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Sanktionen gegen Russland: Die Sportwelt greift durch


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Sanktionen gegen Russland
Die Sportwelt greift durch


28.02.2022Lesedauer: 7 Min.
Roman Abramowitsch (l.) und César Azpilicueta: Der Oligarch und der Chelsea-Spieler halten stolz den Henkelpott.Vergrößern des Bildes
Roman Abramowitsch (l.) und César Azpilicueta: Der Oligarch und der Chelsea-Spieler halten stolz den Henkelpott. (Quelle: PA Images/imago-images-bilder)
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Der Krieg gegen die Ukraine zieht weitreichende Folgen nach sich. Dem russischen Sport droht der flächendeckende internationale Ausschluss. Es häufen sich die Sanktionen. t-online mit dem Überblick.

Granaten auf Kiew, Kämpfe in Kharkiw, Flüchtlinge auf dem Weg zur polnischen Grenze. Russlands Krieg gegen die Ukraine produzierte am vergangenen Wochenende grausame Bilder. Während die Welt ohnmächtig auf die Gemengelage in Osteuropa blickt, wurde sich zeitgleich im Rest des Kontinents im sportlichen Wettkampf miteinander gemessen.

Bemerkenswert dabei war, wie einnehmend die Solidaritäts- und Friedensbekundungen von den Zuschauerrängen waren. Sei es in Lissabon, wo der ukrainische Nationalspieler Roman Yaremchuk unter Standing Ovations der knapp 60.000 Besucher des Estadio da Luz für Benfica eingewechselt wurde, oder in Augsburg, wo die Stadionregie im Rahmen des Bundesligaspiels gegen Borussia Dortmund einzig Antikriegslieder über die Arenaanlage laufen ließ.

Nachdem die Fans und Klubs agieren und Forderungen stellten, handeln nun auch Funktionäre und Entscheider der Sportwelt. Sämtliche russische Klubs wurden bis auf Weiteres von den internationalen Wettbewerben ausgeschlossen. Es profitiert davon RB Leipzig, die Sachsen stehen direkt im Viertelfinale der Europa League. Außerdem darf die russische Nationalmannschaft weder an den Play-offs, noch an der Weltmeisterschaft im Winter in Katar teilnehmen. Einige Sanktionen wurden beschlossen, weitere dürften folgen.

t-online bietet Ihnen einen Überblick über die Verstrickungen der Sportverbände mit Russlands Machtapparat und darüber, wie diese alsbald gekappt werden könnten.

Wie stark ist Moskaus Einfluss auf den europäischen Fußball?

Der Fußball und das russische Geld: eine über viele Jahre gehegte und gepflegte Beziehung, die angesichts des Kriegs gegen die Ukraine ihre wohl tiefste und kritischste Prüfung erlebt.

Mit Roman Abramowitsch gab zuletzt der vielleicht berühmteste Oligarch der Welt die Führung seines erkauften Vereins, der aktuelle Champions-League-Titelträger FC Chelsea, ab – ohne dabei seine Machtposition als Eigentümer aufzugeben. Ausgerechnet jener Abramowitsch möchte laut seinen Sprechern nun als Mediator zwischen Russland und der Ukraine auftreten. Ein insofern interessanter Wunsch, als Abramowitsch in den vergangenen Jahren bewusst die Distanzierung zu Russlands Machthaber Wladimir Putin inszenierte – etwa, indem der Sohn jüdischer Eltern die israelische Staatsbürgerschaft annahm. Nun wird jedoch von seiner PR-Armada verbreitet, Abramowitschs Verhältnis zu Putin sei so eng, dass der Milliardär durchaus Einfluss auf die Entscheidungen des Kremlbosses nehmen könne.

Es ist nur eine Episode des undurchsichtigen Schattenspiels, das russische Geldgeber im europäischen Fußball betreiben. Eine weitere Rolle nimmt Ivan Savvidis ein. Der Tabakmagnat aus Rostow erwarb 2012 die Mehrheit am griechischen Traditionsklub PAOK Saloniki. Nicht zuletzt dank der ausgiebigen finanziellen Zuwendungen des aus einer Familie der griechischen Minderheit in Georgien stammenden Milliardärs feierte der Klub 2019 seinen erst dritten Meistertitel. Doch Berichte mehren sich, nach denen Savvidis sein Engagement bei PAOK als Deckmantel für viel weitreichendere Übernahmen in der Stadt nutzt.

So soll eine seiner Holdings die zum Verkauf stehende Hafengesellschaft erworben haben. Die Bewohner Thessalonikis bejubelten die Akquise, ging nach dem Hafen von Piräus nicht auch noch der zweitgrößte Schiffsumschlagsplatz Griechenlands in chinesische Hand über. Stutzig macht allerdings, dass Savvidis acht lange Jahre für Putins Partei "Einiges Russland" in der Duma saß, sein Draht zum Kriegstreiber aus Moskau extrem kurz sein soll. Dass Savvidis Investitionen in Thessaloniki also Teil einer Strategie sein könnten, die die russische Präsenz und Machtstellung auf dem Balkan und am Mittelmeer stärken soll, wird jedoch nur hinter vorgehaltener Hand getuschelt.

