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Frankreich nach Olympia 2024: Präsident Macron steht unter Druck


Krise nach Olympia 2024
Jetzt droht der große Knall


Aktualisiert am 12.08.2024Lesedauer: 5 Min.
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Die französische Bronzemedaillengewinnerin Manon Apithy-Brunet: Olympia sorgte für große Euphorie in Frankreich.Vergrößern des Bildes
Die französische Bronzemedaillengewinnerin Manon Apithy-Brunet: Olympia sorgte für große Euphorie in Frankreich. (Quelle: imago-images-bilder)

Nach dem Ende der Olympischen Spiele in Paris taumelt Frankreich zurück in die politische Krise. Präsident Macron steht unter Druck: Er muss nun schnell eine Regierung bilden, um das Olympia-Momentum nicht zu verlieren.

Die Olympischen Spiele in Paris waren auch ein französisches Sommermärchen. Die Stimmung ausgelassen, es war eine große Party. Menschen feierten auf den Straßen, tanzten mit Polizisten oder stimmten bei Public Viewings mit Hunderten Menschen spontan die französische Nationalhymne an. Frankreich ist euphorisiert und erlebt ein neues Wir-Gefühl, heißt es von Beobachtern in Paris.

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Dabei ist die französische Gesellschaft tief gespalten. Rechtsruck, Gelbwestenproteste, schwere Krawalle in einigen französischen Städten Anfang Juli. Viele Französinnen und Franzosen in Paris schafften es in den vergangenen Wochen offenbar, sich von der politischen Realität in ihrem Land abzulenken – eine olympische Atempause. Zu ihnen zählte auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Er war auf den Tribünen allgegenwärtig und zeigte dort die komplette Bandbreite der gängigen Jubelgesten.

Klar: Für Frankreich war Olympia – mit Ausnahme der Reinigung der Seine in Paris – ein organisatorischer und sportlicher Erfolg und Macron versteht es, sich selbst als Kopf hinter den Spielen zu inszenieren und politisch vom Mega-Event zu profitieren.

Aber es geht für Frankreich momentan um mehr, um viel mehr sogar.

Denn das Land hat nach der Wahl Anfang Juli noch immer keine Regierung und Macron wird nun versuchen, die Euphorie im Land zu transportieren, aus einer olympischen Einheit Frankreichs auch eine politische zu machen. Aber ob das gelingt, ist mehr als fraglich. Frankreich droht nach einer Olympia-Euphorie eine Realitätsklatsche.

Macron mit Rückenwind durch Olympia

Macron hatte seinem Land während Olympia quasi eine Demokratiepause verordnet. Die Regierungsbildung sollte erst nach Olympia erfolgen, die Menschen sollten die Spiele verfolgen und die Ministerinnen und Minister der vergangenen Regierung bis dahin geschäftsführend im Amt bleiben. Eine Entscheidung könnte durchaus auf Kritik stoßen, immerhin machen die globalen Krisen auch keine Pause. Im Nahen Osten und in der Ukraine gehen die Kriege weiter und weil eben viele dringende Themen auf dem Tisch liegen, warten die westlichen Partner auf eine neue französische Regierung. Hinzu kommt, dass Frankreich für das kommende Jahr noch einen Haushalt benötigt – die Zeit drängt also.

Die französische Bevölkerung begegnete Macron in den Olympia-Wochen dagegen trotzdem vor allem mit Milde. Keine Selbstverständlichkeit, immerhin war das Bündnis des französischen Präsidenten bei der Europawahl und danach bei der Wahl zur Nationalversammlung abgestraft worden. Aber Olympia brachte dem Präsidenten eine Gnadenfrist.

Macron verbrachte seinen Urlaub eigentlich in der präsidialen Sommerresidenz von Fort Bregançon in Südfrankreich. Doch immer dann, wenn Frankreich Goldmedaillen bekam – und die bekamen die französischen Sportlerinnen und Sportler häufig bei diesen Spielen –, flog er mit dem Privatjet nach Paris. Zu jedem anderen Zeitpunkt in Frankreich stünde Macron wahrscheinlich wegen Steuergeldverschwendung massiv unter Beschuss, aber selbst die französischen Medien sahen keinen Anlass für Kritik an ihrem Vielfliegerpräsidenten.

Auch das ist nicht wirklich eine Überraschung. Frankreich holte insgesamt 64 Medaillen, Deutschland im Vergleich nur 33. Macron schaffte es, vom Glanz seiner erfolgreichen Sportlerinnen und Sportler zu profitieren – und das ist gar nicht mal so unverdient. Macron hatte bei der Organisation der Spiele selbst den Organisationsrahmen bestimmt. Er beschaffte also das Geld und gab seinen Sportverbänden ehrgeizige Medaillenziele vor. Nun feiert er Olympia auch als persönlichen Erfolg "Alle, die nicht an diese Spiele geglaubt haben, haben sich geirrt, sowohl in der Organisation als auch im Sport", sagte Macron in einem Interview mit der Sport-Tageszeitung "L'Équipe". Er zeigte sich darin bewegt von der "Begeisterungsfähigkeit und den Emotionen der Franzosen".

Regierungsbildung ist kompliziert

Kein Wunder also, dass Macron nach einer gewonnenen Medaille seine Athletinnen und Athleten kaum noch loslassen wollte, wenn er ihnen gratulierte. Für ihn war Olympia ein innenpolitischer Sieg nach längerer Durststrecke. Das war auch sein innenpolitisches Ziel. So nutzte der 46-Jährige das internationale Sportevent nicht, um sich mit anderen Staats- und Regierungschefs zu treffen. Er schaute sich seine Sportlerinnen und Sportler bei Wettkämpfen an, ließ sich dabei fotografieren.

