Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Johannes Kühn So funktioniert die deutsche Biathlon-WG in Östersund
Während der Biathlon-WM in Östersund wohnen die deutschen Herren gemeinsam in einem Haus. Johannes Kühn erklärt, wie die ungewöhnliche WG funktioniert, warum Medaillen für ihn nicht alles sind und wie das perfekte Foto der WM aussieht.
t-online.de: Herr Kühn, Sie sind passionierter Hobby-Fotograf. Wenn die WM ein Bild wäre, wie würde es idealerweise für Sie aussehen?
Johannes Kühn: Gute Frage. (überlegt) Das wäre ein Abendrennen, der Beginn im Massenstart, bei dem 30 Herren voll lossprinten – und zwar vor komplett gefüllten Zuschauerrängen mit den Flutlicht-Scheinwerfern im Hintergrund. So ein Bild würde ich mir ziemlich cool vorstellen.
Johannes Kühn startet seit 2012 im Biathlon-Weltcup. Sein bestes Ergebnis ist Platz zwei im Einzel in Pokljuka 2018. Außerdem wurde der 27-Jährige Staffel-Europameister und zweimal Deutscher Meister. Weitere Infos gibt es auf seiner neuen Homepage.
Wie wäre es mit einem Bild von Ihnen mit einer Medaille um den Hals oder auf einem WM-Podest?
Nein, so weit möchte ich wirklich noch nicht denken.
Allerdings sind Sie bereits Deutscher Meister und Europameister. Wie wäre es jetzt mal mit einem Weltmeistertitel?
Dazu würde ich natürlich nicht nein sagen (lacht). Aber es ist wirklich schwierig, hier eine Goldmedaille zu gewinnen – das muss man ganz realistisch so betrachten. Dazu müsste bei mir alles perfekt laufen und die Favoriten müssten straucheln.
Im ersten Rennen, dem Sprint, hatten Sie beim Schießen etwas Pech und sind auf Platz 23 gelandet. Was haben Sie sich jetzt noch bei der WM vorgenommen? Eine Medaille vielleicht?
Nein, es ist nicht mein oberstes Ziel, eine Medaille zu gewinnen. Das möchte jeder gerne, aber das ist nicht alles. Für mich ist das Wichtigste, einfach gute Rennen zu machen. Das möchte ich gar nicht unbedingt an Platzierungen festmachen: Wenn ich für mich sagen kann, dass ich einen super Tag in der Loipe gehabt und super geschossen habe, bin ich zufrieden.
Und wie steht es mit Ihren Zielen heute (ab 16.30 Uhr im Liveticker von t-online.de) in der Verfolgung?
In den Top-15 möchte ich im Verfolger auf jeden Fall landen. Mit null Fehlern am Schießstand und einem top Tag in der Loipe ist sogar noch mehr möglich.
Wie steht es mit der Herren-Staffel?
Wenn man in der Staffel läuft, dann ist es da wahrscheinlich noch "einfacher", eine Medaille zu gewinnen. Aber bei der hohen Leistungsdichte bei uns im Team ist es eben sehr schwierig, dort eingesetzt zu werden.
Immerhin sind Sie im Gesamtweltcup drittbester Deutscher. Gehen Sie davon aus, in der Staffel dabei zu sein?
Ehrlich gesagt mache ich mir darüber keine großen Gedanken. Ich schaue jetzt erstmal auf die Verfolgung. Alles was danach passiert, werden wir sehen. Außerdem ist die Staffel eines der letzten Rennen – bis dahin kann noch ganz, ganz viel passieren.
Viel passiert ist auch in Ihrer bisherigen Weltcupsaison: Nach einem furiosen Start mit Platz zwei im Einzel in Pokljuka lief es zwischenzeitlich nicht mehr so rund. Wie würden Sie den Saisonverlauf in Nachhinein beschreiben?
Ein Superstart und dann leider ein Stück nachgelassen. Vor Weihnachten war ich nicht schnell genug, nach Weihnachten habe ich in einigen Rennen zu viele Schießfehler drin gehabt. Manchmal hing das an Kleinigkeiten. Aber zuletzt ist es wieder besser geworden – und meine Form ist, sowohl am Schießstand als auch in der Loipe, aktuell gut.
Im Weltcup hat der norwegische Superstar Johannes Thingnes Bö bisher total dominiert und auch zum Start nach der der Mixed-Staffel und auch im Sprint gewonnen. Räumt er jetzt alle weiteren drei WM-Einzelmedaillen ab?
Nein. Er wird noch etwas gewinnen, aber sicher nicht alles. Da alle Athleten bei einem Großereignis wie der WM besonders motiviert sind, wird er sicher nicht so dominieren wie bisher im Weltcup.
Was meinen Sie damit konkret?
Bö ist für mich, nach seinem Sprint-Sieg, auch im Massenstart Top-Favorit, weil er Schießfehler aufgrund seines außergewöhnlichen läuferischen Potenzials kompensieren kann. Dazu ist er ein schneller Stehendschütze ist. In Verfolgung und Einzel wird es dagegen schwieriger.
Was für ein Typ ist der denn so?
Er ist ein netter Typ, der im normalen Trainingsalltag eher unauffällig unterwegs ist. Ich habe das Gefühl, dass er ein bisschen ruhiger geworden ist. Früher war er fast ein bisschen ein Hallodri, sehr unbeschwert und unbekümmert. Jetzt merkt er allerdings auch, dass er als Gesamtweltcup-Führender einen gewissen Rucksack zu tragen hat und die Erwartungshaltung steigt.
Zum Abschluss zur Unterbringung hier in Östersund. Das deutsche Herren-Team wohnt gemeinsam in einem Haus. Wie läuft das so ab?
Das ist schon ein bisschen WG-mäßig. Wir wohnen zu sechst in einem Haus in der Nähe der Anlage. So etwas ist für uns zwar nicht alltäglich, aber auch nicht komplett neu. In den vergangenen Jahren hatten wir beispielsweise immer einen Vorbereitungslehrgang in Norwegen, während dem wir in Hütten zusammengewohnt haben. Dort wo wir aktuell untergebracht sind, wohnen normalerweise vierköpfige Familien. Es ist aber trotzdem groß genug, weil man sich nicht nur in den eigenen Zimmern, sondern beispielsweise auch im Aufenthaltsraum oder in der Küche aufhalten kann. Und wir sind ja alle alt genug, um das zwei Wochen lang auf die Reihe zu bekommen (lacht).
- DSV-Star Doll: "Fourcade war zuletzt schon ziemlich angefressen"
- Anzeige: Hausbesuch bei einer Legende: So wohnt der Hackl Schorsch
- Die Biathlon-WM in Östersund: Alle Rennen im Überblick
Sind Ihnen in diesem WG-Leben denn bisher besondere Eigenarten oder Ticks bei Ihren Kollegen aufgefallen?
Nein, ehrlich gesagt sind alle ziemlich unkompliziert (lacht). Aber natürlich gibt es wenig Wiederspruch, wenn Erik Lesser und Arnd Peiffer als Älteste sagen: „Jetzt wird zusammengeräumt“ (lacht).