Russland wird aus dem europäischen Fußball verbannt

Der russische Fußball wurde bereits am Montag flächendeckend aus dem europäischen Fußball ausgeschlossen. In der laufenden Spielzeit betrifft dies nur noch Spartak Moskau. Der zehnfache russische Meister ist im Europa-League-Achtelfinale dem Bundesligisten RB Leipzig zugelost worden. "Wir stehen weiterhin in einem engen Austausch mit den Verbänden und haben vollstes Vertrauen in die Uefa und ihre Entscheidung. Wir gehen davon aus, dass die Spiele abgesagt werden", sagte RB-Vorstandschef Oliver Mintzlaff am Vormittag der Nachrichtenagentur dpa. Damit sind die Rasenballer, die von Ex-Spartak-Coach Domenico Tedesco trainiert werden, kampflos ins Viertelfinale des Europapokals eingezogen.

Tedesco hatte zuvor wenig Verständnis für einen Boykott aufgebracht, äußerte bei einer Pressekonferenz: "Dabei trifft es meiner Meinung nach immer die Falschen. Es trifft in erster Linie die Sportler und die Fans."

Unabhängig davon, wie man zu Tedescos Aussage steht, hatte die Uefa bereits 1992 einen Präzedenzfall für ihr sich anbahnendes Verhalten geschaffen. Damals wurde das durch einen Bürgerkrieg im Zerfall befindliche Jugoslawien von allen sportlichen Wettbewerben ausgeschlossen, alle jugoslawischen Funktionäre aus ihren Uefa-Ämtern entfernt. Dies führte unter anderem dazu, dass statt des Titelfavoriten Dänemark zur Europameisterschaft nach Schweden reiste – und dort sensationell den Titel durch einen Finalerfolg gegen Weltmeister Deutschland holte.

Die Fifa hat sich nach langem Zögern ebenfalls zu deutlichen Sanktionen durchgerungen (mehr dazu lesen Sie hier). Nachdem der Weltverband zuvor entschieden hatte, dass russische Nationalmannschaften künftig nur unter dem Namen des nationalen Fußballverbandes RFU, auf neutralem Boden und ohne Abspielen ihrer Hymne antreten dürfen, steht nun fest, dass die Fifa Russland gänzlich aus dem Weltfußball suspendiert. Damit wird unter anderem das Herrenteam nicht bei den im März anstehenden WM-Playoffs an den Start gehen und sich somit auch kein Ticket für das Winter-Turnier in Katar sichern können.

Was wäre nötig, damit Russland von den Paralympischen Spielen ausgeschlossen wird?

Am 4. März beginnen die Paralympischen Spiele in Peking. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine ist bisher noch keine Entscheidung gefallen, russische Sportler von dem Großereignis auszuschließen. Allerdings gibt es erste Forderungen, dies zu tun. So hat das Internationale Olympische Komitee (IOC) mit Präsident Thomas Bach am Montag seinen Mitgliedsverbänden einen Ausschluss russischer Sportlerinnen und Sportler bei internationalen Veranstaltungen empfohlen. Das IOC kommt damit ersten Forderungen eines offenen Briefes der Vereinigung Global Athlete im Namen von ukrainischen Sportlern nach. Darin werden das Internationale Olympische Komitee (IOC) und das Internationale Paralympische Komitee (IPC) zur sofortigen Suspendierung der Nationalen Olympischen beziehungsweise Paralympischen Komitees von Russland und Belarus aufgefordert.

Die finale Entscheidung, ob Russland jedoch von den Paralympischen Spielen ausgeschlossen wird, liegt beim Internationalen Paralympischen Komitee (IPC) mit Präsident Andrew Parsons.

Dieses teilt t-online durch einen Verbandssprecher auf Nachfrage mit: "Das IPC wurde von mehreren internationalen Organisationen kontaktiert, die ihre Ansichten darüber äußern, welchen Weg der IPC einschlagen sollte. Der IPC-Vorstand wird sich bei der Erörterung dieser Angelegenheit auf der Vorstandssitzung am Mittwoch auf die IPC-Satzung und die Regeln des IPC-Handbuchs konzentrieren."

Die IPC-Satzung hebt unter anderem "alle Bemühungen" hervor, "sicherzustellen, dass bei dem unter der Fahne der Paralympischen Bewegung praktizierten Sport der Geist des Fairplay herrscht, Gewalt keinen Platz erhält, das Gesundheitsrisiko der Athleten kontrolliert und fundamentale ethische Prinzipien respektiert werden." Die Paralympischen Winterspiele fallen auch unter die Olympische Waffenstillstandsresolution, die von 193 Mitgliedstaaten auf der 76. UN-Generalversammlung einvernehmlich angenommen wurde. In dieser ist festgelegt, dass vor, während und nach den Spielen Frieden herrschen soll.

