Kreuzbandriss in Rio 2016 Wie ein deutscher Athlet zur weltweiten Inspiration wurde
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Er wurde in Rio de Janeiro kein Olympiasieger, turnte sich dennoch in die Herzen der Fans – mit Kreuzbandriss. Vor dem diesjährigen Event in Paris berichtet Andreas Toba von seinem emotionalen Moment.
Olympische Spiele, Rio de Janeiro 2016: Andreas Toba turnt am Boden im Teamwettbewerb seine Eröffnungsbahn, als er plötzlich zusammenbricht. Er hält sich sein rechtes Knie, wird von Ärzten weggebracht und behandelt. Diagnose kurz danach: eine komplexe Knieverletzung, unter anderem mit einem Riss des vorderen Kreuzbandes und einer Verletzung des Innenmeniskus.
Eigentlich wären an dieser Stelle die Spiele für Toba beendet gewesen. Trotzdem trat der gebürtige Niedersachse noch einmal an, wollte als Teil des Teams das Mannschaftsfinale erreichen. Unter Tränen turnte er am Pauschenpferd, seine Mannschaft kam in die Endrunde und Toba ging als "Hero de Janeiro" in die Geschichtsbücher ein.
Schmerzmittel? "Das war nicht der Fall"
Ein Moment, der bei den Zuschauern Gänsehaut hervorrief. Und bei Toba selbst? "Ich hatte zu diesem Zeitpunkt keine Schmerzen, das kam erst deutlich später nach dem Wettkampf. Ich weiß nicht, ob es am Adrenalin lag. Im Nachhinein wurden auch Theorien aufgestellt, dass ich mit Schmerzmitteln vollgepumpt gewesen sei. Das war nicht der Fall", sagt der Turner t-online.
Die Entscheidung, mit Verletzung noch einmal ans Gerät zu gehen, traf der Athlet selbst. "Ich habe ziemlich schnell gefragt, ob die Jungs schon am Pferd waren. Ich wusste, dass meine Übung am Pauschenpferd wichtig für die Mannschaftswertung sein würde. Ich habe die Verantwortlichen überredet, damit ich noch am Pferd turnen durfte."
"In meinen Augen ist es bis heute nichts Besonderes"
Mit Erfolg. Denn die deutsche Mannschaft zog ins Finale ein, landete dort auf dem siebten Platz. Und wer Andreas Toba bis zu diesem Zeitpunkt nicht kannte, dem war er seit dieser Leistung ein Begriff. Weltweit machte der deutsche Turner Schlagzeilen. So schrieb ein australisches Newsportal: "Dieser Turner hat sich nach einem mutigen Opferakt, um seinen Teamkollegen zu helfen, als einer der ersten wahren Helden der Olympischen Spiele in Rio herausgestellt." Für den inzwischen 33 Jahre alten Athleten war es eine Selbstverständlichkeit.
"In dem Moment war mir nicht bewusst, was für eine Außenwirkung die Übung hatte. Mir ging es auch nicht um Aufmerksamkeit. Wir hatten uns als Team das Ziel gesetzt, ins Mannschaftsfinale zu kommen, und ich wollte mein Mögliches dazu beitragen. In meinen Augen ist es bis heute nichts Besonderes, dass ich weitergeturnt habe", sagt Toba. Doch dass seine Leistung vielleicht außergewöhnlicher war als selbst angenommen, zeigten ihm damals schon die Reaktionen von Freunden und Bekannten.
"Unzählige Nachrichten, die ich nie geschafft habe, zu beantworten"
"Ich hatte auf dem Handy so viele Nachrichten, dass mein Akku leer war, als ich aus dem Wettkampfraum rausgegangen bin. Es waren unzählige Nachrichten, die ich letztlich nie geschafft habe, zu beantworten", erzählt Toba.
Er ergänzt: "Ich war nach meiner MRT-Untersuchung irgendwann wieder im olympischen Dorf. Das Adrenalin hatte nachgelassen und ich konnte wieder nachdenken. Als ich auf mein Zimmer gekommen bin, haben wir im Team die Internetseiten durchgelesen und ein sehr guter Freund hat mir ebenfalls geschrieben: 'Andy, du bist überall. Egal, was ich anschalte, ich sehe dein Gesicht auf jedem TV-Sender.' In diesem Moment habe ich das erste Mal das Ausmaß begriffen."
Toba erklärt in Bezug auf das Großereignis Olympia: "Olympische Spiele sind für einen Leistungssportler das High-End-Produkt. Man arbeitet sein ganzes Leben lang darauf hin. Es ist der große Traum. Alle Sportler wollen einmal zu den Olympischen Spielen. Alle Sportler hoffen, dass es klappt und wir uns nicht Extra-Probleme einholen."
Bisher hat Toba an den Olympischen Spielen 2012, 2016 und 2021 teilgenommen. Zuletzt hat er sich erneut das Kreuzband angerissen. Ob er es nach Paris schafft, ist noch nicht klar.
Toba sagt in Bezug auf den Sommer: "Nach dem letzten Jahr, war es schon sehr anstrengend vor allem psychisch wieder voll in Gang zu kommen, aber da mein großes Ziel immer noch die vierte Teilnahme bei den Olympischen Spielen ist, habe ich mich schnell fokussieren können und sehr strikt trainiert. In Paris dabei zu sein, wäre für mich nach den schwierigen, letzten Jahren eine Belohnung für die harte Arbeit, die ich in diesem Jahr und den letzten Jahren investiert habe. Es wäre mein größter Traum es nochmal zu schaffen, weil ich dann ein mal mehr bei den Olympischen Spielen wäre als mein Papa und zweitens, um zu zeigen, dass wenn man wirklich daran glaubt und alles dafür gibt, man sein Ziel erreichen kann."
- Eigenes Interview mit Andreas Toba