Weg voller Rückschläge war. "Wir hatten nie Angst, mal einen Gang zurückzuschalten. 2000 etwa wollten wir eine Tour als Headliner spielen. Es war ein furchtbarer Rückschlag", erinnert er sich lachend. "Wir waren dann wieder eine Vorband. Wir waren noch nicht so weit und mussten das auf die harte Tour lernen."
"Wir haben über 15 Jahre sozusagen umsonst gearbeitet"
Auch das Geld floss nicht sofort. Ihr erstes Album, "Once Sent From the Golden Hall", erschien 1998, somit acht Jahre nach der Bandgründung. Doch es sollte nach dem Erstling noch weitere acht weitere Jahre dauern, bis mit der Headbanger-Mucke endlich erste Moneten gemacht wurden.
Hegg: "Nachdem wir unser Album 'Fate of Norns' 2004 veröffentlicht haben, merkten wir, dass wir Amon Amarth als Fulltime-Job betreiben müssen. Wir standen uns mit normalen Anstellungen im Weg. Nach 'Odin On Our Side' haben wir endlich mal Geld verdient. Das war das erste Mal, dass wir uns wirklich ein Gehalt auszahlen konnten. Nach über 15 Jahren! Vorher haben wir sozusagen umsonst gearbeitet."
Viel Zeit hat die Gruppe in den letzten Jahren trotz ausbleibender Bezahlung in ihre Musik gesteckt. Mittlerweile zählt man zu den Größen der modernen Metal-Szene. Und es sah so aus, als würde der Ritt auf der Erfolgswelle ewig weitergehen. Und dann kamen Corona und die Zwangspause. Gerade noch war man im Frühjahr 2020 mitten in einer Süd- und Lateinamerika-Tournee, da müssen die Wikinger nach einem Gig in Mexico City die Zelte abbrechen und sofort nach Europa zurück. Ab dann lagen Amon Amarth erst einmal auf Eis.
"Wir hatten so lange keine Pause. Wir nehmen Platten auf, gehen on the road, spielen noch mehr Konzerte, nehmen dann eine neue LP auf und es geht wieder von vorne los. Es ist teilweise wirklich kräftezehrend", sinniert der 49-Jährige. "Natürlich wären andere Umstände als eine Pandemie schöner gewesen, mal auszuspannen. Aber als Privatperson, die zu Hause bei der Familie sein konnte, statt irgendwo auf der Welt zu spielen, war es eine schöne Zeit. Als Band geht es uns finanziell mittlerweile gut, wir konnten das aushalten."
Ab Frühjahr 2021 hat der Fan von klassischen Hard'n'Heavy-Sounds wie Rainbow oder Judas Priest mit seinen Kameraden dann nach dem Aufladen der Batterien am neuen Album gearbeitet. Man verbrachte groß Teile des Songwritings jedoch im Homeoffice und schickte sich Ideen per Internet hin und her. "Wir haben ja auch keinen Proberaum mehr", lacht der Musiker. "Ich konnte so bei mir daheim so lange an Melodien und Texten arbeiten, wie ich wollte. Die Jungs können ja nicht eine halbe Stunde dasselbe Riff spielen bis ich eine passende Idee habe", weiß der Frontmann über die Vorteile einer neuen Arbeitsweise zu berichten.
Aus der stillen Arbeit in den eigenen vier Wänden ist das Album "The Great Heathen Army" entstanden. Und dieses soll anders als sein Vorgänger wieder im vollen Umfang auf die Bühnen der Welt gebracht werden. Im September und Oktober wird die Band dann aber mit Machine Head wieder auf deutschen Bühnen stehen. In Arenen. Also ein bisschen Rockstar-Feeling wird dann wieder aufkommen.
- Eigenes Interview mit Johan Hegg