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In der Millenniumserklärung der Vereinten Nationen, verabschiedet von der UN-Generalversammlung am 8. September 2000, heißt es unter anderem: "Wir fordern die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, einzeln und gemeinsam heute und in Zukunft die Olympische Waffenruhe einzuhalten und das Internationale Olympische Komitee bei seinen Bemühungen um die Förderung des Friedens und der Verständigung zwischen den Menschen durch den Sport und das olympische Ideal zu unterstützen."

Wer das nicht tut: Wladimir Putin. Der russische Präsident hat inzwischen zum dritten Mal dagegen verstoßen. Bei den Sommerspielen 2008 in Peking saß der Kremlchef bei der Eröffnungsfeier auf der Tribüne. Am gleichen Tag, dem 8. August, marschierten russische Truppen in Georgien ein. Nur sechs Jahre später spitzte sich kurz vor den Paralympischen Winterspielen in Sotschi die Krimkrise zu. Putin missachtet den Olympischen Frieden offenbar gezielt.

Daher hat auch der Deutsche Behindertensportverband bereits angekündigt, sich für einen Ausschluss der russischen Mannschaft von den anstehenden Paralympics einzusetzen. Verbandspräsident Friedhelm Julius Beucher sagte der "Welt" zuletzt: "Ein Verbot der Teilnahme russischer Sportler könnte nach meiner Einschätzung das nationalistische Bewusstsein des Herrn Putin schon mehr berühren." Zudem kündigte Beucher an, mit IPC-Präsident Andrew Parsons sprechen zu wollen.

Wo spürt der russische Sport bereits Konsequenzen?

In fast allen Sportarten wurden erste Sanktionen beschlossen. Am härtesten griff bisher der Orientierungslauf-Weltverband (IOF) durch. Er hat als erste dem IOC angehörige weltweite Dachorganisation Russland komplett suspendiert. Wie der Verband mitteilte, dürfen russische Athletinnen und Athleten auch unter neutralem Status nicht mehr an internationalen Wettkämpfen teilnehmen. Ferner prüfe der Verband die Suspendierung von Belarus. Am Montagabend haben auch die Fußballverbände Fifa und Uefa mit der flächendeckenden Suspendierung nachgelegt.

Der Internationale Ski-Verband FIS, der Biathlon-Weltverband IBU und der Internationale Turnerbund FIG haben Maßnahmen gegen den russischen Sport beschlossen und unter anderem für die verbleibenden Weltcup-Wettbewerbe der Saison die russische Flagge und Hymne verboten. Die Europäische Handball-Föderation (EHF) hat entschieden, dass wegen des Krieges in der Ukraine alle Spiele mit russischer oder ukrainischer Beteiligung auf neutralem Boden ausgetragen werden müssen. Zudem wurden bereits Wettkämpfe abgesagt.

Der Internationale Schachverband (FIDE) griff ebenfalls sofort durch. Er teilte mit, dass die 44. Schacholympiade in diesem Jahr nicht wie geplant in Moskau (26. Juli bis 8. August) stattfinden werde. Zusätzlich werde FIDE "alle bestehenden Sponsorenverträge mit belarussischen und russischen Unternehmen, die staatlich kontrolliert werden oder sanktioniert wurden" kündigen.

Der Weltverband kündigte als weitere Maßnahme an, die Fälle der russischen Schachgroßmeister Sergej Karjakin und Sergej Schipow vor seine Ethik- und Disziplinarkommission zu bringen. Beide hatten die Politik von Staatspräsident Wladimir Putin öffentlich verteidigt und sich über die Opfer in den Kriegsgebieten lustig gemacht.

Wie werden ukrainische Sportler aktuell unterstützt?

Der tschechische Biathlon-Verband hat dem ukrainischen Team Hilfe angeboten. Verbandspräsident Jiri Hamza sagte in einer Mitteilung, dass ukrainische Athleten, Trainer und Funktionäre ihre Kinder und Familienmitglieder nach Hranice – eine Kleinstadt im böhmischen Vogtland – schicken könnten. Darüber hinaus werde der tschechische Verband den Ukrainern kostenlose Trainingsmöglichkeiten zur Verfügung stellen.

Ebenso hilfsbereit zeigte sich Deutschland. Wie der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) mitteilte, hat der Deutsche Boxsport-Verband (DBV) 33 Sportler und Sportlerinnen sowie Trainer und Betreuer zu einem mehrwöchigen Trainingslager nach Heidelberg eingeladen. Die ukrainische Boxauswahl wird ab dem heutigen Montag bis zum 23. März am Bundesstützpunkt Heidelberg an einem Trainingslehrgang teilnehmen. Anschließend absolvieren die Boxer und Boxerinnen einen bereits zuvor geplanten Sparringslehrgang. Die Einladung sei mit dem Außen- und dem Innenministerium abgestimmt und werde vom DOSB unterstützt.

Verwendete Quellen
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