Wirre Zeiten in Berlin Wenn selbst Campino Merkel die Daumen drückt
In diesen wirren Zeiten wärmt auch Zuspruch von unerwarteter Seite: Die geschäftsführende Bundeskanzlerin darf sich über warme Worte eines Altpunks freuen.
Campino, der Sänger der Toten Hosen, hat Angela Merkel zum Durchhalten ermutigt, das ist nett von ihm. Er hoffe, dass die drohenden Neuwahlen noch abgewendet werden können, sagte er in einem Radiointerview, und falls es doch dazu komme, sehe er keine Alternative, wer das Kanzlerinnenamt an ihrer Stelle übernehmen sollte: "Diese Person auszutauschen, das wäre für mich das Zeichen, dass die Bundesrepublik Deutschland sich selber zerlegen möchte".
Letzte Wortmeldung war eher garstig
Diese altersmilden Einlassungen sind um so bemerkenswerter, weil seine letzte öffentliche Kommunikation mit Merkel und der CDU eher garstig im Tonfall war. 2013 hatte die Partei ihren Wahlsieg mit dem Toten-Hosen-Song "Tage wie diese" öffentlich zelebriert, es war eine groteske Schunkelei der CDU-Granden, Merkel klatschte musikantenstadlhaft neben dem Rhythmus, Volker Kauder sang gar mit.
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen Youtube-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren Youtube-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
"Uns persönlich kam die Darbietung eher wie ein Autounfall vor: Nicht schön, aber man schaut trotzdem hin", posteten die Toten Hosen daraufhin auf ihrer Facebookseite. Auf jeden Fall sei eines klar: "Das grausam vorgetragene Lied war immer noch mit Abstand die beste Leistung, die die CDU in letzter Zeit hervorgebracht hat."
"Unanständig, dass unsere Musik im Wahlkampf läuft"
Schon vorher hatte sich die Band darüber empört, dass "Tage wie diese" häufig ungefragt und unerlaubt auf Wahlkampfveranstaltungen (nicht nur der CDU) gelaufen sei: "Wir empfinden es als unanständig und unkorrekt, dass unsere Musik auf politischen Wahlkampfveranstaltungen läuft. Die Gefahr, dass Menschen auf die Idee kommen können, dass es eine Verbindung zwischen der Band und den dort beworbenen Inhalten gibt, macht uns wütend."
Vielleicht wurde die Saat der Merkel-Sympathie bei Campino allerdings gesät, als die Kanzlerin ein paar Tage nach dem vergröhlten Siegessong persönlich bei ihm anrief. "Herr Campino, ich rufe an, weil wir letzten Sonntag so auf Ihrem Lied herumgetrampelt sind", habe sie gesagt, erzählt der Sänger in einer Bandbiografie – und dass er sich keine Sorgen machen müsse, der Song könne das nächste offizielle CDU-Lied werden.
Unterstützung ist gut, Hymnen sind besser
Aber vielleicht haben die Toten Hosen dafür ja noch andere geeignete Werke im Repertoire? Denn unterstützende Worte sind gut – Hymnen sind besser. Nun ist es ja leider zu spät, um einen gemeinschafts-aufzwängenden, bonding-mäßigen Soundtrack für die Jamaika-Sondierungsgespräche auszusuchen, im Rückblick wäre der alte Hosen-Lunger-und-Gammel-Klassiker "Verschwende deine Zeit" vielleicht eine schöne Untermalung gewesen.
Für interne CDU/CSU-Parteiquerelen böte sich in diesen komplizierten Tagen ein Medley aus zwei großen Hosen-Hits an, "Bonnie und Clyde" und "Alles aus Liebe". Klar, "Angie und Horst", das rumpelt zugegebenermaßen erst ein bisschen, könnte aber in einen fulminanten Refrain münden: "Unsere Liebe soll ein Sprengsatz sein/der ständig explodiert/du bist Angie, ich bin Horst." Und dann schön überblenden in "Und alles nur, weil ich dich liebe/Und ich nicht weiß, wie ich's beweisen soll/Komm, ich zeig dir, wie groß meine Liebe ist/Und stimme mich für dich um."
Falls sich allerdings wirklich gar nichts mehr bewegt und die Wähler im Frühjahr erneut an die Urne gebeten werden, um eine Regierung zusammenzuklöppeln, haben die Toten Hosen praktischerweise auch schon ein Lied im Repertoire, das mit geringfügigen Änderungen für mehr CDU-Prozente werben könnte: "Schieb die Wahl, schieb die Wahl, schieb die Wahl zurück ins Mehr".