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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Erstrunden-Aus bei US Open Ernsthaft, Angie?
Angelique Kerber ist in der ersten Runde der US Open ausgeschieden. Das Ergebnis ist enttäuschend, nicht nur für sie, sondern auch für ihre Fans. Doch was viel schlimmer wiegt: ihre trotzige, fast arrogante Einstellung.
Angelique Kerber war im Himmel. Besser, im Olymp angekommen. Kaum mehr als ein Jahr ist es her, dass Deutschlands beste Tennisspielerin in Wimbledon triumphierte. In zwei Sätzen ließ die Kielerin der weltbesten Spielerin der vergangenen zwanzig Jahre, Serena Williams, keine Chance und erfüllte sich ihren Kindheitstraum.
Keine Spur von Tristesse
Von dieser Kerber scheint nichts übrig zu sein. Angelique Kerber ist, nach vielen Aufs und Abs in ihrer Karriere, am tiefsten Punkt seit Jahren angekommen. Das klägliche Scheitern bei den US Open ist das Resultat einer verheerenden Entwicklung, die vor circa einem Jahr einsetzte.
Damals schied Kerber in Runde drei der US Open aus. Was wie ein Ausrutscher anmutete, stellte sich als Anfang einer Abwärtsspirale heraus. Kurz darauf trennte sie sich von ihrem Coach Wim Fissette. Mit Rainer Schüttler kam zur neuen Saison zwar ein neuer Trainer, doch die Serie enttäuschender Ergebnisse setzte sich insgesamt fort. Im Juli musste auch Schüttler wieder gehen.
Anstatt sich erneut einen Coach zu suchen, blieb Kerber führungslos – und ihre Ergebnisse wurden schlechter. Die Folgen: Auftaktpleiten im August in Toronto, Cincinnati – und nun eben New York.
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Kerber hat Recht, wenn sie sagt, dass sie niemandem mehr etwas beweisen muss. Dennoch muss sie sich den Vorwurf der Beratungsresistenz gefallen lassen.
Sätze wie "Ich kann mir keinen Vorwurf machen" und "Ich habe alles gegeben" waren und sind bei der besten deutschen Spielerin Programm. Tennis-Größen wie Boris Becker und Steffi Graf bezeichneten ihre Teilnahme ohne Trainer als fahrlässig. "Wenn jetzt nicht der Groschen gefallen ist, wann dann", kritisierte Becker nach ihrem jetzigen Ausscheiden bei Eurosport. "Ich kann nicht ganz verstehen, dass sie hier ohne Trainer angetreten ist. Alle Top-Ten-Spielerinnen haben hier einen Coach an ihrer Seite."
Kerbers Reaktion? Trotz. Am fehlenden Trainer habe es nicht gelegen. Zudem verwies sie auf ihre bisherigen Erfolge. "Wenn ich zurückschaue, stehen da die drei Grand Slams", sagte Kerber, "und die werden da auch immer stehen." Ernsthaft, Angie?
Die richtigen Schlüsse
Kerber zeigt sich mehr als trotzig, ja fast ignorant. Sie macht nach außen den Eindruck, sich nicht helfen lassen zu wollen. Dabei müsste sie es besser wissen: Schon in der Vergangenheit durchlief Kerber immer wieder kürzere sportliche Krisen, doch schaffte sie mit und vor allem dank ihrer Trainer die Wende.
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Welche Schlüsse Kerber aus den desolaten Ergebnissen der vergangenen Wochen nun zieht, davon werden wohl vorerst nur sie und ihr engster Kreis erfahren. Sie sollte ihre Einstellung ändern und nicht hinter jedem gut gemeinten Rat gleich einen Besserwisser sehen. Sonst könnte es mit den Hochs ihrer Karriere endgültig vorbei und – maximal – der Durchschnitt die neue Realität sein.