Radsport Wird Jan Ullrich jetzt viermaliger Toursieger?
So schnell kann das gehen: Auf einen Schlag könnte Jan Ullrich viermaliger Sieger der Tour de France werden, nachdem Rekordsieger Lance Armstrong erklärt hat, im Prozess mit der US-Doping-Agentur USADA aufzugeben. Die Behörde hat bereits alle Ergebnisse des Amerikaners seit 1998 gestrichen und ihn lebenslang gesperrt.
Doch wie realistisch sind damit die Chancen Ullrichs, der 2000, 2001 und 2003 hinter Armstrong jeweils den zweiten Platz belegte, in den Siegerlisten aufzurücken?
UCI plädiert wohl für Verjährung
Vorweg: nicht all zu gut. Denn das letzte Wort hat die UCI. Zwar sagt USADA-Chef Travis Tygart, dass der Radsport-Weltverband als Unterzeichner des Welt-Anti-Doping-Codes verpflichtet sei, "unsere Entscheidung anzuerkennen". Doch wenn bei Armstrong die gleiche achtjährige Verjährungsfrist gilt wie bei dem geständigen dänischen Toursieger Bjarne Riis, dürfte nur sein letzter Erfolg 2005 in Gefahr sein.
Nach seinem Doping-Geständnis im Jahr 2007 hatte der Tour-Organisator ASO Riis' Toursieg von 1996 aberkannt. Daraufhin intervenierte die UCI und machte die Verjährungsregel geltend. Der renommierte Heidelberger Sportrechtler Michael Lehner glaubt, dass der Fall Armstrong ähnlich enden wird. "Ich bin erstaunt darüber, dass nicht erörtert wird, dass es eigentlich nach WADA-Code eine achtjährige Verjährungsfrist gibt", betonte er.
Doping-Vergangenheit nicht gerade rosig
Zudem sieht auch Ullrichs Doping-Vergangenheit ("Ich habe nie jemanden betrogen") nicht gerade rosig aus. Gegen den Toursieger von 1997 wurde staatsanwaltschaftlich wegen Dopings ermittelt. Die drohenden Verfahren fanden nur deshalb nicht statt, weil Ullrich eine Geldsumme für wohltätige Zwecke gestiftet hatte.
Im Rahmen der Fuentes-Affäre war der inzwischen 38-Jährige dann im Februar diesen Jahres vom Internationalen Sportgerichtshof CAS wegen nachgewiesenen Dopings für zwei Jahre bis zum 22. August 2013 gesperrt worden.
"Bin stolz auf meine zweiten Plätze"
Auch Ullrich selbst will nichts davon wissen, nachträglich zum Sieger erklärt zu werden. "Ich schaue nicht auf diese Titel, ich verfolge das Verfahren gegen Lance Armstrong auch nicht intensiv. Ich bin stolz auf meine zweiten Plätze", sagte er dem "Tagesspiegel".
Eine Resthoffnung bleibt jedoch. "Wenn der Fall tatsächlich eintritt, werde ich mich dazu äußern. Bis dahin ist das Spekulation.“
Sörgel: "In den Top Ten dürften alle gedopt gewesen sein"
Derweil sprach sich der deutsche Anti-Doping-Experte Fritz Sörgel vehement gegen eine mögliche Weitergabe der Tour-Siege aus, sollten sie Armstrong doch aberkannt werden. "Das wäre lächerlich. Die Top Ten dürften alle gedopt gewesen sein", erklärte er und brachte eine neue Variante ins Spiel. "Ist doch nichts dabei, in den Annalen zu schreiben: "Kein Sieger".