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Corona-Krise: "Pandemische Welt-Schau" zeigt Humor im Konflikt der Welt


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Humor in der Krise
Zwischen Klopapierpanik und Verschwörungstheorien


Aktualisiert am 05.12.2020Lesedauer: 4 Min.
Zeichnung von Marco D'Agostino aus Italien: "TrumpKong" heißt sein Bild.Vergrößern des Bildes
Zeichnung von Marco D'Agostino aus Italien: "TrumpKong" heißt sein Bild. (Quelle: Benevento Verlag)
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Ein österreichischer Verlag hat ein Buch herausgebracht, in dem Künstler aus der ganzen Welt Aspekte der Pandemie darstellen. Die Zeichnungen sind lustig, geheimnisvoll, schockierend und bewegend.

Aus schwarzen, feinen Bleistiftstrichen entsteht ein düsteres Bild: Ein Mann sitzt dem personifizierten Tod an einem Tisch gegenüber. Vor den beiden liegt ein Schachbrett, auf dem jedoch keine Figuren zu sehen sind. Toilettenpapierrollen und kleine grüne Viren stehen sich stattdessen gegenüber. Wer gewinnt in dieser Pandemie das Spiel? Eine Antwort gibt es nicht. Für den Künstler Zoran Petrović ist diese Karikatur, eine von etwa 400 in dem Buch "Pandemische Welt-Schau", seine vielleicht wichtigste.

Als die Corona-Pandemie weltweit die ersten hohen Infektionszahlen verursacht hatte, schon Tausende gestorben waren, nahm er seinen Stift in die Hand und begann, seine Empfindungen, seine Fragen und politische Meinung zu Papier zu bringen. "Quarantäne-Tagebuch" nannte er diese Bilder. Viele andere Künstler haben genau das Gleiche getan: Stimmungen eingefangen und sie zu Papier gebracht. Daraus entstand eine Sammlung von Cartoons und Karikaturen, an der sich Künstler aus der ganzen Welt, von Australien über Venezuela bis nach Lettland, beteiligt haben.

Petrović kennt viele Künstler aus der Szene. Der gebürtige Serbier lebt heute in Karlsruhe und arbeitete zuvor viel an Skulpturen. Den zarten Bleistiftstrichen für seine Zeichnungen steht die Arbeit mit der Kettensäge an tonnenschweren Baumstämmen gegenüber. Seine Arbeiten zur Corona-Pandemie schickte er an unzählige deutsche Verlage. "Aber da wollte niemand etwas veröffentlichen", erzählt er. Der österreichische Verlag Benevento zeigte sich interessiert, Petrović trommelte seine Kollegen zusammen. "Das war dann wie eine Kettenreaktion, die sich durch die Länder zog", sagt er. Jeder Künstler sandte zwischen zehn und 20 Arbeiten ein. Der Verlag wählte die letztlich im Buch erschienenen Zeichnungen und Cartoons aus.

Einige Karikaturen haben große Originalbilder als Grundlage, wie etwa Edvard Munchs "Schrei", bei dem der Karikaturist eine Welle aus Viren hinzugefügt hat und den Ruf: "Fass Dir nicht ins Gesicht". Auch Vermeers "Mädchen mit dem Perlenohrring" ist in dem Buch abgebildet, allerdings in einer Version, in der das Mädchen schüchtern, aber auch hoffnungsvoll über die Schulter schaut – ihr Gesicht ist zum Teil von einer Maske bedeckt. Viele Bilder regen zum Interpretieren und längeren Betrachten an. "Nehmen Sie zehn Karikaturen und Sie werden auf die Frage, was dargestellt wird, zwanzig Antworten bekommen", sagt Petrović. Denn genau das sei es, was die Zeichnungen ausmache: der verborgene Inhalt, der sich erst auf den zweiten und auch dritten Blick erschließt.

Die Coronavirus-Pandemie beschäftigt seit Monaten die ganze Welt. "Egal wie oder wo wir leben, egal, wie wir diese schweren Zeiten erleben, mit Karikaturen kann man das Leben leichter machen", ist Künstler Zoran Petrović überzeugt. Deshalb sei er nicht nur stolz, Teil des Projektes "Pandemische Welt-Schau" zu sein, sondern auch darauf, wie viele "exzellente Künstler" in dem Buch vertreten sind. "Es sind grandiose Künstler dabei, wahrscheinlich die besten der Welt", sagt er.

"Fast jeden Tag gezeichnet"

Alles habe mit der Toilettenpapier-Panik begonnen, erzählt Petrović. Das sei ihm so absurd und gleichzeitig so witzig vorgekommen, dass er eine Zeichnung anfertigte. "Ich habe dann fast jeden Tag gezeichnet. Ich hatte Angst vor dem Virus, wie jeder andere auch, habe viele Nachrichten gesehen und mich auch mit den Verschwörungstheorien und Corona-Leugnern beschäftigt", sagt der Künstler. Der Wunsch, diese Bilder mit anderen zu teilen, denen es ähnlich gehe, sei groß gewesen.

Der Berliner Künstler Hans Koppelredder hat zur Veröffentlichung seiner Arbeiten ebenfalls Social-Media-Kanäle genutzt. Der Verlag Benevento, der das Buch herausgebracht hat, kam auf ihn zu und nahm vier seiner Arbeiten mit auf. "Das Buch ist ein kleines Zeichen in dieser schwierigen Zeit, aber es zeigt auch, dass die Welt noch gemeinsam lachen kann", sagt er. Jedem Konflikt tue es gut, ein wenig Humor in die Krise zu bringen. Das sei mit diesem Buch gelungen. "Es kann Mut machen und Probleme vielleicht auch relativieren", sagt Koppelredder.

"Buch ist Zeugnis unserer Zeit"

Auch für die Politik sieht er in dieser Form der Verarbeitung Chancen. Ob Putin, Trump oder Merkel – viele Karikaturisten haben die Staatsoberhäupter in ihren Bildern aufgegriffen. Nicht jeder kommt dabei gut weg. Das Buch zeige genau, wie die einzelnen Länder auf die Pandemie blicken, wie politisch mit dem Thema umgegangen wird und welche Hürden jeweils genommen werden müssen. "Der internationale Vergleich ist auch in Sachen Humor-Stile extrem interessant: Es scheint so, dass deutsche Cartoons derzeit verstärkt aufs Wortspiel setzen", beobachtete Koppelredder. In der "Pandemischen Welt-Schau" dagegen werde statt einer phonetischen Nähe der Begriffe häufig eher die visuelle Nähe der Dinge gezeigt. Vieles komme sogar ganz ohne Worte aus, vieles sei dabei ästhetisch sehr anspruchsvoll und wenig auf Klamauk aus.

Der Schachspieler, der dem Tod gegenübersitzt, hat seinen ersten Zug noch nicht getan. Doch der Tod wartet auf eine Chance, das Spiel zu beginnen. So scheint es zumindest. Zoran Petrović weiß manchmal nicht mehr, wie ein Bild letztlich entstanden ist. Die Stille dieser Zeit habe die Kunst in dieser Form möglich gemacht, sie inspiriert. Und er ist sich sicher: "Die Welt, wie wir sie kannten, die wird es danach nicht mehr geben." Dennoch keimt nicht nur in ihm, sondern auch in den Bildern immer wieder Hoffnung auf. Denn: "Eine kleine Botschaft ist immer da."

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Zoran Petrović
  • Gespräch mit Hans Koppelredder
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