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Weltrekord für Rainer Predl: 7 Tage und 850 km auf dem Laufband


850 km auf dem Laufband
Sieben Tage Laufen - so tickt Weltrekordmann Rainer Predl

Von t-online
Aktualisiert am 28.03.2015Lesedauer: 7 Min.
Rainer Predl auf der Zielgeraden seines Weltrekordlaufs.Vergrößern des Bildes
Rainer Predl auf der Zielgeraden seines Weltrekordlaufs. (Quelle: Quelle: Rainer Predl)

Von Johann Schicklinski

Egal, auf welchem Niveau: Ausdauersport ist immer ein Kampf gegen die eigenen Grenzen. Und oft ist dabei nicht die körperliche Leistungsfähigkeit der limitierende Faktor, sondern der Kopf. Gerade Ultra-Sportler kennen dieses Phänomen, wenn sich während eines scheinbar endlosen Wettkampfs wieder und wieder die Sinnfrage aufdrängt. Auch Rainer Predl kennt dieses Gefühl. Der Österreicher weiß aber auch, wie man den eigenen Kopf überlistet, denn er hat im Februar den Sieben-Tage-Weltrekord im Laufen auf dem Laufband gebrochen. Eine komplette Woche war der 25-Jährige täglich 21 Stunden unterwegs und hat dabei über 850 Kilometer zurückgelegt.

Eine Bestmarke, die unter erschwerten Bedingungen aufgestellt wurde: Nicht in der freien Natur, sondern in einem Fitnessstudio. Mit monotonen Abläufen, unter künstlichem Licht, mit ständig wechselnden Zuschauern und teilweise in stickiger Luft.

"150 bis 400 Kilometer laufe ich in der Woche"

Angesichts der Umstände eine schier unmenschliche Leistung. Denn Predl ist kein Profi, sondern hat als Sportartikelfachmann eine 40-Stunden-Woche. Die Zeit für ein zielgerichtetes Training ist deshalb oft knapp. "Meine Tage sind komplett ausgebucht. Zwischen 150 und 400 Kilometer laufe ich in der Woche", erzählt Predl im Gespräch mit t-online.de. Zwischen "20 und 40 Stunden" wöchentlich schätzt er sein Pensum ein, "je nach Wettkampf, auf den ich mich gerade vorbereite".

Dementsprechend hart war auch die Vorbereitung auf das "MonsterProject", wie Predl seinen Weltrekord vorab getauft hatte. Die Tage begannen und endeten mit Trainingseinheiten – was ihm nicht immer leicht fiel. Besonders nach dem Aufstehen hatte der bekennende Morgenmuffel so seine Probleme. "In der Früh fällt mir das Laufen deutlich schwerer als Nachmittags oder Abends. Aber der Körper gewöhnt sich an alles", gibt der Ausdauersportler zu.

Dennoch hielt er seinen Plan akribisch ein und absolvierte seine Trainingsläufe, meist alleine, oft auf dem Laufband. "Das ist ein ganz anderer Bewegungsablauf als draußen, weil man vom Boden abgestoßen wird und nicht umgekehrt. Deswegen muss man sich vorab daran gewöhnen", erklärt der 25-Jährige.

Einstieg in die Welt des Extrem-Ausdauersports

Der Weltrekord war für ihn Krönung einer rasanten Entwicklung in den vergangenen acht Jahren. "Meinen ersten richtigen Ultra-Wettkampf habe ich bereits mit 17 absolviert", sagt Predl. Er nahm damals an einem Sechs-Stunden-Lauf teil und schaffte imposante 79 Kilometer. "Danach hat mich der österreichische Nationaltrainer gefragt, ob ich nicht ins Ultra-Team rein will", so Predl. Sein Einstieg in die Welt des Extrem-Ausdauersports war damit geebnet.

Schnell steigerte er sich. "100 Kilometer waren meine Paradedisziplin, ich schaffte sie in 7:12 Stunden", blickt der Österreicher zurück. "Irgendwann suchte ich eine neue Herausforderung. Ich peilte noch weitere Strecken an, um zu testen, wie weit ich gehen kann." Jetzt hieß sein Ziel nicht mehr schneller zu werden, sondern längere Distanzen zurückzulegen.

