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Biathlon WM 2020 - Greis über DSV-Damen: "Finde nicht, dass es sehr gut läuft"


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Greis über DSV-Biathletinnen
"Mitschwimmen reicht nicht. Die Erwartungen sind andere“

  • T-Online
InterviewVon Alexander Kohne

Aktualisiert am 14.02.2020Lesedauer: 5 Min.
Biathlon-Aufbauarbeit: Michael Greis (l.) ist seit dieser Saison Trainer des polnischen Damenteams und versucht, dieses näher an die Weltspitze heranzubringen.Vergrößern des Bildes
Biathlon-Aufbauarbeit: Michael Greis (l.) ist seit dieser Saison Trainer des polnischen Damenteams und versucht, dieses näher an die Weltspitze heranzubringen. (Quelle: t-online)

Als Aktiver gehörte Michael Greis zu den besten deutschen Biathleten überhaupt. Mittlerweile leistet er Aufbauarbeit als Trainer der Polinnen. Im Interview erklärt der 43-Jährige seine Motivation und wirft einen Blick aufs deutsche Team.

Mit drei Goldmedaillen wurde Michael Greis zum Star der Olympischen Spiele 2006 in Turin. Beinahe exakt 14 Jahre später kehrt er zu einem weiteren Großereignis nach Italien zurück – und zwar zur Biathlon-WM in Antholz. Mittlerweile betreut Greis das polnische Damenteam, für das mit dem Sprint heute (ab 14.45 im Liveticker von t-online.de) der erste Einzelwettbewerb ansteht.

t-online.de: Herr Greis, Sie sind seit gut einem halben Jahr Trainer der polnischen Damen. Wie gut ist Ihr Polnisch eigentlich?

Michael Greis: Ein paar Wörter kann ich. Hoch, runter, links, rechts, eins, zwei, drei, vier, fünf – aber da hört es auch bald schon auf. Manchmal reicht es, um das Team etwas zu belustigen. Mit umfangreicheren Polnischkenntnissen kann ich aber noch nicht glänzen (lacht). Das meiste machen wir deshalb auf Englisch.

Michael Greis startete zwischen 2001 und 2012 im Biathlon-Weltcup und holte in dieser Zeit 21 Siege und drei WM-Titel. Höhepunkt seiner Karriere waren die Olympischen Spiele 2006, bei denen der Allgäuer dreimal Gold gewann. Später wurde er zum Sportler des Jahres gewählt. Mittlerweile arbeitet Greis als Trainer des polnischen Damenteams.

Warum sind Sie überhaupt zum polnischen Team gewechselt?

Zuvor war ich Cheftrainer der US-amerikanischen Mannschaft. Dann hat sich die Chance zum Wechsel ergeben und ich bin sehr glücklich darüber, diese ergriffen zu haben. Die Mädels sind charakterlich einwandfrei und haben einfach einen großen Willen. Da ist Sport noch richtig was wert. Außerdem war es auch leistungsmäßig ein großer Sprung, da die Polinnen mannschaftlich deutlich besser sind als die USA. Eine Mannschaftsstärke wie die Deutschen haben wir aber natürlich noch nicht.

Monika Hojnisz-Starega war zuletzt öfters in den Top 10 und auch Kamila Zuk hat einige gute Ergebnisse erzielt. Wie bewerten Sie den bisherigen Saisonverlauf?

Ich bin grundsätzlich zufrieden, auch wenn unser junges Team noch viel dazulernen muss. Kamila ist gut in die Saison gestartet und hat besonders die Sprints gut durchgebracht. Wenn viermal geschossen wird, hat sie allerdings so ihre Probleme gehabt. Monika hatte im Dezember gesundheitlich etwas zu kämpfen, weil sie ein bisschen anfällig für Infekte ist. Hinten raus ist sie dann immer besser reingekommen – und die Krönung war Platz vier im letzten Rennen in Pokljuka. Deshalb traue ich ihr auch bei der WM einiges zu. Eine Top-8-Platzierung sollte drin sein – und wäre auch sehr wichtig, denn unter anderem anhand des Abschneidens bei der WM wird die staatliche Förderung durch das Sportministerium bestimmt.

Wie ist denn der Stellenwert von Biathlon in Polen im Vergleich zu Deutschland?

Biathlon ist hier schon deutlich kleiner. Es gibt keine großen Stadien wie in Deutschland und auch keine Weltcup-Veranstaltungen. Im Fernsehen werden die Rennen zwar übertragen, ich kenne die Einschaltquoten allerdings nicht. Die Wintersportart Nummer eins ist ganz klar Skispringen. Das ist richtig groß. Da hat Polen mit Kamil Stoch und Dawid Kubacki richtig starke Leute und auch eine ganz andere Historie als im Biathlon.

Stoch und Kubacki sind in Polen die Gesichter ihrer Sportart – ebenso wie Laura Dahlmeier es in Deutschland für Biathlon war. Im Sommer ist Dahlmeier zurückgetreten. Vor der Saison haben Sie darin eine große Chance für das deutsche Frauenteam gesehen. Hat es diese genutzt?

