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WM 2022: Palästina-Flaggen in Katar – Der WM-Teilnehmer, der nicht mitspielt


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Auffälliges Detail
Der allgegenwärtige WM-Teilnehmer, der nicht mitspielt

Von Benjamin Zurmühl, Doha

Aktualisiert am 10.12.2022Lesedauer: 5 Min.
Marokkos Spieler feiern einen Sieg mit Palästina-Flagge: Die Fahne ist bei der WM sehr oft zu sehen.Vergrößern des Bildes
Marokkos Spieler feiern einen Sieg mit Palästina-Flagge: Diese ist bei der WM sehr oft zu sehen. (Quelle: IMAGO/Mike Egerton)
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Bei der WM in Katar waren zu Beginn des Turniers 32 Mannschaften vertreten. Doch die Fahne eines weiteren Landes ist überall präsent.

Marokko ist die große Überraschung der WM. Die "Atlaslöwen" erreichten am Samstag als erstes afrikanisches Team in der WM-Geschichte das Halbfinale. Der ganze Kontinent steht hinter den Nordafrikanern. Auch Fans aus Katar, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten sind auf marokkanischer Seite. Die rote Flagge mit dem grünen Stern ist an diesen Tagen in Doha an nahezu jeder Ecke zu sehen. Doch nicht nur diese.

Auch die Fahne Palästinas ist in Katar sehr präsent. Läden verkaufen sie zusammen mit Armbinden, Fans tragen sie bei WM-Spielen, und selbst auf dem Spielfeld war sie bereits zu sehen. Ein Flitzer beim Spiel zwischen Tunesien und Frankreich rannte mit ihr auf den Rasen, und Marokkos Spieler feierten mit ihr das Weiterkommen in der K.o.-Phase.

Palästina scheint der 33. WM-Teilnehmer in diesem Jahr zu sein. Es gibt kein Spiel ohne die Fahne der Region, die sich im Konflikt mit Israel befindet. Das wirft einige Fragen auf.

Das Ziel: ein Zeichen setzen

Das Motiv der Menschen, die sie tragen, ist klar. Sie wollen sich in jenem Konflikt mit Palästina solidarisieren. Das sind bei der WM in erster Linie die Fans anderer muslimischer Länder. Tunesische Fans feierten beispielsweise den Flitzer im Frankreich-Spiel und präsentierten auch eine große Blockfahne mit der Aufschrift "Free Palestine" (zu Deutsch: Befreit Palästina).

Auch einige Anhänger Katars reihten sich ein. Sie trugen bei den Spielen ihrer Mannschaft auffällige Armbinden in den Farben Palästinas (t-online berichtete), um ein Zeichen zu setzen.

Zeichen setzen? Das kommt bekannt vor. Das wollte die deutsche Nationalmannschaft auch. Genauso wie Belgien, England oder die Niederlande hatte DFB-Kapitän Manuel Neuer den Plan, mit der "One Love"-Kapitänsbinde aufzulaufen. Der deutsche Torhüter wollte ein Signal gegen Diskriminierung setzen. Doch die Fifa drohte mit Strafen. Welche genau das waren, teilte der DFB nicht mit.

Es war wohl dem Gastgeber Katar nicht genehm, weshalb die Fifa einschritt. Sie wollte keine politischen Zeichen bei der WM. Auch Fans wurde daher zeitweise der Zutritt zu den Stadien verwehrt, wenn sie Kleidungsstücke mit Regenbogen-Symbolik trugen. Dazu zählten Armbinden, Hüte oder auch T-Shirts.

Die Fifa schweigt

Nun stellt sich die Frage, warum das eine politische Zeichen verboten ("One Love") und das andere (Palästina) erlaubt ist. Auf Anfrage von t-online schwieg die Fifa dazu.

Der Sportrechtler Dr. Paul Lambertz hat trotzdem eine Erklärung parat. Zu t-online sagt er: "Die Palästina-Flagge ist die Flagge eines von vielen Ländern der Welt anerkannten Staates. Es ist somit meines Erachtens – obwohl natürlich damit politische Statements verbunden sind – erst einmal eine neutrale Äußerung. Erst die Handlungen Dritter und die Interpretationen deren Verhaltens führen dazu, dass man in einen Bereich kommt, den man als eine unzulässige politische Meinungsäußerung erachten könnte. Anders ist das 'One Love'-Zeichen. Hier handelt es sich nicht um die Zurschaustellung staatlicher Symbole, sondern um eine politische/gesellschaftliche Aussage, ungeachtet, wie man es moralisch bewertet. Die Übergänge sind fließend."

