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Nach Freunds Aussetzer: Rassismus und Sexismus – das Problem mit der Sprache


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Nach Freunds Aussetzer
Sprache im Sport: "Es fängt im Kopf an"


Aktualisiert am 12.10.2021Lesedauer: 5 Min.
Arijan Ademi liegt beim Spiel Nordmazedonien gegen Deutschland am Boden: Steffen Freunds TV-Kommentar über das Foul an dem Gegenspieler der DFB-Elf hat eine heftige Kontroverse ausgelöst.Vergrößern des Bildes
Arijan Ademi liegt beim Spiel Nordmazedonien gegen Deutschland am Boden: Steffen Freunds TV-Kommentar über das Foul an dem Gegenspieler der DFB-Elf hat eine heftige Kontroverse ausgelöst. (Quelle: Federico Gambarini/dpa)
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Jens Lehmann, Steffen Freund oder Karl-Heinz Rummenigge. Immer wieder sorgen Figuren aus der Fußballwelt mit ihren Aussagen für Diskussionen. Ein systematisches Problem?

29. November 2020 im Doppelpass: Steffen Freund über Schalkes damaligen Spieler Nabil Bentaleb:

"Er ist einer der besten Spieler. Im Endeffekt bei Schalke gelandet. Aber er ist französisch-algerischer Herkunft. Charakter ... Wenn sie einen Kaderplaner haben, muss man wissen, dass da auch eine Disziplinlosigkeit schnell kommt, wenn er nicht derjenige ist, der gesetzt ist."

20. Dezember 2020 im Doppelpass: Karl-Heinz Rummenigge über die Spuckattacke von Marcus Thuram:

"Ich habe mich gefragt, was wäre eigentlich passiert, wenn es umgekehrt passiert wäre, der Posch den Thuram bespuckt hätte – dann hätten wir wieder eine Rassismus-Debatte, oder was?"

12. Januar im Doppelpass: Marcel Reif über den BVB:

"Nach dem Spiel gegen Stuttgart gab's ja die Herren Reus und Hummels, nicht etwa irgendwelche Jungtürken, sondern schon die Herren, um die es geht, die gesagt haben: 'Pass auf, wir sind eine Mannschaft, die kann nicht verteidigen.'"

8. März beim Spiel Erzgebirge Aue gegen Hannover 96: Sky-Kommentator Jörg Dahlmann über 96-Verteidiger Sei Muroya:

"Es wäre sein erster Treffer für 96 gewesen. Den letzten hat er im Land der Sushis geschossen."

4. Mai im privaten Chatverlauf: Ex-Nationaltorwart Jens Lehmann an Dennis Aogo:

"Ist Dennis eigentlich euer Quotenschwarzer?"

10. Oktober bei einer Wiederholung eines Fouls im WM-Qualifikationsspiel zwischen Nordmazedonien und Deutschland: Co-Kommentator Steffen Freund:

"Die Frauen bitte wegschauen bei dieser Zeitlupe zu Hause. Das tut schon weh beim Hinschauen."

Sechs Beispiele von viel diskutierten Aussagen – alle aufgetreten in den vergangenen 12 Monaten. Der jüngste Fall: Steffen Freunds Kommentar beim Länderspiel der deutschen Fußballnationalmannschaft am Montag. "Bei der Verletzung von Ademi hab ich einfach nur an meine Frau denken müssen, die solche Zeitlupen, wie ich auch, nur sehr schlecht ertragen kann", rechtfertigte sich Freund noch in der Nacht auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa.

Claudia Neumann, Kommentatorin beim ZDF, will Freund nicht an den Pranger stellen: "Wir können mit Sprache das Bewusstsein für wichtige Themen unserer Zeit sensibilisieren. Was wir nicht machen sollten, ist, permanent die Moralkeule zu schwingen. Das führt nur zu noch mehr Konfrontation", sagt die 57-Jährige zu t-online.

"Nachsicht und Einsicht statt Ächtung und Spaltung"

Laut Neumann muss man ein "Bewusstsein schaffen" und "Denkstrukturen, die sich häufig in Sprache verstecken, selbstkritisch hinterfragen. Das ist meiner Ansicht nach der richtige Weg. Wir alle befinden uns da in einem Prozess, wo Ungenauigkeiten oder gar Fehler passieren können. Heißt für mich: besser Nachsicht und Einsicht statt Ächtung und Spaltung."

Folgen wird der Spruch für Freund wohl keine haben. Anders gestaltete sich die Situation bei den Aussagen von Lehmann, Dahlmann und auch Reif. Lars Windhorst, Investor von Hertha BSC, reagierte damals prompt und entließ Lehmann aus dem Aufsichtsrat des Klubs. Die verbale Entgleisung Dahlmanns hatte zur Folge, dass dessen Arbeitgeber seinen im Sommer 2021 endenden Vertrag nach mehreren Aussetzern vorzeitig kündigte.

