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Wegen Corona-Krise: Den deutschen Kinos droht ein Massensterben


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Stillstand durch Corona
Den deutschen Kinos droht ein Massensterben


Aktualisiert am 28.03.2020Lesedauer: 5 Min.
Soll im November 2020 in die Kinos kommen: Hier ein Szenenbild aus dem neuen James-Bond-Film "Keine Zeit zu sterben"Vergrößern des Bildes
Soll im November 2020 in die Kinos kommen: Hier ein Szenenbild aus dem neuen James-Bond-Film "Keine Zeit zu sterben" (Quelle: imago-images-bilder)

Die Coronavirus-Krise trifft die Filmwirtschaft in Deutschland mit voller Wucht. Produktionen sind eingefroren und Kinos geschlossen. Wie es weitergeht: völlig unklar.

Die erste Jahreshälfte ist für Kinos eine umsatzstarke, wichtige Zeit – zahlreiche namhafte Produktionen laufen, die Menschen zieht es in den kalten Monaten auf die Kinosessel. Nächste Woche, am 2. April, sollte der letzte "James Bond"-Film mit Daniel Craig die großen Leinwände in Deutschland erobern. Der letzte 007-Streifen landete 2015 mit über sieben Millionen Kinobesuchern auf Platz drei der Kinocharts in Deutschland, es ist eine Erfolgsmarke, die zuverlässig die Kassen klingeln lässt. Doch das Coronavirus ließ diesen Termin platzen – so wie den von unzähligen weiteren betroffenen Produktionen, die derzeit nicht das Licht der Welt erblicken.

Im Zuge der Corona-Krise wurden deutschlandweit alle Kinos geschlossen – auf unbestimmte Zeit. Der Hauptverband Deutscher Filmtheater (kurz: HDF) geht davon aus, dass für die deutschen Kinos mit einem wöchentlichen Umsatzverlust von 17 Millionen Euro zu rechnen ist – eine existenzielle Bedrohung für den Kinobetrieb im Land.

"Dieser Stillstand wird uns lange beschäftigen"

Christine Berg, Vorstandsvorsitzende des HDF, sagt im Interview mit t-online.de: "Die aktuelle Krise ist ein historisch nie dagewesener Einschnitt für die Kinobranche in Deutschland."

Tatsächlich hat es eine solche Situation in Deutschland noch nicht gegeben. Zuletzt gab es während des 2. Weltkrieges eine längerfristige Schließzeit für Filmtheater – doch sonst waren Kinos auch in schwierigen Zeiten Begegnungsstätten. Christine Berg räumt im Gespräch ein, sich mit drastischen Vergleichen schwer zu tun und doch findet sie klare Worte: "Wirtschaftlich gesehen ist es noch viel extremer als in den Zeiten des 2.Weltkrieges, denn damals haben die Kinos wenigstens noch eine Zeit lang öffnen können."

Die Bundesregierung hat reagiert und ein Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht, das ebenfalls historische Dimensionen hat. Es hätte "kulturpolitische Priorität" jetzt neben Kinos auch alle weiteren Kultureinrichtungen und Künstler zu retten. Hilfsgelder in Milliardenhöhe wurden beschlossen, die Kurzarbeit auf den Weg gebracht, an weiteren Fördermaßnahmen werde in den Ministerien "unter Hochdruck gearbeitet".

Hilfen, die die Kinos dankend annehmen und doch ist unklar, ob sie ausreichen werden. So sei die Kurzarbeit zwar ein gutes Hilfsprogramm, aber es schließe einen nicht unerheblichen Anteil der Beschäftigten aus – die Mini-Jobber: "Wir fordern, dass es auch für Mini-Jobber Unterstützung gibt. Damit wir diese Beschäftigten halten können", so Christine Berg.

Auch das große Hilfsprogramm mit seinen millionenschweren Zuschüssen sei von Außen betrachtet eine gute Sache: Betriebe mit weniger als zehn Beschäftigten und Unternehmen mit über 250 Mitarbeitern werden unterstützt. "Da fallen Kinos voll durchs Raster – das kann nicht sein. Kinos haben oft zwischen 10 und 250 Mitarbeiter und diese werden von dem Hilfsprogramm der Bundesregierung nicht berücksichtigt." Es müsse nachjustiert werden, weil der "gesunde Mittelstand, das Rückgrat Deutschlands, leer ausgeht".

Eine Ausdünnung der Branche steht im Raum

Für die Zukunft ahnt Berg Schlimmes: "Dies würde Deutschland das Rückgrat brechen, weil keiner weiß, wie lange die Krise anhält." Die Ungewissheit der Krisendauer umtreibt nicht nur Kinos, doch sie sind Teil einer Kulturbranche, die unter diesem Stillstand besonders leidet. Wer heute nicht ins Kino geht, wird das morgen nicht nachholen – erst recht nicht mehrfach. Dass Mitarbeiter gekündigt werden müssen, ganze Spielstätte schließen – eine Frage der Zeit.