Einen Unterschied könnte die Fifa aber zwischen Spielern und Fans machen, sagt Lambertz. Das lässt sich auch auf die "One Love"-Thematik übertragen. Denn während es den Kapitänen der Nationalmannschaft untersagt blieb, die bunte Binde zu tragen, wurden die Regelungen für die Fans gelockert (t-online berichtete).

Das heißt: Die Ausgangslage für die marokkanischen Spieler ist eine andere als für die Fans auf den Rängen. Wenn Hakim Ziyech, Abdelhamid Sabiri und Co. auf dem Platz mit der Fahne jubeln, gäbe es prinzipiell die Grundlage für eine Strafe. Lambertz: "Ich denke, in diesem Fall könnte die Fifa die Spieler bestrafen. Denn es ist nicht ihre Fahne, die sie dort schwenken, sondern die eines anderen Landes. Das sendet meines Erachtens eine ganz andere Aussage, als wenn ich die Fahne meines eigenen Landes im Freudentaumel schwenken würde."

Die entscheidende Frage ist nur: Will die Fifa das überhaupt? Und die muss offenbar mit Nein beantwortet werden. Denn es gibt keine Anzeichen dafür, dass sie das Schwenken der palästinensischen Flagge als problematisch ansieht. Denn diese wird seit fast drei WM-Wochen gezeigt – ein Statement vom Weltverband gibt es aber nicht.

Welche Rolle Katar spielt

Entscheidend bei dieser Handhabe ist natürlich auch der WM-Gastgeber. Denn Katar steht rein politisch hinter den Palästinensern und unterstützt sie im Konflikt mit Israel. Die Flagge zu sehen, stößt den Scheichs nicht sauer auf. Dazu passt auch die Aussage eines katarischen Fußballfans, der im Rahmen eines WM-Spiels seines Landes zu t-online sagte: "Die Flagge von Palästina ist normal hier in Katar. Sie gehört zu unserer Kultur und ist nicht gegen die Regeln." Anders als die "One Love"-Armbinde, betonte er.

Diplomatische Beziehungen zwischen Katar und Israel gibt es hingegen kaum, extra für die WM wurden Gespräche für Ausnahmeregelungen aufgenommen. Denn auch israelische Fans sollten die Chance für einen Besuch der Weltmeisterschaft in Katar bekommen. Deshalb wurden erstmals Direktflüge von Tel-Aviv nach Doha erlaubt. Auch palästinensische Anhänger sollten davon profitieren. Rund 10.000 Fans aus Israel und Palästina wurden insgesamt erwartet. Wie viele es letztendlich geworden sind, ist t-online nicht bekannt.

Vorfälle mit israelischen Journalisten

Was jedoch bekannt wurde: verbale Attacken auf israelische Journalisten während der WM. Besonders zu Beginn des Turniers. Ein Video zeigt, wie ein saudi-arabischer Fan ein Interview verweigert und dem Pressevertreter sagt, er sei nicht willkommen in Katar.

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Auch der Journalist Raz Shechnik wurde laut eigener Aussage mehrfach angeschrien, weshalb er sich bei einem Fanfest als Ecuadorianer ausgab. Eine falsche Entscheidung, wie er im Gespräch mit "The Athletic" zugab: "Vielleicht habe ich einen Fehler gemacht, das gebe ich zu, als ich mich entschied, mich als Journalist aus Ecuador darzustellen. Aber das habe ich nur getan, damit die Leute mit mir reden. Ich wollte nur ein Zitat von ihnen über das Spiel, und es war nicht so wichtig, wo ich herkomme."

Die Fifa handelte (bisher) nicht. Sie versucht offenbar, das Thema generell zu umgehen, um einen möglichen Konflikt mit Katar zu vermeiden. So hat der Fußball-Weltverband auch schon in vorherigen Situationen gehandelt. Sowohl beim Verbot von alkoholhaltigem Bier im Stadion als auch in der "One Love"-Thematik.

So wird auch in den kommenden Tagen kein Statement zu den Palästina-Flaggen zu erwarten sein. Solange es insgesamt friedlich bleibt, wird die Fifa das Tragen und Präsentieren der Fahnen weiter erlauben. Der 33. WM-Teilnehmer bleibt im Rennen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Schriftliches Gespräch mit Dr. Paul Lambertz
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