Von Gruselfan Wolff bis Bad Boy Lemke Das sind die 16 deutschen Handball-Helden
18 Spieler, 18 Helden: Neun Jahre nach dem goldenen Wintermärchen bei der WM im eigenen Land holten die deutschen Handballer bei der EM in Polen wieder einen Titel.
Bis vor zwei Wochen waren die Spieler weitgehend unbekannt und keiner hatte das junge DHB-Team auf der Rechnung - nun begeisterten Torhüter Andreas Wolff und Co. eine ganze Nation.
Wir stellen die jungen Wilden von Bundestrainer Dagur Sigurdsson vor, die sich im Finale in Krakau gegen Spanien die europäische Handballkrone aufsetzten.
Andreas Wolff (24, Torhüter):
Wolff ist DER Senkrechtstarter im deutschen Team. Der Keeper von der HSG Wetzlar sprach vom ersten Tag an vom EM-Titel, er spielte sich mit seinen Paraden und seiner emotionalen Art schnell in die deutsche Stammsieben - und in die Herzen der Fans. Um nach den Spielen runterzukommen, liest er Gruselromane.
Carsten Lichtlein (35, Torhüter):
"Lütti" ist der Dauerbrenner im deutschen Kasten. Der Team-Oldie spielt seit über 15 Jahren in der Nationalmannschaft, war schon beim EM-Titel 2004 und beim WM-Triumph 2007 mit dabei. In Polen glänzte der Kaffee-Junkie vor allem als Siebenmeter-Killer.
Finn Lemke (23, Abwehrchef):
210 Zentimeter Körpergröße, Unterarme wie Schraubstöcke und Handflächen wie Bratpfannen: Lemke ist der neue Abwehrchef im deutschen Team. Sobald der Mann mit der Schuhgröße 45 das Spielfeld betritt, wird aus dem sanften Riesen der Anführer der selbsternannten "Bad Boys". Dann feiert Lemke jeden gewonnenen Zweikampf seiner Kollegen und schüttelt selbst reihenweise die Gegenspieler durch.
Rune Dahmke (22, Linksaußen):
Der Dreherkönig beherrscht fast so viele Wurfvarianten wie der zurzeit verletzte Kapitän Uwe Gensheimer. Dahmke ist pfeilschnell und sprang durch Weltklasse-Leistungen beim THW Kiel noch auf den EM-Zug auf. An der Torwand des ZDF-Sportstudios brillierte der sprachgewandte Youngster mit einem Treffer. Zudem ist Dahmke als Team-DJ für die Musik zuständig.
Niclas Pieczkowski (26, Linksaußen und Spielmacher):
In der Bundesliga spielt Pieczkowski mit TuS N-Lübbecke gegen den Abstieg, in Polen holte er den EM-Titel. Durch die Ausfälle von Gensheimer und Michael Allendorf ist der etatmäßige Spielmacher auch als Backup für Dahmke unterwegs. Pieczkowski war schon in der EM-Quali gegen Spanien herausragend, führte die deutsche Mannschaft mit fünf Treffern zum wichtigen Sieg (29:28).
Steffen Fäth (25, Rückraum links):
Die Entdeckung des Turniers als Spielmacher. Der Rückraumspieler erinnerte in manchen Szenen an seinen Mentor, den genialen Ivano Balic. Mit 30 Treffern zweitbester deutscher Torschütze.
Julius Kühn (22, Rückraum links):
Shooter im linken Rückraum. Kam zum sechsten Spiel für den verletzten Christian Dissinger ins Team. Überzeugte im Halbfinale mit fünf Treffern und stand auch in der Abwehr seinen Mann.
Simon Ernst (21, Rückraum links):
Hatte wenig Einsatzzeit im deutschen Team. Rannte im Halbfinale als "falscher Torwart" schon vor Ende der Verlängerung aufs Feld und löste damit einen Protest der Norweger aus.
