Tour de France Die Tour der Leiden
Eine Tour-Anekdote von Oliver Strerath
Danach war klar, warum es Tour der Leiden heißt. Nicht nur für die Rennfahrer der Tour de France. Auch für die Fans entlang der Strecke. Das Jahr 1997. Die 13. Etappe. Zielankunft im legendären L’Alpe d’Huez, das der selbsterklärte Radsport-Experte mit vier Mitstreitern und einem Camper schon zwei Tage vorher ansteuert.
Gemütlich tuckern wir die 21 Kehren im Anstieg hinauf in den Wintersportort in den französischen Alpen. Gelegenheit, sich einen guten Platz für den Renntag auszugucken. Mit Erfolg. Kurz vor der vorletzten Kehre reihe ich mich ins dichte Spalier der Fans aus aller Welt ein. Jetzt heißt es Warten. Für Stunden. Doch die Menge vertreibt sich die Zeit. Ärgert die Hostessen aus der Werbekarawane, die in der Menschmenge immer wieder zum Stillstand kommt.
Der Fuß ist so blau wie der Schuh
Endlich, der Hubschrauber des französischen Fernsehens kündigt den ersten Fahrer an. Es ist Marco Pantani, der die Etappe gewinnt und in einer Zeit von 37:35 Minuten den Anstieg so schnell hochpowert, wie bisher keiner vor oder nach ihm. Kurz darauf taucht das Gelbe Trikot auf: Jan Ullrich trägt es. Er wuchtet sich durch die schmale Gasse, die ihm die Fans gewähren. Breit genug für einen Radfahrer. Nicht aber für ein Auto. Dann passiert es.
"Aua! Der Unterste war meiner", fluche ich dem offiziellen Tour-Fahrzeug hinterher, das gerade meinen rechten Fuß platt gefahren hat. Das Reifenprofil ist auf meinen blauen Turnschuh gut erkennen. Mein Fuß nahm danach übrigens dieselbe Farbe an.
"Quäl dich du Sau!"
Das Rennen ist vorbei. Nicht aber die Tour der Leiden für mich. Ich humpel zu unserem Camper zurück und merke, dass es ich nicht nur unten weh tut, sondern auch oben. Als wir angekommen waren in den Alpen, zeigt das Thermometer Temperaturen knapp über null Grad an. Von der Sonne keine Spur. Am Etappentag aber scheint sie. Und wirkt auf 1850 Meter Höhe deutlich stärker als im Flachland – besonders auf meinem lichten Kopf, den ich natürlich nicht geschützt habe. Weder mit Sonnencreme. Noch mit einer Kappe. Als selbsterklärter Radsport-Experte muss man eben auch Opfer erbringen. Mit einem tierischen Sonnenbrand und kaputten Fuß geht es zurück in die Heimat.
Aufgabe – die gibt es bei der Tour nur wegen triftiger Gründe. Fünf Tage nach dem Abenteuer in L’Alpe d’Huez geht es also ins Elsass, an den Grand Ballon. Die ersten Fahrer kommen. Ullrich fährt vorbei. Auch Udo Bölts, der brüllt: "Quäl dich du Sau!" War das an mich gerichtet? Ich habe mir seine Ansage während der Tour de France 1997 jedenfalls zu Herzen genommen.
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