Und auch Reif sitzt seit einigen Monaten nicht mehr im Doppelpass. Sein im Sommer ebenfalls auslaufender Vertrag war nicht verlängert worden. Über die Gründe machte Sender Sport1 keine offiziellen Angaben.

Rassismus "Teil des Fußballs"

Fakt ist: Immer wieder kommt es in der Welt des Sports zu verbalen Fehltritten und Aussetzern. Hinzukommt, dass viele Spieler Opfer rassistischer Anfeindungen werden, das ist seit Jahren bekannt. Erst im Mai schilderten ehemalige Bundesligaprofis t-online ihre bestürzenden Erfahrungen. Rassismus sei "Teil des Fußballs".

Dabei sind es eben nicht nur Fans, die sich rassistisch äußern, sondern auch Vertreter aus dem Sport selbst, wie Funktionäre und Journalisten. Die Themen "Sprache im Sport" oder "Sprache des Sports" sind keinesfalls neu, der Gebrauch ist bereits ausgiebig wissenschaftlich untersucht und kontrovers diskutiert worden.

"Wir Sportreporter haben eine riesige Aufmerksamkeit. Die Berichterstatter werden immer lauter und sind mittlerweile fast selbst Akteure des Spiels. Dementsprechend wächst die Verantwortung der Kommentatoren. Wir haben eine gesellschaftliche Verantwortung", sagt Moderator und Kommentator Robby Hunke zu t-online.

"Rummenigges Aussage war von all diesen Vorfällen der schlimmste", erläutert Hunke. "Niemand hat diese Geschichte (Thuram spuckt Posch an, Anm. d. Red.) in irgendeinem Kontext mit Rassismus in Verbindung gebracht. Mit seiner Aussage hat er das Thema massiv verharmlost. Er hat Dinge offenbart, die einer Vorbildfunktion entbehren."

Kommentator Hebel nimmt Kollegen in die Pflicht

Auch die Haltung von Jens Lehmann sei "in vielerlei Hinsicht nicht okay. Das lässt sich an der 'Entschuldigung' ablesen, die keine ist. Sondern nur eine Rechtfertigung für seine völlig deplatzierte Aussage. Allein dass er die Hautfarbe von Dennis Aogo überhaupt zum Thema macht, ist im Jahr 2021 nicht nachzuvollziehen", so der 38-Jährige.

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Neben Hunke ist auch Uli Hebel seit Jahren als Kommentator im Einsatz, ist regelmäßig in der Champions League sowie bei Bundesligapartien des Streamingsenders DAZN zu hören. Er nimmt sich und seine Kolleginnen und Kollegen ebenfalls in die Pflicht.

"Jeder Mensch hat rassistische Grundtendenzen"

Laut Hebel gibt es einen entscheidenden Punkt, in dem sich Journalisten von "Bloggern, Verschwörungstheoretikern und anderen" unterscheiden: "Wir müssen mit unserer Verantwortung umgehen. Wenn wir das nicht tun, dann üben wir unseren Beruf nicht richtig aus. Uns Kommentatoren hören Leute zu, die ganz vielen anderen Medien nicht mehr zuhören", so Hebel, der ein prominentes Beispiel wählt.

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"Schauen wir uns das Thema Leroy Sané und seine Jacke an (Sané trug im Frühjahr 2019 eine extravagante Jacke, Anm. d. Red.). So eine Diskussion entsteht nicht bei Thomas Müller – obwohl er teurere Jacken trägt."

Das Thema Rassismus ist Hebel besonders wichtig. "Jeder Mensch hat rassistische Grundtendenzen in sich, die erst einmal nicht weiter dramatisch sind. Es ist eine Angst beziehungsweise ein Schutzreflex vor dem Fremden. Aber wenn du ein vernünftiger, offener und intelligenter Mensch bist, dann gehst du auf die andere Person zu, egal welche Hautfarbe sie hat", so der 32-Jährige. "Steffen Freund kann erklären, wie er dazu gekommen ist, das Gesagte so gesagt zu haben. Fakt ist: Die Aussage (im Doppelpass, Anm. d. Red.) ist und bleibt hochrassistisch, weil sie besoffen ist an Stereotypen."

Hebel nennt ein weiteres, allgemeines Beispiel, um seinen Punkt zu verdeutlichen: Dass ein weißer, privilegierter Mann nicht versteht, "dass eine schwarze Mutter keine Wohnung in einer Großstadt bekommt, wundert mich nicht. Der weiß das doch auch gar nicht und bekommt das überhaupt nicht mit."

Es fange, so Hebel, im Kopf an – und bei der Erziehung. "Wenn wir den Menschen nicht beibringen, dass man das N-Wort nicht mehr sagt, dann wird es nichts. Wenn ein schwarzer Mensch dir sagt, dass es ihn beleidigt, und du es trotzdem tust, dann bist du ein Arschloch."

Verwendete Quellen
  • Gespräche mit Robby Hunke, Claudia Neumann und Uli Hebel
  • Eigene Recherche
  • Sendungen des Sport1-Doppelpass
  • Tweets von Steffen Freund und Jens Lehmann
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