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Zum journalistischen Leitbild von t-online.25 Jahre "Harry Potter" Rufus Beck: "Ich bin sozusagen der Papa"
Seit 25 Jahren begeistert "Harry Potter" Fantasy-Fans in Deutschland. Rufus Beck hat den Hörbüchern einen eigenen Zauber verliehen. Ein Gespräch über J.K. Rowling, Dobby und die Kunst des Sprechens.
Im Sommer 1998 begann das, was Rufus Beck heute eine "unfassbare Erfolgsgeschichte, die wahrscheinlich so nicht mehr getoppt werden kann", nennt. "Harry Potter und der Stein der Weisen" kam in deutscher Übersetzung in die Buchläden und löste einen "Riesen-Erfolg" aus. Am 26. August wird das 25-jährige Jubiläum des Beginns der siebenteiligen Buchreihe von J.K. Rowling unter dem Titel "Back to Hogwarts" auf dem Hamburger Rathausmarkt gefeiert.
Im Gespräch mit t-online verrät Rufus Beck – der Schauspieler, der den "Harry Potter"-Hörbüchern seine Stimme verlieh –, warum die Geschichte heute noch so aktuell ist wie damals, wie er zur Autorin und zu Hassrede steht und wie er jede Figur zu etwas Besonderem macht. Außerdem spricht er über seine persönliche Geschichte.
t-online: Sind Sie aufgeregt vor der Jubiläumsveranstaltung und dem Rekordversuch, mehr als 997 als Harry Potter verkleidete Menschen auf dem Rathausplatz in Hamburg zu versammeln?
Rufus Beck: Aufgeregt bin ich nicht. Ich freue mich. Leider gibt es nicht mehr die Möglichkeit, mit einem "Harry Potter"-Programm aufzutreten, weil die Aufführungsrechte nicht mehr vergeben wurden.
"Hate Speech und Empörungskultur sind mir fremd."
Früher aber, da standen Sie mit der Autorin auf der Bühne. Für viele Fans steht Harry Potter für die Repräsentation weiblicher Rollen und Minderheiten. Trotzdem geriet J.K. Rowling in den letzten Jahren besonders wegen Transfeindlichkeit in die Kritik. Hat sich Ihr Verhältnis dadurch verändert?
Überhaupt nicht. Sie ist eine großartige Schriftstellerin. Sie hat eine Meinung und die kann man akzeptieren oder man kann anderer Meinung sein. Hate Speech und Empörungskultur sind mir vollkommen fremd.
Auch Ihre Interpretation der Figur Cho Chang kam bei einigen Fans nicht so gut an, weil der verliehene Akzent anti-asiatischen Rassismus verkörpere. Wie gehen Sie mit dieser Kritik um, sprechen Sie die Figur auch heute noch so?
Ja.
Dirigent, Komponist und Instrumentalist in einem
Neben den kritischen Stimmen gibt es vor allem begeisterte Fans der Hörbücher. Sie schaffen es als Sprecher, den einzelnen Figuren und den unterschiedlichen Stimmungen jeweils etwas Besonderes und Individuelles zu verleihen. Wie machen Sie das?
Ich behandle ein Buch wie eine Partitur, wie ein Musikstück, und überlege, wo ich Pausen mache, wo ich Tempo ansetze, wo der Blickwinkel ist, wo er sich verändert. Das habe ich in meinem Kopf. Ich sehe einen Text und kann sofort entscheiden, was interessant ist und wie ich den Text gestalten kann. Es ist das Wichtigste, dass jemand zuhört und dass Bilder entstehen.
Führen Sie den Text wie ein Dirigent sein Orchester?
Ich bin eher Dirigent, Komponist und Instrumentalist in einem.
Gibt es Figuren, die Ihnen schwerer gefallen sind, solche, die genervt haben oder die Sie besonders herausgefordert haben?
Alle Figuren haben ihre Berechtigung. Eine Figur wie der Hauself Dobby, der masochistisch veranlagt ist und unglaublich jammert – dass der nervt, ist klar. Er ist als Charakter so geschrieben, dass alle mitleidig sind. Gleichzeitig will man nicht zu viel Zeit mit ihm verbringen. Diese Figur muss so klingen, dass sie nervt, dass man sie nicht lange aushalten kann. Es ist meine Aufgabe, das umzusetzen. Ich habe Spaß, die Bilder der Geschichten zu erzählen, ich bin sozusagen der Papa.
Haben Sie als "Papa" das Gefühl, dass "Harry Potter" immer noch aktuell für Kinder ist oder wächst Ihr Publikum mit?
Beides. Das Publikum wird älter. Sie haben als Kinder "Harry Potter" gelesen oder gehört und später hören Sie das Hörbuch wieder mit Ihren Kindern. Bei "Harry Potter" geht es um das Erwachsenenwerden. Es ist ein Epos und dauert hundertfünfzig Stunden. Und es ist gute Literatur, und gute Literatur bleibt. Sonst würden wir heute nicht immer noch Klassiker lesen.
"'Harry Potter' bleibt wie ein Pokal im Regal"
Sie selbst sind im Internat aufgewachsen und sagen, dass Sie sich deshalb mit Harry Potters Geschichte identifizieren können. Worin zeigt sich das?
Ich weiß, wie man sich fühlt, wenn man sich abseits der Eltern eine Familie suchen muss. Die Internats-Familie ist dann die eine Familie, und die biologische Familie die andere. Ich weiß, wie viel Resilienz, Widerstand und Lebenskraft man braucht. Leben im Internat heißt, dass man autark sein muss, die richtigen Freunde finden – und Feinde meiden. Insofern verstehe ich Harry sehr gut. Das ist der Grund, warum ich die Geschichte so an mich herangelassen habe und umgekehrt die Geschichte so gut zu mir passte.
Wünschen Sie sich manchmal, die Figuren anders zu sprechen, eine Rolle neu zu deuten oder etwas völlig Neues einzubauen?
Nein, "Harry Potter" ist abgeschlossen. "Harry Potter" ist "Harry Potter". Und jetzt gibt es andere Projekte, die kommen. "Harry Potter" bleibt wie ein Pokal im Regal. "Harry Potter" lebt weiter. Das wird weiter bestehen, auch wenn es mich nicht mehr gibt.
- Gespräch zwischen Rufus Beck und t-online
- Pressematerial zum 25. "Harry Potter"-Jubiläum