Kinostart "Pets" Interview mit "Snowball" Fahri Yardim
Fahri Yardim zählt zur überaus prominenten Synchronbesetzung von "Pets", dem neuen Animationsspaß der "Minions"-Macher von Illumination Entertainment. Wir sprachen mit dem "Tatort"-Star über seine Rolle, seine Pläne und wie es ist, als Schauspieler mit Migrationshintergrund in Deutschland zu drehen.
In "Pets" wird gezeigt, was die netten Haustiere so alles treiben, wenn Frauchen und Herrchen das traute Heim verlassen haben. Yardim spricht das Psycho-Häschen Snowball, das eine Gruppe verstoßener Tiere anführt, die sich an den Menschen rächen wollen.
t-online.de: Was hast du gedacht, als man dir angeboten hat, einem – auf den ersten Blick - süßen Kaninchen die Stimme zu leihen?
Fahri Yardim: Süß ist Snowball leider nur auf den ersten Blick. Man merkt schnell, dass unter dem puscheligen Äußeren ein tief frustrierter Typ steckt, der sich an der Welt rächen will. Natürlich denke ich, wie kommen die für diese Rolle auf mich? Aber letztendlich fand ich gerade diese Kombination aus meiner Whisky-Piraten-Stimme und diesem kleinen, puscheligen Kaninchen schön, der Knacks macht ihn aus.
Du hast auch Rocket Raccoon in "Guardians of the Galaxy" gesprochen. Bist du jetzt der Spezialist für durchgeknallte Kuscheltiere?
Im Moment scheint sich so etwas anzubahnen (lacht). Es wird irgendwie mit meiner Stimme zu tun haben. Aber da musst du andere fragen. Natürlich wundert es mich, dass ich auf einmal die "dreckigen“ Charaktere übernehmen soll, ich hielt mich immer für charmant. Andererseits ist es eine Freude, es sind die dankbarsten Figuren. Und gerade Snowball ist im Herzen ja ein ganz weicher Bursche.
Aber du fühlst dich schon wohl mit diesen schrägen Charakteren. Auch deine "Tatort"-Rolle ist für die eher lustigen und abseitigen Momente zuständig …
Was soll man machen? Das Leben ist leider lustig. Wenn du genau darüber nachdenkst, dann hat das hier alles schon groteske Züge. Ich pflege ein eher absurdes Verhältnis zum Leben mit seinen Freuden und Brüchen. Meine bisherige Biografie lebt vom ständigen Knacksen und ist durchweg von Uneindeutigkeiten gekennzeichnet. Wenn sich das in meinen Rollen wiederspiegelt, dann in diesen Kontrastcharakteren, die gerne etwas Liebeswertes in sich tragen, aber auch mit den Härten des Lebens umgehen müssen. Scheinbar liegt mir der Spagat.
Snowball ist nicht die einzige schräge Figur, der einzige schräge Einfall in "Pets“. Sowieso haben die Filme aus den Illumination-Studios so einen ganz speziellen Stil, der sie von anderen Animationsfilmen unterscheidet. Kannst du erklären, was das Besondere an ihnen ist?
Die trauen sich bei Illumination mehr. Sie trauen sich, über die Grenzen der eher biederen Unterhaltung und des Einheitsbreis hinauszugehen und sind dabei wahnsinnig fantasievoll in ihrer Radikalität. Und Kinder erfreuen sich an diesem Wagemut genauso wie Erwachsene. Ich mag das Spannungsverhältnis zwischen lustiger Unterhaltung und fantastischer Ideen. Auch wenn man sich "Pets“ dreimal anschaut, entdeckt man immer wieder neue liebevolle Details.
"Pets" ist ein technisch perfekter Film. Und er ist mit höchst prominenten deutschen Synchronsprechern besetzt. Wie wichtig ist es bei einem an sich schon guten Film, mit den Sprechern noch einen drauf zu setzen?
Ich weiß nicht, ob das nötig ist. Und es muss natürlich passen. Und bei "Pets“ passt es wunderbar. Die "Bekanntheit“ der Stimmen bietet ja eine ganz eigene Assoziation beim Hören, das kann den schrillen Figuren durchaus eine besondere Charakterlichkeit verleihen.
