Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Es geht ums vorzeitige Weiterkommen Schweiz-Trainer warnt vor Duell mit Deutschland
Nach dem Auftaktsieg gegen Polen geht es für das DHB-Team bei der WM gegen die Schweiz. Die hätten lieber einen ganz anderen Gegner gehabt.
Aus Dänemark berichtet Nils Kögler
Andy Schmid verlor deutliche Worte, als er auf das erneute Duell mit Deutschland angesprochen wurde: "Langsam habe ich es satt, wenn ich ehrlich bin." Der Verdruss des Schweizer Handball-Nationaltrainers kommt nicht von ungefähr. Denn wenn seine Mannschaft am Freitagabend (ab 20.30 Uhr im Liveticker bei t-online) im zweiten Gruppenspiel der Handball-WM gegen das DHB-Team antritt, ist es bereits das dritte Aufeinandertreffen innerhalb kürzester Zeit.
Bereits bei der Europameisterschaft im vergangenen Jahr bestritten Deutschland und die Schweiz das Eröffnungsspiel gegeneinander – damals stand Schmid sogar selbst noch als Spieler auf der Platte. Beim zweiten Duell in der EM-Qualifikation im vergangenen November war das dann schon anders. Da hatte der zurückgetretene Schmid schon als Schweizer Nationaltrainer übernommen.
Ob Schmid nun auf dem Feld oder an der Seitenlinie stand, das Ergebnis blieb für ihn ähnlich frustrierend: Mit 27:14 und 35:26 setzte es für die Eidgenossen jeweils deutliche Niederlagen – oder wie Schmid es ausdrückte: "Wir haben zweimal richtig auf die Nuss gekriegt." Vor dem erneuten Aufeinandertreffen am Freitag hat Schmid also allen Grund zum Pessimismus – denn das Schweizer Team plagen Probleme.
"Die Deutschen liegen uns nicht"
"Ich muss auch ganz ehrlich sagen, die Deutschen liegen uns nicht. Das müssen wir so aus der Vergangenheit erkennen. Das heißt nicht, dass wir uns auf den Rücken legen, aber der Handball liegt uns nicht", stellte Schmid am Tag vor dem Duell wenig optimistisch fest. Dabei hob der 41-Jährige vor allem die Deckungsarbeit der DHB-Auswahl hervor, die er als beste der Welt bezeichnete. Hinzu kämen zwei starke Torhüter sowie kaum Spielerwechsel zwischen Offensive und Defensive.
"Ich weiß aktuell nicht, wo die Schwachstellen liegen", sagte Schmid voll des Lobes und fasste die schwierige Situation seines Teams in einen Vergleich: "Manchmal fühlt man sich, wenn man gegen so gute Gegner spielt, wie früher vor einer Prüfung, wo man zehn Themen hat und nicht genügend Zeit, um alle zehn Themen zu lernen. Dann lernt man nur sieben und hofft, die anderen drei kommen nicht dran."
Seine Mannschaft müsse deshalb die Außenseiterrolle annehmen. "Wir spielen gegen eine Mannschaft, die von Halbfinale und Medaillengewinn redet. Davon sind wir schon ein Stück entfernt", so Schmid.
Der Pessimismus der Schweizer Handball-Legende ist dabei wenig überraschend. Denn während die zwei deftigen Niederlagen des vergangenen Jahres das Selbstvertrauen der Schweizer schon deutlich angeknackst haben dürften, haben sie im Kader auch noch viel Qualität eingebüßt.
Zunächst wäre da Schmids eigener Rücktritt zu nennen, der den Schweizern eine Identifikationsfigur und einen Führungsspieler auf der Platte geraubt hat. Ihr bester verbliebener Spieler, Manuel Zehnder von Bundesligist SC Magdeburg, zog sich zu allem Überfluss kurz vor WM-Beginn eine schwere Knieverletzung zu, fällt monatelang und damit auch für die WM aus.
Torwart mit Doping-Kontroverse
Der Kader der Schweizer besteht nach Schmids Worten deshalb quasi nur aus jungen, unerfahrenen Spielern, die bislang kaum mehr als ein oder zwei große Turniere gespielt haben. Mit 31 Jahren ist Torwart Nikola Portner der älteste Spieler im Team.
Doch der Magdeburg-Keeper hat eine schwere Zeit hinter sich. Im vergangenen Jahr wurde er wegen einer auffälligen Dopingprobe suspendiert. Beim Double-Gewinn seines SCM musste er deshalb tatenlos zuschauen. Erst im Juni hob die Handball-Bundesliga die Sperre wieder auf, weil bei einer sehr geringen Menge der nachgewiesenen Substanz weder Absicht noch eigenes Verschulden nachgewiesen werden konnten. Die Anti-Doping-Agentur möchte den Fall nun vor dem Internationalen Sportgerichtshof verhandeln.
"Er hatte ein verdammt schwieriges Jahr und steckt immer noch in einer verdammt schwierigen Phase", stellte auch Schmid über seinen Keeper fest. "Vor zwei, drei Monaten haben wir noch nicht gewusst, ob er überhaupt spielt. Man weiß nie genau, was passiert, aber wir stehen da komplett hinter ihm", so Schmid. Immerhin: Im ersten Gruppenspiel zeigte Portner beim 17:17 gegen Tschechien eine starke Leistung.
Auf eine starke Defensivleistung setzt Schmid nun auch wieder gegen Deutschland. "Ich bin überzeugt, dass wir im Sechs-gegen-Sechs, wenn wir in unsere Abwehr kommen, auch Deutschland wehtun können", versprühte der Schweizer Trainer doch noch etwas Kampfgeist. Mit schnellem Umschaltspiel könne man dann vielleicht auch gegen die starke deutsche Defensive treffen.
Trotz aller Skepsis stellte Schmid klar: "Wir werden uns nicht auf den Rücken legen und die weiße Fahne hissen, definitiv nicht." Über die volle Spieldistanz werde seine Mannschaft "Mentalität und unser Herz zeigen, wir werden es in beide Hände nehmen und mit Risiko alles reinlegen, damit wir nahe dran kommen, Deutschland ein Bein zu stellen."
- Eigene Beobachtungen
- Pressekonferenz mit Andy Schmid
- blick.ch: "'Manchmal spielen wir, wie wir Schweizer als Volk sind – zu lieb'"