"Wir haben die Befürchtung, dass eine Ausdünnung stattfindet", so Christine Berg im Gespräch mit t-online.de. Welche Kinos die Krise überleben, hänge von den Rücklagen der Betreiber ab – doch mehr "als ein halbes Jahr" könne kein Kino in Deutschland ohne Spielbetrieb überstehen.

Der Stillstand werde lange Zeit nachhallen. Auch bei einer Wiedereröffnung der Spielstätten sei von einem Zeitraum von mindestens drei Monaten auszugehen, in denen die Menschen nicht sofort wieder in Kinos gehen werden. Zumal das Coronavirus im Sommer nicht verschwunden sein wird. Ob Menschen in naher Zukunft wieder den Drang verspüren werden, sich in engen Kinosälen zu tümmeln, bezweifelt auch Christine Berg: "Das wird eine harte Zeit für die Kinos."

Die deutsche Kinolandschaft ist vielfältig, ob Lichtspielhäuser auf dem Land oder Multiplex-Kinos in den Städten: Doch sollten durch das Hilfsprogramm der Bundesregierung bestimmte Kinos gefördert werden und andere nicht, bricht im Zweifel auch die Diversität der Begegnungsstätten weg. Ein Problem, das wiederum Auswirkungen für kleine Filmproduktionen haben kann, die davon abhängig sind, in Programmkinos gezeigt zu werden.

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Produzierendes Filmgewerbe jäh gestoppt

Überall in Deutschland mussten Dreharbeiten abgebrochen werden, genau wie den Kinos und den Verleihern drohen ihnen Millionenverluste. Filmförderanstalten in Deutschland wollen der Branche in der Corona-Krise deshalb ebenfalls unter die Arme greifen. Vorgesehen seien dafür 15 Millionen Euro. Wenn zum Beispiel Dreharbeiten für bereits geförderte Projekte wegen der Pandemie abgebrochen werden müssen, sollen Förderdarlehen nicht zurückgezahlt werden müssen.

Und nicht geförderte Filme, die dann im Herbst mit einem zu erwartenden Film-Stau in Konkurrenz treten? Ihnen droht gar ein Komplettausfall. Im Gespräch mit t-online.de weiß Gregor Erler, Regisseur des Kinofilms "Der letzte Mieter", gar nicht, wo er anfangen soll: "Es wurden bereits Gelder für Marketing und Werbung ausgegeben, es gab konkrete Spielzeiten in den Kinos, man hatte schon diverse Promo-Termine und dann bricht das von einem auf den nächsten Tag für unbestimmte Zeit weg. Das ist nur schwer in Worte zu fassen."

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Vier bis fünf Jahre habe er an seinem Debütfilm gearbeitet. "Der letzte Mieter" ist ohne TV-Senderbeteiligung entstanden – eine sehr ungewöhnliche Konstellation in der sehr durch Förderungen geprägten deutschen Filmlandschaft und keine gute Voraussetzung, einen Sendeplatz im deutschen Fernsehen zu bekommen. Die Corona-Krise fühle sich für ihn an, "wie in einem dystopischen Endzeit-Film, wo man morgens auf die Straße tritt und die gesamte Stadt plötzlich menschenleer ist".

Internationale Produktionen hätten keine Probleme jetzt in Richtung großer Streaminganbieter abzuwandern – Filme wie "The Hunt", "Der Unsichtbare", "Emma" oder "Trolls World Tour" machen es vor. Der Verleiher Universal umgeht die Kinos und handelt mit Netflix, Amazon und Co. Deals aus. Doch für eine kleine Produktion wie "Der letzte Mieter" sei der Video-on-Demand-Sektor "kein Selbstläufer", so Erler.

"Wann hört das auf?"

"Da niemand weiß, wann die Kinos wieder öffnen dürfen, gibt es auch überhaupt keine Planbarkeit. Und es ist auch klar, dass sich schon jetzt ein 'Film-Stau' entwickelt und auf zu wenige Leinwände, zu viele Filmproduktionen warten."

Auf die deutsche Kino- und Filmwirtschaft kommen harte Zeiten zu. Die Gesprächspartner in unserem Text betonen mehrfach, dass die Gesundheit der Menschen im Vordergrund stehen müsse. Und doch bringt Gregor Erler die Ungewissheit der Menschen aus seiner Perspektive auf den Punkt, wenn er sagt: "Man sieht sich um, und fragt sich – wann kommt das alles wieder, wann hört das auf – und niemand antwortet. Das ist schon gruselig."

Verwendete Quellen
  • Interview mit Christine Berg
  • Interview mit Gregor Erler
  • Interview mit Matthias Ziesing
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