Snowball wird in der US-Synchro von Starkomiker Kevin Hart gesprochen. War das für dich eine Herausforderung?
Natürlich! Er hatte es aber einfacher. Er durfte die Rolle einsprechen, und die Animation orientierte sich dann an seinem Spiel. Bei mir war es anders herum. Er war für mich die Inspirationsquelle, die Orientierungshilfe, der ich versucht habe nachzukommen. Aber gleichzeitig bleibt es etwas Eigenes. Deutsch hat anderen Flair und eine andere Tonalität. Das Ergebnis ist ein Gemisch aus Harts lebendigen Vorgaben und der eigenen Inszenierung.
Hart ist Afro-Amerikaner. Nach den letzten Oscars kritisierten viele Schwarze, dass die Rollen, die ihnen angeboten werden, immer noch sehr von überholten Stereotypen geprägt seien. Wie siehst du als Schauspieler mit Migrationshintergrund die Situation in Deutschland?
Ich bin eher die Ausnahme, die die Regel bestätigt. Meine Palette hat sich glücklicherweise bunt gehalten. Aber es gibt auch in Deutschland bei der Besetzung immer noch starke stereotype Denkweisen. Da wird teilweise fantasielos und altbacken besetzt. Das, was wir häufig sehen, hinkt einem modernen Deutschlandbild hinterher. Die Realität ist bunter als auf den Leinwänden.
Aber auch bei einigen deiner Rollen wird ja der Migrationshintergrund thematisiert …
Gerade bei den prominenten Rollen sehe ich das eher nicht so. Wenn man sich den "Tatort“ anschaut: Yalcin Gümer hat zwar einen Migrationshintergrund, aber die Persönlichkeit steht im Vordergrund – wenn überhaupt Verortung stattfindet, dann als Hamburger, Yalcin ist ein klassischer Matrose. Der Migrationshintergrund wird nicht unnötig breit in den Vordergrund gezerrt. Er verliert sich in Selbstverständlichkeit. Dann stört mich das auch nicht.
Meinst du, dass in Deutschland die Macher von Filmen oder TV-Serien sich generell mehr mit der zunehmenden Fremdenfeindlichkeit auseinandersetzen sollten? Aufklärungsarbeit leisten sollten?
Das einzufordern ist mir zu didaktisch. Aber die Thematisierung von Zeitgeschehen oder allgemein von relevanteren Themen würde mich schon freuen. Ich bin im politischen Milieu groß geworden, und ich würde mir wünschen, dass sich der Film wieder traut, politischer zu werden. Das wird an gewissen Stellen durchaus gemacht, wenn man sich zum Beispiel die NSU-Trilogie der ARD anguckt. So etwas wird zwar nicht immer prominent mit offenen Armen begrüßt, aber ich freue mich jedes Mal, wenn es geschieht und wünsche mir mehr davon. Das traue ich dem deutschen Film zu, dass er unterhalten kann und gleichzeitig gesellschaftlich relevant bleibt.
Was sind deine nächsten Projekte? Über die Maxdome-Serie mit Ulmen darfst du wahrscheinlich nicht reden ...
Darüber ist einfach noch nicht viel bekannt. Abgedreht habe ich gerade "Jugend ohne Gott“, eine moderne Horváth-Adaption mit einem jungen, wundervollen Cast. "Winnetou“ kommt Ende des Jahres, die große Western-Trilogie. Die ist toll geworden mit fantastischen Bildern. Ansonsten will ich erstmal ein bisschen kürzer treten.
Warum dürfen unsere Leser „Pets“ auf keinen Fall verpassen?
Ein ganz einfacher Grund: Wenn ich in eine gute Komödie gehe, will ich lachen. Und ich bin bei "Pets“ an vielen Stellen umgeknickt vor Lachen. Es ist einfach fantastische Unterhaltung. Und ob man Haustiere hat oder nicht, spielt dabei keine Rolle, aber es ist natürlich hilfreich. Man sieht Tiere anders, wenn man aus dem Kino kommt. Vielleicht ist ja der eigene Pudel ein Heavy-Metal-Fan?!
Das Interview führte Marc Thomé.
Kinostart "Pets": 28. Juli 2016