Martin Strobel (29, Spielmacher):
Regisseur Strobel war neben Lichtlein der einzige deutsche Spieler mit EM-Erfahrung. Der Mittelmann wirkte oft eher unscheinbar, doch mit seiner Schnelligkeit und seinem Spielverständnis war er extrem wertvoll. Außerhalb des Spielfeldes ist Strobel stets bescheiden und eloquent.
Fabian Wiede (21, Rückraum rechts):
Wiede trug seit der Verletzung von Kapitän Steffen Weinhold eine noch größere Verantwortung. Dabei kam ihm vor allem seine mentale Stärke zugute. Wiede machte sich nie einen Kopf, ging mit Vollgas in jede Lücke und ließ sich von nichts aus der Ruhe bringen.
Kai Häfner (26, Rückraum rechts):
Vom heimischen Sofa zum Matchwinner: Der Linkshänder lieferte spätestens mit dem furiosen Halbfinale wahrscheinlich DIE Geschichte dieser EM. Kurz zuvor erst nachnominiert, traf Häfner in der Verlängerung gegen Norwegen, wie er wollte, und überraschte den Gegner wie Kai aus der Kiste. Höhepunkt der Häfner-Show war das Siegtor fünf Sekunden vor dem Ende.
Tobias Reichmann (27, Rechtsaußen):
Der deutsche Polen-Experte (in Kielce unter Vertrag) spielte das Turnier seines Lebens. Ob als "Iceman" von der Siebenmeterlinie oder als Sprungwunder von außen: Auf Reichmann ist Verlass. Der Schlagerfan kam in der Torschützenliste mit 46 Toren auf Platz zwei und in das Allstar-Team des Turniers.
Johannes Sellin (25, Rechtsaußen):
"Mister 100 Prozent": Hatte während des ganzen Turniers keinen Fehlwurf. Hinter dem starken Tobias Reichmann bekam er zu selten eine Chance, seine Möglichkeiten unter Beweis zu stellen.
Hendrik Pekeler (24, Kreisläufer):
Zeitstrafen-König im Team. Musste in acht Spielen elfmal Zwei-Minuten-Strafen absitzen. In Abwehr und Angriff gleichermaßen stark. Strahlte sehr viel Ruhe aus.
Jannik Kohlbacher (20, Kreisläufer):
Bulliger und gedrungener als Hendrik Pekeler und Eric Schmidt. Überzeugte als fang- und treffsicher. Kam vor allem im Angriff als zweiter Kreisspieler und Alternative.
Erik Schmidt (23, Kreisläufer):
Ob im Mittelblock in der Zentrale, auf der defensiven Halbposition oder vorne am Kreis: Schmidt ist die Allzweckwaffe von Bundestrainer Sigurdsson. Im Hauptrunden-Krimi gegen Russland (30:29) glänzte er mit sechs Treffern als humorloser Vollstrecker.
Steffen Weinhold (29, Rückraum):
Der Kapitän vom THW Kiel verletzte sich im Zwischenrunde-Spiel gegen Russland und fällt länger aus. Bis dahin war er die prägende Figur im DHB-Team, setzte sowohl in Defensive als auch Offensive die Akzente. Dass er bis zum Titelgewinn in Polen und blieb und die Mannschaft unterstützte, unterstreiche den Teamgeist.
Christian Dissinger (24, Rückraum):
Der Kieler Vereinskollege von Weinhold zog sich ebenfalls gegen Russland eine Verletzung zu. Auch er hatte bis dahin ein starkes Turnier gespielt. Mit seiner Wurfkraft sorgte er für einige Treffer aus dem Rückraum. Dem 24-Jährigen gehört die Zukunft, er kann bei kommenden Turnieren eine wichtige Rolle einnehmen.
Dagur Sigurdsson (42, Bundestrainer):
Der frühere Jugend-Nationalspieler im Fußball ist unumstrittener Vater des deutschen EM-Erfolgs. Sigurdsson ruht in sich selbst und impfte den Spielern in Rekordzeit das Sieger-Gen ein. Seit seinem Amtsantritt im Herbst 2014 weist Deutschland eine überragende Quote auf. Der Isländer betreibt in seiner Heimat unter anderem ein Hostel, spielt Gitarre und liebt Motorradfahren.