Film Familiendrama: "Wer hat eigentlich die Liebe erfunden?"
Hamburg (dpa) - Es ist ein bemerkenswertes Ensemble, das die Regisseurin Kerstin Polte für ihr Spielfilmdebüt gewinnen konnte: In der Tragikomödie "Wer hat eigentlich die Liebe erfunden?" sind unter anderem Meret Becker und Corinna Harfouch in Hauptrollen zu sehen.
Im Zentrum der Geschehnisse allerdings steht die kleine Jo (Annalee Ranft), die nicht bloß durch einen Sturz aus dem Fenster ihren geliebten Kater, sondern auch nach und nach ihre Familie verliert.
Einen Vater gab es in ihrem Leben nie, ihre Mutter Alex (Becker) vernachlässigt sie infolge einer schweren Midlife-Crisis, und ihre Großeltern Charlotte (Harfouch) und Paul (Karl Kranzkowski) reden kaum noch ein Wort miteinander. Als die angespannte Familiensituation an ihrem Geburtstag eskaliert, beschließen Jo und Großmutter Charlotte gemeinsam wegzufahren.
Dafür lässt Charlotte einfach ihren Ehemann an der nächsten Tankstelle stehen und Jo schleicht sich unbemerkt aus dem Zimmer. Gemeinsam geht es an die Nordsee - genauer gesagt: in die ungewöhnliche "Pension Hörster". Ihnen auf den Fersen sind indes Alex und Paul, die sich gemeinsam mit der charismatischen Truckerin Marion (Sabine Timoteo) ebenfalls auf den Weg in Richtung Küste begeben.
Da es in "Wer hat eigentlich die Liebe erfunden?" auch in gewisser Weise um einen aus dem Ruder laufenden Roadtrip geht, den Polte nicht zuletzt mit einigen technischen Finessen spickt, kam der Filmverleih nicht umhin, den Film als "Mischung aus "Little Miss Sunshine" und "Die fabelhafte Welt der Amélie"" anzukündigen. Das ist auf den ersten Blick gar nicht so falsch. Doch anders als die genannten Beispiele fehlt es "Wer hat eigentlich die Liebe erfunden?" sowohl an der verspielten Leichtigkeit einer Amélie, als auch der Warmherzigkeit einer Außenseitergeschichte wie "Little Miss Sunshine".
Mit seiner verkopften Attitüde erscheint Poltes Film bisweilen sogar wie das ultimative Beispiel dafür, weshalb das deutsche Arthouse-Kino in seinem bemühten Anspruch um Kunst und Relevanz von vielen (Gelegenheits-)Kinogängern verpönt ist. Denn - so ehrlich muss man sein - Spaß macht "Wer hat eigentlich die Liebe erfunden?" nicht und genauso wenig berührt er trotz seiner durchaus tiefgreifenden, emotionalen Themen.
Es geht um den Glauben an Gott, um Alzheimer, um Lebenskrisen und um homosexuelle Liebe. Gerade zu Letzterem findet Kerstin Polte beeindruckende, von Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit geprägte Bilder. Leider lässt sich dieses inszenatorische Fingerspitzengefühl immer nur vereinzelt ausmachen. Die Regisseurin versucht sich sichtbar, vom technischen Schuss-Gegenschuss-Einheitsbrei der Konkurrenz abzuheben und bemüht sich um visuelle Spielereien; etwa, wenn sich die Kamera schon mal um 180 Grad um Menschen in leeren Räumen dreht. Mal stehen die Bilder auf dem Kopf, ein anderes Mal führen Türen buchstäblich ins Leere - Symbolismus eben.
Doch egal wie viel Konzept hinter solch aufwendig konzipierten Einzelszenen auch stecken mag: Am Ende verliert Polte die Belange ihrer Figuren (allesamt solide verkörpert von deutschen Schauspiel-Großkalibern) aus den Augen und interessante Ansätze wie die Figur des außergewöhnlichen Hörster, der den Film potenziell um einige Erzählebenen erweitern könnte, verpuffen. Den schalen Ausruf, ob das nun "Kunst ist, oder weg kann", wollen wir an dieser Stelle zwar nicht bemühen. Am Ende jedoch muss man für Filme wie diesen wohl gemacht sein, um hinter all dem Stil auch die Substanz zu erkennen.
- Wer hat eigentlich die Liebe erfunden?, Deutschland/Schweiz 2018, 90 Min., FSK o.A., mit Corinna Harfouch, Meret Becker, Karl Kranzkowski, Bruno Cathomas