Kongress in Doha Coe reif für das Sport-Oberhaus: IAAF-Chef vor Wiederwahl
Katar (dpa) - Es kommt im Sport selten vor, dass Spitzenfunktionäre von Athleten gelobt werden. Sebastian Coe, Präsident des Leichtathletik-Weltverbandes, gehört zu den Ausnahmen.
"Er kann definitiv mehr bewegen als andere", sagte der Speerwurf-Olympiasieger Thomas Röhler, der Mitglied der IAAF-Athletenkommission ist, der Deutschen Presse-Agentur. "Es bewegt sich viel. Wir sind auf Kurs - und kein rotierender Kompass mehr!" Tatsächlich drohte die IAAF vor vier Jahren bei der Amtsübernahme von Coe unterzugehen.
Der im Dezember 2014 aufgedeckte russische Doping-Skandal und die kurz nach der Wahl des Briten im August 2015 publik gewordene Korruptionsaffäre um einen Clan um seinen Vorgänger Lamine Diack brachten die Sportart in Verruf. Coe führte den Weltverband nach anfänglicher Skepsis aus der Krise und reformierte ihn grundlegend.
Beim IAAF-Kongress am Mittwoch in Doha/Katar gilt seine Wiederwahl als sicher. "Die Leitungsfunktion übt Coe nahbarer aus", sagte Röhler. Bei Diack habe man nie eine Verbindung zur Spitze gespürt. "Coe ist einer, der als früherer Sportler mit Athleten spricht. Das heißt: Da steckt die Athletenmeinung mit drin." Der Speerwerfer weiß aber um die Widerstände in der IAAF, die den Modernisierungseifer des Doppel-Olympiasiegers über 1500 Meter abbremsen. Röhler: "Der Kapitän kann nur so schnell fahren, wie sein Schiff es ermöglicht."
Auch der Chef des Deutschen Leichtathletik-Verbandes zollt Coe, der von 2007 an acht Jahre Vizepräsident unter Diack war und von dessen betrügerischen Machenschaften nichts gewusst haben will, Anerkennung. "Coe hat es geschafft, den Verband in ein ruhiges Fahrwasser und aus den negativen Schlagzeilen zu bringen", sagte Jürgen Kessing.
Dass er auf dem IAAF-Kongress keinen Gegenkandidaten habe, zeige, dass "niemand unzufrieden" mit ihm sei. "Und nicht zuletzt zeichnet ihn auch seine Standhaftigkeit in Sachen Doping aus. Die IAAF hat unter Coe einen klaren Anti-Doping-Kurs eingeschlagen, was unter anderem das Beispiel Russland zeigt", betonte Kessing.
Keine andere Weltsportorganisation hat so lange an der Sperre Russlands infolge des Skandals um Staatsdoping festgehalten. "Ich hoffe, dass wir uns die nächsten vier Jahre klar darauf konzentrieren können, was unserem Sport hilft zu wachsen", erklärte Coe. "Wir konnten das nicht tun, weil wir absichern mussten, dass das Haus durch die Doping-Skandale und die Korruption nicht zusammenbricht."
Wenn sich allerdings der neue Verdacht gegen Russland bestätigen sollte, die an die Welt-Anti-Doping-Agentur ausgehändigten Doping-Daten aus dem Moskauer Analyselabor manipuliert zu haben, dürfte Coe das Thema weiter stark beschäftigen.
Für seine Standhaftigkeit in der Russland-Causa und die vorbildhafte Reform der IAAF-Strukturen gehört der britische Lord nach Ansicht vieler ins Oberhaus des Weltsports - ins Internationale Olympische Komitee. Durch das strikte Festhalten am Bann der Russen ist jedoch die Beziehung zu IOC-Präsident Thomas Bach abgekühlt und die Aufnahme Coes in den olympischen Orden seit Jahren auf Eis gelegt.
Ein Revanchefoul? "Das ist zumindest nicht von der Hand zu weisen. Ich habe aber den Eindruck, dass Seb Coe damit gut leben kann", sagte Dagmar Freitag (SPD), die Sportausschuss-Vorsitzende im Bundestag.
Konkret festlegen lassen wollte sich Bach nicht darauf, wann Coe mit einer IOC-Aufnahme rechnen kann und blieb bei der Frage vage. "Das wollen wir immer, den IAAF-Präsidenten im IOC haben", sagte Bach der dpa. "Deswegen sind wir im Gespräch. Jetzt warten wir mal seine Wiederwahl ab und dann schauen wir weiter."