"Fehler an Fehler" HSV mit einem Bein in der 2. Liga
Aus Hamburg berichtet Sebastian Schlichting
Nach knapp 53 Minuten des Relegations-Hinspiels wäre für den Hamburger SV schon fast alles vorbei gewesen. Manuel Torres und Dimitrij Nazarov trafen binnen Sekunden nur die Latte und verpassten so das 2:0 für den Karlsruher SC. Unwahrscheinlich, dass sich der HSV davon erholt hätte. So aber erzielte Ivo Ilicevic noch den 1:1-Ausgleich und die Hoffnung des Bundesliga-Dinos lebt weiter. Auch wenn diese vor allem daraus gezogen wird, dass "wir nicht als Verlierer vom Platz gegangen sind. Das ist wichtig", sagte Ilicevic.
Fakt ist, dass Karlsruhe am Montag im Rückspiel bereits ein torloses Unentschieden zum Aufstieg reichen würde. Dies ist wahlweise "eine tolle Ausgangslage" (KSC-Sportdirektor Jens Todt) oder "ein super Ergebnis" (Trainer Markus Kauczinski). Der defensive Mittelfeldspieler Dominic Peitz meinte jedoch, "vom Spielverlauf kommt man bei diesem Ergebnis schon ins Grübeln."
Der Bundesligist freut sich über ein Unentschieden im eigenen Stadion, der Zweitligist ist zwar insgesamt zufrieden, trauert allerdings den vergebenen Chancen hinterher. Kurios, aber nachvollziehbar. Die Gäste hatten die Partie nach dem frühen Tor von Rouwen Hennings, einst sechs Jahre im HSV-Nachwuchs, im Griff.
Streit mit dem Schiri
"Der Schock saß tief", sagte Hamburgs Trainer Bruno Labbadia über den Treffer des Zweitliga-Torschützenkönigs. Der HSV hatte fast zwei Drittel Ballbesitz, kam aber kaum zu Chancen. Und leistete sich teilweise hanebüchene Aussetzer bei einfachsten Pässen. Es habe sich nach dem Gegentor "Fehler an Fehler" gereiht, sagte Sportdirektor Peter Knäbel später.
Bemühen und Einsatz waren den Gastgebern nicht abzusprechen. Schon in der Anfangsphase kam es zu mehreren heftigen verbalen Auseinandersetzungen, involviert waren Heiko Westermann und Pierre-Michel Lasogga sowie auf KSC-Seite Peitz und Daniel Gordon. Fast jede Entscheidung von Schiedsrichter Deniz Aytekin sorgte für Diskussionen.
"Jetzt ist es unser Spiel"
HSV-Torwart René Adler hatte nach dem Sieg am letzten Spieltag gegen Schalke 04 für die Relegation angekündigt: "Jetzt schlagen wir jeden." Von dieser verbal geäußerten Stärke war wenig zu sehen. Ein Kopfball von Ivica Olic über den Kasten, ein Schuss von Lasogga knapp am Tor vorbei – mehr war nicht in der ersten Hälfte.
Das Publikum schwankte zwischen blankem Entsetzen bei unglaublichen Fehlern im Spielaufbau und bedingungsloser Unterstützung trotz aller Unzulänglichkeiten. Und entschied sich in der zweiten Halbzeit für Letzteres.
Als der HSV nach schönen Zusammenspiel von Ilicevic und Dennis Diekmeier ausglich, brüllte der Stadionsprecher euphorisiert: „Jetzt ist es unser Spiel.“
Die Uhr läuft noch
Dieser Wunsch erfüllte sich nicht. Aber zumindest darf der HSV auf eine weitere Erstliga-Saison hoffen. Nicht mithelfen im Rückspiel können Westermann und Gojko Kacar, sie sind ebenso wie Karlsruhes Peitz wegen der fünften oder zehnten Karte gelbgesperrt – eine fragwürdige Regelung.
Beim Abpfiff zeigte die berühmte Uhr im Stadion 51 Jahre, 277 Tage, 5 Stunden, 22 Minuten und 35 Sekunden Bundesliga-Zugehörigkeit an. Dass sie am Montag nach dem Rückspiel abgestellt wird, ist alles andere als unwahrscheinlich.
Aber wenn etwas dafür spricht, dass die Hamburger wie im Vorjahr über die Relegation den Klassenerhalt schaffen, dann die Tatsache, dass sie irgendwie noch jedes Mal zurückgekommen sind. Oder wie es Trainer Labbadia ausdrückte: "Wir liegen immer am Boden, stehen immer auf, deshalb sollte man uns nicht abschreiben."