Bilanz von Kittel, Greipel und Co. So lief die Tour de France für die Deutschen
Von Christoph Sicars
Mehrfach schlug Marcel Kittel (Etixx-Quick-Step) wütend auf den Lenker seiner edlen Rennmaschine. Rund 35 Kilometer vor dem Ziel der Schlussetappe der 103. Tour de France musste sich der deutsche Topsprinter wie in einem schlechten Film gefühlt haben.
Ein Defekt am Hinterrad zwang Kittel zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt zum Stopp. Doch auch die Ersatzmaschine war kaputt - mit brachialer Wucht feuerte Kittel das Rad auf den Pariser Asphalt.
Ohne die Hilfe eines Teamkollegen - Sprintzug-Lokomotive Tony Martin hatte zu allem Übel das Rennen nur wenige Kilometer zuvor aufgeben müssen - kämpfte sich Kittel mit einem enormen Kraftaufwand durch die Wagenkolonne zurück in das auf rund eine Minute davongezogene Feld.
Körner fehlen im Finale
Körner, die dem 28 Jahre alten Thüringer, Sieger der vierten Etappe in Limoges, im Finale der Schlussetappe letztlich fehlten. Der Sprint Royal fand ohne Kittel statt - der seinen Siegen 2013 und 2014 auf dem Pariser Prachtboulevard keinen weiteren Triumph hinzufügen konnte.
Dafür jubelte erneut Landsmann André Greipel (Lotto-Soudal) wie im Vorjahr über den prestigeprächtigen Sieg in der französischen Hauptstadt und polierte die deutsche Tour-Bilanz 2016 auf immerhin zwei Siege auf.
Greipel: "Hatte Höhen und Tiefen"
"Ich hatte Höhen und Tiefen bei dieser Tour de France. Wir haben es immer wieder versucht, aber nie war es erfolgreich. Heute hatten wir einen super Plan und ich bin so unglaublich stolz, dass es sich für mich und mein Team ausgezahlt hat", bilanzierte Greipel.
Auch in der Gesamtbilanz fiel die deutsche Ausbeute mit den zwei Etappensiegen etwas magerer aus als in den Vorjahren. Seit 2011 konnten deutsche Fahrer stets mehr als zwei Tagessiege einfahren - 2014 (sieben Etappensiege) und 2015 (sechs) war man sogar erfolgreichste Nation bei der "Großen Schleife".
Buchmann macht Hoffnung für die Zukunft
Dennoch vertraten die zwölf am 2. Juli in Mont-Saint-Michel an den Start gegangenen deutschen Tour-Fahrer ihre Nation würdig. Der Rostocker Paul Voß (Bora-Argon 18) fuhr gleich zu Beginn in das Gepunktete Trikot des besten Bergfahrers. Sein Teamkollege Emanuel Buchmann zeigte vor allem in den Bergen sein enormes Talent, zeigte sich oft in der Gruppe mit den Großen seiner Zunft und beendete die Rundfahrt letztlich als Gesamt-21.
"Natürlich wäre mir ein Top-20-Platz lieber, aber auch der 21. ist o.k. für mich", sagte Buchmann und fügte an: "Es war auch eine ganz andere Tour als letztes Jahr für mich. Diesmal musste ich von Anfang an, jeden Tag, voll konzentriert sein und auch auf den Flachetappen vorne reinhalten, um keine Zeit zu verlieren."
Martin mit Licht und Schatten
Ebenfalls mit gemischten Gefühlen tritt der auf der Schlussetappe als einziger deutscher Starter vorzeitig ausgestiegene Martin die Heimreise aus Frankreich an. Der dreimalige Zeitfahr-Weltmeister kassierte zwar beim Kampf gegen die Uhr der 13. Etappe eine herbe Schlappe, zeigte sich aber mehrfach in Ausreißergruppen.
Mit seinem französischen Etixx-Teamkollegen Julian Alaphilippe sorgte Martin zudem für ein Novum in der Tour-Geschichte. Nach ihrem Fluchtversuch zu zweit auf der 16. Etappe bekam das Duo bei der Siegerehrung gemeinsam die Rote Startnummer für den kämpferischsten Fahrer verliehen.
Degenkolb auch ohne Sieg "mega zufrieden"
Auf seinen ersten Tour-Etappensieg muss indes John Degenkolb (Giant-Alpecin) weiter warten. Doch nach seinem schweren Trainingsunfall im Januar hatten nur wenige den Klassiker-Spezialisten bei dieser Tour auf der Rechnung.
Zwei vierte Plätze standen für Degenkolb dennoch am Ende zu Buche. "Ich bin mega zufrieden. Das Ziel war, wieder vorne mit reinzufahren und in den Sprints was zu zeigen. Das habe ich zweimal geschafft", resümierte der 26-Jährige.
Alles in allem gaben die die deutschen Fahrer trotz der zurückgegangen Erfolgsbilanz ein zufriedenstellendes Bild auf den Straßen Frankreichs ab. Und wenn sich Kittel und Co. ein paar Körner für die Tour 2017 aufgehoben haben, sind deutsche Radsportfans darüber gewiss nicht traurig, Am 1. Juli heißt es nämlich dann: Grand Départ in Düsseldorf.