"Sieben Tage auf dem Laufband sind unglaublich hart"

Die Weltrekorde über verschiedene Langdistanzen hatte er damals bereits im Blick. "Ich probierte es mit zwölf Stunden auf dem Laufband. Über 100 Kilometer auf dem Laufband hielt ich dann sogar schon einmal den Weltrekord, der wurde mir dann aber wieder weggeschnappt." Der Ehrgeiz war allerdings geweckt – nun sollte der ganz große Rekord her: Eine komplette Woche Laufen. "Ich wusste, sieben Tage auf dem Laufband sind unglaublich hart. Mir war klar, dass die geistige Beanspruchung viel größer sein wird als die körperliche." Zumal einige Fragen vorab völlig offen waren: "Ich wusste nicht , wie mein Körper reagieren wird, wie mein Kopf arbeitet und wie ich mit dem Sauerstoff im Studio klar kommen werde."

Zehn Liter Wasser pro Tag

Der Respekt bei dem jungen Österreicher war groß, als es schließlich losging. "Nach dem Startschuss war mein erster Gedanke: Sieben Tage nun beinahe rund um die Uhr laufen", erzählt Predl, der schon kurz nach dem Start den Bedingungen Tribut zollen musste: "Eines stand früh fest: Ich muss extrem viel trinken. Die Wärme im Studio ließ den Schweiß nur so fließen.“ Knapp 16.000 Kalorien verbrannte Predl täglich, rund zehn Liter musste er deshalb pro Tag trinken."

Schnell machte sich Eintönigkeit breit: "Man muss immer beschäftigt sein, die ganze Woche. Mein Team, das aus 16 Leuten bestand, hat versucht, mir die Zeit so kurzweilig wie möglich zu machen." Der Betreuer-Stab ließ nichts unversucht: "Wir hatten eine Leinwand, da konnte ich Fernsehen schauen. Meine Leute haben viel geredet und mich unterhalten. Sie sind teilweise mit mir gelaufen. Wir haben versucht, dass die Zeit vergeht, ohne dass ich es merke."

Eine Tortur war es trotzdem. Geholfen hat Predl dabei, immer in "Fünf-Kilometer-Schritten" zu denken: "Solche Etappen haben mir das ganze erleichtert." Auch extrem kurze Pausen, die er sich immer wieder gönnte, taten gut, auch wenn er dabei aufpassen musste, nicht in einen "Regenerations-Trott" zu fallen.

"Immer 21 Stunden am Tag"

Predl lief nach einen straff vorgegebenen Plan: "Immer 21 Stunden am Tag. Erlaubt waren Massagepausen oder ganz kurze Nickerchen, ansonsten lief ich durch. Ich hatte zwei Stunden Schlaf pro Nacht, eine Stunde habe ich dann morgens gebraucht, um in die Gänge zu kommen. Meistens nahm ich den Schlaf von zwei bis vier Uhr nachts, ab fünf hieß es dann wieder: Let‘s go!" Insgesamt schlief er während der Woche nur knapp 15 Stunden.

Ein Rhythmus, bei dem die Erholung natürlich auf der Strecke blieb. "Ich war immer sehr müde, auch wenn der Körper sich schnell an den die Belastung gewöhnte", gibt Predl zu. Aber: "Sobald ich wieder auf dem Laufband stand, ging es weiter. Mein Körper hat dann wieder funktioniert."

"Ein Wunder, dass ich mein Gewicht gehalten habe"

Das Essen nahm er meist auf dem Laufband zu sich. "Spaghetti kann man auch bei langsamen Laufen essen", so der Österreicher. Meist war seine Ernährung eintönig und auf den Sport ausgerichtet: "Salztabletten, Magnesium, Protein-Shakes, Energie-Riegel, Gummibärchen – es war eigentlich immer das gleiche", so Predl. "Ein Wunder, dass ich mein Gewicht einigermaßen gehalten habe."

Predl lief die ganze Woche mit einem Schnitt von 8-9 km/h, was ungefähr 6:30 Minuten pro Kilometer entspricht: "Sobald ich langsamer wurde, sind meine Betreuer eingeschritten."

Schmerzen blieben nicht aus. "Es hat öfter Hänger gegeben. Zum Beispiel, als mein linker Fuß stark angeschwollen war. Da habe ich überlegt, ob ich aufgeben soll. Meine Betreuer haben dann meine Laufschuhe aufgeschnitten, irgendwie ging es dann doch weiter", blickt Predl zurück. "Auch wenn die Fußsohle wie die Hölle brannte. Manchmal waren die Schmerzen so groß, dass ich die Zähne zusammenbeißen musste und vollkommen verkrampfte."

Sinnfrage als ständiger Begleiter

Der Kampf gegen den eigenen Kopf drohte er in dieser Phase zu verlieren: "Ich stand dann morgens auf und dachte: Warum tue ich mir das eigentlich an? Ich gab mir selbst die Antwort: Weil du das eben durchziehst."

