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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Sportler auf Medaillenfang Ein Land wird zur großen Überraschung
In Tokio gewannen die französischen Athleten 33 Medaillen. In Paris sind es vor Ende der Spiele bereits mehr. Wie ist es dazu gekommen?
Aus Paris berichtet Melanie Muschong
Der Schwimmer Leon Marchand kürte sich bereits viermal zum Olympiasieger vor heimischem Publikum. Auch Radsportlerin Pauline Ferrand-Prévot schaffte den Sieg im Cross-Country, ebenso wie die Fechterin Manon Apithy-Brunet. Sie haben als Franzosen Gold in Paris gewonnen.
Drei Beispiele von am Ende schon 54 jubelnden Athleten, die für Frankreich bei Heim-Olympia eine Medaille ergattern konnten. Und obwohl die Olympischen Spiele noch nicht zu Ende und in vollem Gange sind, steht bereits jetzt schon fest: Die französischen Athletinnen und Athleten sind besser und erfolgreicher als bei den letzten Olympischen Spielen in Tokio vor drei Jahren. Hatte die Gesamtbilanz damals bei 33 Medaillen gelegen, hat Frankreich nun schon 54 gewonnen – und die Schlussfeier ist erst in drei Tagen.
"Bis jetzt hat die französische Delegation eine tolle Arbeit geleistet"
Der Erfolg kam allerdings nicht über Nacht, sondern ist Teil eines über Jahre hinweg ausgeklügelten Plans. Auf die Frage, warum Frankreich im Vergleich zu Tokio bei diesen Spielen so gut ist, sagte der Volleyballer Kévin Tillie zu t-online: "Ich weiß nicht, was wir gemacht haben, aber wir haben etwas richtig gemacht. Bis jetzt hat die französische Delegation eine tolle Arbeit geleistet." Er führte aus: "Alle Athleten, die wir im Dorf sehen, holen Medaillen, und wir alle unterstützen uns gegenseitig, pushen uns und grüßen einander."
Er selbst genieße vor allem die Stimmung mit den Zuschauern. Gegen Deutschland war es im Viertelfinale ohrenbetäubend laut. Als "ein unfassbares Gefühl" beschrieb Tillie das. "Denn selbst wenn wir zurückliegen oder verlieren, singen sie und treiben uns an, weiterzuspielen und nie aufzugeben. Es ist toll, die Olympischen Spiele in Frankreich zu spielen", so der 33-Jährige.
Im Herbst 2017 hatte Paris den Zuschlag vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) bekommen. Der Moment, in dem das Land anfing, intensiver über Sport nachzudenken.
"Wir müssen olympisch denken"
Das berichtet Laurent Tillie, Vater von Kévin, auf Nachfrage von t-online. Der frühere Volleyball-Nationaltrainer Frankreichs (2012 bis 2021) wurde mit seiner Mannschaft in Tokio Olympiasieger. Er sagte, dass er selbst versucht habe, im französischen Volleyballverband (FFvolley) ein Umdenken zu schaffen.
"Wir müssen olympisch denken. Nicht an die Europameisterschaft, die Weltmeisterschaft, nein. Das Ziel sind die Olympischen Spiele. Das Programm muss also vier Jahre lang durchgeführt werden, wir arbeiten vier Jahre lang. Wir versuchen, den Spielern die Idee zu vermitteln, dass wir unser Ziel erreichen können, aber dafür müssen wir arbeiten", so der ehemalige Erfolgscoach. Jeder andere Wettbewerb sei nur ein Zwischenschritt. Der Fokus liege voll auf den Jahren 2024, 2028 und 2032 – eben auf den Jahren, in denen Olympische Spiele stattfinden.
"Sie veranstalten Seminare und psychologische Programme"
Frankreichs Volleyballer stehen in Paris nun im Finale – der Plan scheint funktioniert zu haben und lässt sich auch auf andere Sportarten im Gastgeberland der Spiele übertragen. Laurent Tillie berichtet zudem von einem Programm, das extra für Paris 2024 vom Sportministerium der französischen Regierung eingeführt worden ist.
"Im französischen Sport haben wir seit fünf Jahren eine neue Agentur. Diese Agentur hat die Aufgabe, die Verbände finanziell zu unterstützen", so Tillie. Durch diese Agentur sollen Trainer und Mitarbeiter in den Verbänden besser arbeiten können. "Sie veranstalten Seminare, Treffen zwischen den Trainern und psychologische Programme für Trainer. Das ist ein großer Schritt für gute Ergebnisse", so der Ex-Gold-Coach weiter.
Bei der Agentur handelt es sich um die Agence nationale du sport (zu Deutsch: Nationale Sportagentur), abgekürzt ANS. Diese hat sich für die Spiele in Paris zum Ziel gesetzt, dass Frankreich unter die Top 5 der Nationen kommt. Auf Anfrage von t-online antwortete das französische Ministerium für Sport und die Olympischen und Paralympischen Spiele, dass das Land 2019 entschieden habe, "sein Hochleistungssystem zu modernisieren und grundlegend weiterzuentwickeln, um seinen olympischen und paralympischen Traum zu verwirklichen".
"Spezialkenntnisse in Sportwissenschaft und Wirtschaft"
Das bestätigt auch die Sportjournalistin Annabelle Rolnin, die für die Sportzeitung "L'Équipe" arbeitet, im Gespräch mit t-online: "Seit dem Tag, an dem Frankreich die Olympischen Spiele in Paris bekam, hat es viel getan, um sich in allen Sportarten zu verbessern." Die Regierung investiere "viel Geld", nutze "Spezialkenntnisse in Sportwissenschaft und Wirtschaft, um die französische Sportbewegung wieder in Gang zu bringen".
Das Ministerium für Sport und die Olympischen und Paralympischen Spiele erklärte t-online zudem: "Das Budget für die direkte Unterstützung von Spitzenleistungen, das seit 2019 von der ANS verwaltet wird, ist zwischen den Spielen 2016 in Rio de Janeiro und den Spielen 2024 in Paris um 68 Prozent gestiegen auf fast 114 Millionen Euro im Jahr 2024."
Rolnin sagt über Paris 2024: "Alle, nicht nur die Spitzensportler, wollten bei diesem Erlebnis und Abenteuer dabei sein. Die gesamte französische Sportbewegung hat viel gearbeitet, um sich zu verbessern. Es war eine kollektive Anstrengung." Eine, die sich ausgezahlt hat und noch nicht abgeschlossen ist – denn nach Paris ist vor Los Angeles und den nächsten Spielen 2028.
- olympics.com: "Medaillenspiegel"
- Eigene Beobachtungen vor Ort in der Arena Süd 1
- Eigene Beobachtung vor Ort in Paris
- Eigene Stimme von Kévin Tillie
- Eigenes Kurzinterview mit Laurent Tillie
- Eigenes Kurzinterview mit Annabelle Rolnin von "L'Equipe"
- Eigene schriftliche Anfrage bei Frankreichs Ministerium für Sport und die Olympischen und Paralympischen Spiele