Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Eurovision Song Contest Deutschland hat schon gewonnen
Deutschland schickte eine Metal-Band zum Eurovision Song Contest. Das war eine mutige, aber richtige Entscheidung – und sollte in den nächsten Jahren Schule machen.
Deutschlands Vertreter, der am Samstagabend beim Eurovision Song Contest (ESC) in Liverpool an den Start ging, war düster. Die Hamburger Gothic-Metal-Band Lord of the Lost sollte dem Publikum in der Liverpool Arena gehörig einheizen.
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Endlich schickt Deutschland einen Vertreter ins Rennen, der sich von dem Einerlei aus Elektropop und schon tausendmal gehörten Balladen abhebt. Endlich gibt es eine ESC-Vertretung, die das Potenzial hat, den teils schnarchigen Wettbewerb mit krachendem Schlagzeug und virtuosen Gitarrensoli aufzumischen. Die Entscheidung war mutig, aber überfällig.
Denn wenn Deutschland musikalisch eines hat, dann sind es die harten Bands. Das zeigen nicht nur Exportschlager wie die überlebensgroße Gruppe Rammstein, die 2013 von 691.000 Menschen auf dem russischen Festival Rock on the Volga gefeiert wurde –, sondern auch viele andere Bands, die im deutschen Radiomainstream keine Rolle spielen und einen Platz beim Eurovision Song Contest verdient hätten.
Electric Callboy wurde die Teilnahme gestohlen
Im letzten Jahr wäre es fast so weit gewesen. Electric Callboy (damals noch unter leicht anderem Namen) bewarb sich mit dem Song "Pump It", einer launigen Mischung aus Trance und Metalcore. Das Lied hatte gewisse Ähnlichkeit mit "Cha Cha Cha" – dem Track, mit dem der finnische Künstler Käärijä dieses Jahr in Liverpool antrat und dem hohe Chancen auf den Sieg eingeräumt wurden.
Die selbsternannten ESC-Experten vom NDR, die den Vorentscheid damals organisierten, lehnten "Pump It" allerdings ab. Der Song sei nicht radiotauglich, hieß es. Ein Fehler, der den "Experten" in diesem Jahr hoffentlich dann klar wird, wenn Käärijä gewinnt und sich Lord of the Lost einen Platz in den Top Ten sichert.
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Sollte bei diesem ESC wieder ein Vertreter der härteren Musik gewinnen, wird sich Deutschland die Frage stellen müssen, wer das Land im kommenden Jahr beim wichtigsten Musikwettbewerb Europas repräsentiert.
Die Highlights des ESC 2023 sehen Sie hier im Video:
Geeignete Bands gibt es genug
Geeignete Bands gibt es viele. Anbieten könnten sich zum Beispiel Heaven Shall Burn, die mit ihrer einzigartigen Mischung aus Metalcore und Melodic Death Metal zur internationalen Speerspitze der extremen Musik gehören. Die Musik der Band aus Thüringen ist vielleicht nicht unbedingt dazu geeignet, an einem sonnigen Nachmittag im Radio gespielt zu werden – aber wer vor 180.000 Menschen auf dem Pol'and'Rock-Festival spielen kann, hat sich einen Startplatz beim ESC verdient.
Falls es etwas melodischer sein soll, wäre Blind Guardian mit Sicherheit ein würdiger Vertreter Deutschlands beim ESC. Die Band ist ein echtes Urgestein des Symphonic Metal und macht schon seit 1984 zusammen Musik. Auch der kommerzielle Erfolg wäre kein Grund, die Band auszuschließen – denn immerhin konnte Blind Guardian schon sieben Alben in den Top Ten der deutschen Charts platzieren.
Black Metal auf der großen Bühne?
Und weil auch endlich mal wieder Künstler mit deutschen Texten beim ESC antreten sollten: Wie wäre es mit Der Weg einer Freiheit aus Würzburg? Auf bisher fünf Alben hat die Band gezeigt, dass sie viel von ihrem Handwerk – melodischem Black Metal – versteht. Außerdem passen Der Weg einer Freiheit mit ihren intensiven Liveauftritten und spektakulären Lightshows hervorragend auf die große Bühne des Eurovision Song Contest.
Welche Band es im nächsten Jahr auch wird: Deutschland sollte sich auf die Musik besinnen, für die es in aller Welt bekannt ist. Hiesige Metalbands prägen die Szene seit 40 Jahren. Da dürfen Lord of the Lost nicht die letzten Vertreter des Metal sein, die den ESC aufmischen.