Ein Meilenstein seines Rekords war für Predl, als die Hälfte der Woche rum war. "Ich wusste: Von nun an läuft die Zeit runter", blickt er zurück. Auch das Überschreiten der 500-Kilometer-Grenze war psychologisch enorm wichtig. "Das ist eine mystische Zahl. Da haben meine Betreuer erst einmal drei Feuerwerks-Raketen gezündet."

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"Mein Gehirn konnte die Schmerzen nicht mehr wahrnehmen"

Der Österreicher erlebte auch das sogenannte "Runners High". "Ich hatte immer mal wieder einen Flow. Gerade an den letzten Tagen habe ich nicht mehr viel gespürt. Der Schmerz, der am Anfang so unerträglich schien, war weg. Ich war schon so müde und ausgelaugt, dass mein Gehirn die Schmerzen nicht mehr wahrnehmen konnte."

Singen auf dem Laufband

Beobachter, so Predl, dürften sich in dieser Phase wohl gewundert haben: "Ich war in meiner eigenen Welt und habe beispielsweise gesungen. Die Zuschauer haben bestimmt gedacht: Was ist denn mit dem los?", lacht Predl.

Als das Ende in Sicht war, war die Erleichterung beim Ausdauer-Athleten groß: "Am siebten Tag konnte ich genießen. Ich wusste, ich hab den Weltrekord sicher und habe noch einmal Gas gegeben." So fiel zunächst die alte Bestmarke, die bei 833 Kilometern lag. "Da habe ich das erste Mal gefeiert", so Predl. Nach einer kurzen Pause ging es weiter. Nun hieß es, den Weltrekord auszubauen, damit es möglichst schwer wird, ihn wieder zu brechen: "Ich lief dann mit meinen letzten Energiereserven weiter."

"Konnte mir eine Träne nicht verkneifen"

Schließlich blieb die Anzeige nach exakt einer Woche bei 852,46 Kilometern stehen. Ein überwältigendes Gefühl, so Predl: "Es war total emotional. Ich weine eigentlich nie, aber eine kleine Träne konnte ich mir nicht verkneifen."

Nach sieben Tagen körperlicher und geistiger Qualen fiel es ihm zunächst schwer, seinen Weltrekord zu genießen. "Eigentlich wollte ich nur meine Ruhe haben. Die ganze Woche über waren immer sehr viele Leute im Fitnessstudio, am Schluss sicher über 100 Personen. Die wollten mir nach dem Rekord gratulieren, ein Foto machen oder mit mir posieren. Dafür hatte ich zwar Verständnis, aber nach sieben Tage ohne Privatsphäre wollte ich erst einmal für mich sein", so Predl. "Auch wenn es wunderschön war, mit der österreichischen Fahne zur Nationalhmyne den Weltrekord zu beenden."

Erst mit zeitlichem Abstand konnte er seinen Rekord schließlich uneingeschränkt genießen: "Die richtige Freude hat sich erst am nächsten Tag eingestellt Dann habe ich tatsächlich realisiert, dass ich es geschafft habe."

"Von Ultra-Laufen leben ist nicht möglich"

Sein Bekanntheitsgrad ist durch den Weltrekord gewachsen. "Das Interesse an meiner Person ist natürlich schon größer geworden. Anfragen, Fernsehauftritte und ähnliches", erzählt der Ultra-Läufer. Finanziell profitiert er davon zwar leicht, der Schritt zum Profisportler ist allerdings nicht möglich ."Mit materialistischen Sachen bin ich voll ausgestattet, Laufschuhe, Bekleidung oder Verpflegung", sagt er. "Mehr ist allerdings schwer. Ultra-Laufen ist ein Rand- und Extremsport, so dass es nicht möglich ist, davon zu leben."

Sport und Partnerschaft unter einen Hut zu bringen, ist für den voll berufstätigen Extremsportler aufgrund des zeitlichen Aufwands ebenfalls schwer. "Ich war vor meinem Weltrekordlauf Single. Es ist schwierig, eine Beziehung, meinen Sport mit seinen Umfängen und meinen Beruf unter einen Hut zu bringen", gibt Predl zu.

Sein Sieben-Tage-Lauf hat ihm neben dem Weltrekord allerdings noch etwas Gutes gebracht: "Ich habe beim Weltrekord eine sehr liebe Dame kennengelernt, die auch Läuferin ist. Mal schauen, wie es sich entwickelt."

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