Doch eines liegt auf der Hand: Der Erfolg markiert noch lange keine Trendwende.

Macron wird nun versuchen, diese Olympia-Euphorie und das daraus entstandene politische Kapital mit in die Regierungsbildung zu nehmen. Und das wird durchaus kompliziert. Zur Erinnerung: Anders als erwartet hatte bei der Neuwahl zur französischen Nationalversammlung Anfang Juli nicht der rechtsnationale Rassemblement um Marine Le Pen, sondern das Linksbündnis Nouveau Front Populaire den Sieg eingefahren. Macrons Kräfte der Mitte landeten auf Platz zwei. Zwar kann Macron bis zur nächsten Präsidentschaftswahl 2027 im Amt bleiben. Aber durch die veränderten Mehrheiten im Parlament wird das Regieren schwieriger.

Die Wählerinnen und Wähler stellen die Abgeordneten mit dem Ergebnis vor eine große Herausforderung. Keines der Lager verfügt über eine absolute Mehrheit. Für Frankreich, das größere Kompromisse und Koalitionen in der Politik nicht gewohnt ist, ist das eine verzwickte Situation. Erschwerend kommt noch hinzu, dass es auch Macron nicht gewohnt ist, Kompromisse einzugehen.

Das Dilemma ist selbstverschuldet. Macron hatte kurz nach der Wahlniederlage bei der EU-Wahl im Juni die Neuwahlen der französischen Nationalversammlung ausgerufen. Einige westliche Diplomaten kritisierten das im Gespräch mit t-online als "Kurzschlussreaktion". Verfassungsgemäß dürfen mögliche Neuwahlen erst im kommenden Jahr stattfinden, das Land braucht also eine Regierung, die mindestens ein Jahr hält. In dieser Situation keine einfache Aufgabe.

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Olympische Spiele offenbaren politischen Kurs

Die Uneinigkeiten fangen schon bei der Lesart des Wahlergebnisses an. Im linken Lager sieht man einen klaren Regierungsauftrag und echauffiert sich über Macron, der die vorgeschlagene Premierministerin Lucie Castets nicht ins Amt hebt. Der Präsident hingegen deutet an, dass die Wählerschaft eine Zusammenarbeit über politische Lagergrenzen hinweg will – und somit auch seine Kräfte der Mitte Teil der Regierungstruppe sein sollten.

Es wird also schwierig für Frankreichs Staatschef, den aktuellen Rückenwind zu nutzen, das Olympia-Momentum nicht zu verlieren. Wenn das Land nun wieder im politischen Chaos versinkt, ist die gegenwärtige Euphorie so schnell wieder verschwunden, wie sie gekommen ist.

Dabei könnte Olympia für Frankreich in dieser politischen Krise eine Orientierung werden. So war ein Erfolgsgeheimnis dieser Spiele, dass Macrons Élysée-Palast eng mit der Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo von der Sozialistischen Partei zusammengearbeitet hat, obwohl die politischen Gegensätze zwischen beiden sehr groß sind. Dies könnte ein Fingerzeig sein, in welche Richtung es in den kommenden Wochen gehen kann. Die Olympischen Spiele und der entstandene nationale Zusammenhalt könnten ein Vorbild für eine Regierung des nationalen Zusammenhalts sein, die politische Gräben zwischen den bürgerlichen Parteien überwindet.

"Viel Demut an den Tag legen"

Dazu müsste auch Macron kompromissbereiter werden, meinen auch Funktionäre seiner eigenen Partei. Die beigeordnete Landwirtschaftsministerin Agnès Pannier-Runacher etwa dringt auch auf Zugeständnisse des eigenen Lagers. Und die beigeordnete Ministerin für Gleichstellung, Aurore Bergé, gibt gar zu: "Wir müssen den Parlamentswahlergebnissen ins Auge sehen und viel Demut an den Tag legen. Das bedeutet auch, dass der nächste Premierminister nicht aus unseren Reihen stammen kann." Beigeordnete Ministerinnen und Minister sitzen in Macrons Kabinett, sind aber anderen Ministerien unterstellt.

Eine entscheidende Frage wird sein, wer die kommende Regierung als Premier anführen wird. Neben der von den Linken eingebrachten Castets werden etwa der konservative Regionalpräsident Xavier Bertrand, der ehemalige Premier Bernard Cazeneuve und der frühere französische Außenminister und spätere EU-Kommissar Michel Barnier als potenzieller Premier gehandelt. Doch wie schon zuletzt beim noch geschäftsführenden Regierungschef Gabriel Attal könnte Macron auch einen Überraschungskandidaten aus dem Hut zaubern.

Wie könnte eine mögliche Regierung also aussehen? Ziel des Macron-Lagers könnte es zumindest sein, Sozialisten, Grüne und Kommunisten aus ihrem Bündnis mit der linkspopulistischen La France Insoumise herauszulösen. Ob sich das linke Bündnis nach seinem Wahlerfolg nun aufspalten lässt, ist unklar. Bei all der Olympia-Euphorie erwartet Macron also eine politische Kraftanstrengung. Der Ball liegt – um in der Sprache des Sports zu bleiben – in der Hälfte des Präsidenten. Seine Gnadenfrist ist vorbei.

Verwendete Quellen
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