Naja – ich finde nicht, dass es momentan sehr gut läuft. Sie tun sich insgesamt schon schwer, auch wenn einige immer mal wieder herausstechen. Denise Herrmann macht natürlich sehr gute Rennen. Franziska Preuß hat auch gezeigt, dass es bei ihr klappen kann. Aber sie war oft nicht ganz gesund. Vanessa Hinz hat einige ordentliche Ergebnisse gebracht, aber sie ist keine Siegläuferin wie Laura Dahlmeier. Dennoch ist sie gerade bei Rennen mit vier Schießen immer mal gut dafür, vorne mitzuschwimmen. Aber nur vorne mitschwimmen reicht eben nicht. Die Erwartungen an ein deutsches Team sind halt andere. Wenn nur zwei Athletinnen bleiben, die in den Podiumsbereich kommen können und eine davon ein bisschen kränkelt, dann wird es schwierig.

Herrmann gilt als große Hoffnungsträgerin. Trauen Sie ihr eine so starke WM wie 2019 in Östersund zu, als sie drei Medaillen geholt hat?

Klar. Für Denise sind auf jeden Fall drei Medaillen drin – vielleicht sogar mehr. Ich habe mir erst vor einigen Tagen die Laufzeiten im vergangenen Jahr in Antholz angeschaut. Im Sprint war Denise da die Schnellste. Die Strecke liegt ihr also. Allerdings hat sie auch einen gewissen Druck, da von ihr mit Abstand am meisten erwartet wird. Sie ist die Einzige im deutschen Team, die aus eigener Kraft in den Einzelwettbewerben Gold holen kann.

Wer sind ihre größten Konkurrentinnen?

Zuerst einmal Tiril Eckhoff, die im Weltcup schon sechs Einzelrennen gewonnen hat. Sie war läuferisch immer schon sehr stark und trifft auf einmal auch alles am Schießstand. Das ist schon beachtenswert. Da ist die Leistung von Marte Olsbü Roiseland fast etwas untergegangen. Aber auch sie ist top. Dazu kommt mit Ingrid Landmark Tandrevold eine dritte Norwegerin, die zwischenzeitlich auch schon ganz nah dran war am Gelben Trikot der Weltcupführenden. Und natürlich Dorothea Wierer und Lisa Vitozzi. Sie stehen bei ihrem Heimspiel in Italien besonders im Fokus. Beide haben wie wir in Obertilliach trainiert und da hat man schon gemerkt, dass sie sich eine Menge vorgenommen haben. Die wollen unbedingt was reißen bei der Heim-WM.

Nur drei der fünf deutschen Athletinnen im WM-Kader haben die WM-Norm erreicht. Wie steht es da um die Qualität der deutschen Damenstaffel?

Da hatten wir natürlich schon bessere Zeiten. Aber: Sogar die Norwegerinnen haben Probleme auf der vierten Position. Und die Italienerinnen haben staffelmäßig gar keine Chance, weil nach Wierer und Vitozzi nicht viel kommt. Von daher würde ich die Deutschen nicht abschreiben. Eine Medaille wird da ganz klar das Ziel sein.

Kommen wir zur Herren-Konkurrenz. Da schaut alles auf Johannes Thingnes Bö, der in dieser Saison trotz Babypause schon sechs Einzelrennen gewonnen hat. Ist der überhaupt zu schlagen?

Er hat zuletzt läuferisch jedenfalls ein paar Probleme gehabt. Beim letzten Rennen in Pokljuka konnte ihn Benni (Doll, Anm. d. Red.) richtig abkochen. Aber Bö ist natürlich ein unglaublicher Dominator. Manchmal denkt man sogar: Trainieren die anderen gar nicht? Das ist schon hart, wenn er teilweise so deutlich besser ist. Aber: Die anderen Jungs sind gut. Wirklich gut. Das kann ich aus eigener Erfahrung sagen. Zudem schiebt sich das Feld zur WM erfahrungsgemäß etwas näher zusammen, weil sich alle speziell vorbereiten und mit einem entsprechenden Mindset starten. Klar wird es schwierig, schneller zu laufen als Bö. Aber die wichtigere Frage ist, ob er am Schießstand wirklich so stabil ist.

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Kann Bö so ein Meisterstück wie Dahlmeier 2017 mit fünf WM-Goldmedaillen schaffen?

Wenn er in jedem Wettkampf über 90 Prozent seiner Schüsse ins Ziel bringt, ist das theoretisch schon drin. Ich glaub’s aber nicht. Dazu ist er zu wackelig. Das hat man im letzten Jahr bei der WM in Östersund ja auch gesehen. Nach zweimal Gold in den Rennen zuvor ist er in der Verfolgung in Führung liegend allein zum letzten Schießen gekommen und hat den Sieg da völlig überraschend vergeben. Bö hat eben Schwächen wie jeder andere auch. Außerdem gibt es ja noch Martin Fourcade, der in dieser Saison auch schon fünfmal gewonnen hat und im Weltcup vorne liegt. Alle anderen werden von Bös und Fourcades Fehlern abhängig sein.

Wie sehen Sie das deutsche Team um Arnd Peiffer und Benedikt Doll?

Arnd ist absolut kein Spezialist für den 20-km-Einzel, mag diesen eigentlich gar nicht. Dennoch hat er bei der letzten WM in Östersund in dieser Disziplin Gold geholt. Das zeigt: Wenn’s mal läuft, ist für Arnd in jeder Disziplin Gold drin. Ebenso wie für Benni, der das bei der WM 2017 mit seinem Sprint-Gold ebenfalls gezeigt hat. An dem richtigen Tag ist Platz eins machbar – da müssen sie die anderen erstmal schlagen.

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