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Zum journalistischen Leitbild von t-online.So lief der erste WM-Spieltag Strauchelnde Favoriten und Tränen bei den Superstars
Die WM in Katar wird von politischen Themen beherrscht. Aber auch sportlich hat sie bisher einiges zu bieten. Eine Übersicht.
Der erste Spieltag der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar ist vorbei, alle Mannschaften waren einmal im Einsatz. Es drehte sich viel um die "One Love"-Binde, das Bierverbot, die Zuschauerflucht in den Stadien und vor dem TV oder die umstrittenen Machenschaften der Fifa. Bei so vielen politischen Themen geriet der Sport bisher häufig in den Hintergrund. Ein Überblick, was in den ersten Katar-Tagen alles so in den Stadien passiert ist.
Die Überraschungen
Saudi-Arabien
Es war die bisher wohl größte Überraschung des Turniers. Saudi-Arabien schlägt Argentinien um Superstar Lionel Messi am dritten Turniertag mit 2:1. Das hatte auch Folgen für die saudische Bevölkerung – am Tag nach dem Sensationssieg hat der König einen Feiertag verordnet. Die Araber hatten zwar Glück, nach dem ersten Durchgang nicht höher als mit 0:1 hinten zu liegen. Aber im zweiten Abschnitt spielten sie stark auf und erzielten zwei sehenswerte Treffer. Außerdem zeigten sich die "grünen Falken" im Vergleich zur vergangenen WM verbessert. Damals unterlagen sie Gastgeber Russland im Eröffnungsspiel verdient mit 0:5. Nun spielen sie in Gruppe C noch gegen Polen und Mexiko – ein weiterer Sieg würde das zweite Achtelfinale bei der sechsten WM-Teilnahme bedeuten.
Tunesien und Marokko
Die beiden nordafrikanischen Teams haben zwar kein Tor geschossen und somit auch noch keine Begegnung gewonnen. Dennoch spielten beide gut mit und holten ein torloses Remis gegen die klar favorisierten Europäer aus Dänemark und Kroatien.
Tunesien war im Duell mit Geheimfavorit Dänemark sogar über weite Strecken das bessere Team, verpasste es aber, ein Tor zu schießen. Die Mannschaft um Köln-Star Ellyes Skhiri trifft in Gruppe D noch auf Australien und Frankreich.
Auch Marokkos Auftritt kann sich sehen lassen. Das Team bot dem Vize-Weltmeister aus Kroatien über die kompletten 90 Minuten Paroli und erkämpfte sich einen verdienten Punkt.
Kanada
Die Kanadier haben zwar ihr Auftaktspiel verloren, aber dennoch einen begeisternden Auftritt gegen Mit-Favorit Belgien hingelegt. In der ersten Halbzeit verschoss Bayern-Spieler Alphonso Davies sogar einen Elfmeter. Und noch mehr: Die Nordamerikaner, die nach 1986 erst zum zweiten Mal an einer WM teilnehmen, hätten zwei weitere Strafstöße erhalten müssen. Viele Torchancen wurden im weiteren Verlauf vergeben, Belgien nutzte eine – und gewann das Spiel glücklich mit 1:0.
Die Kantersiege
England
Es war erst das zweite Spiel des Turniers – und schon ließen die Engländer es ordentlich krachen. Mit 6:2 besiegten die Briten den Iran. Auffällig: Englands Top-Torjäger Harry Kane schoss keines der sechs Treffer seines Teams. Die Tore erzielten stattdessen BVB-Youngster Jude Bellingham, Bukayo Saka (2), Raheem Sterling, Marcus Rashford und Jack Grealish.
Kritikpunkt ist bei England die Verteidigung. Gegen den ungefährlichen Iran kassierten die "Three Lions" zwei Gegentreffer. Gegen die USA und Wales wird die Abwehr um John Stones mehr geprüft werden.
Frankreich
Die trotz Personalsorgen (Benzema, Pogba, Nkunku, Kanté fehlen in Katar) hoch gehandelten Franzosen haben am ersten Spieltag Australien standesgemäß mit 4:1 besiegt. Doch besonders zu Beginn des Spiels hatten die Franzosen ihre Probleme mit dem krassen Außenseiter: Australien ging zwar früh in Führung (9.), doch Frankreich glich knapp 20 Minuten später aus. Da Australien eines der schwächsten Teams des Turniers ist, war der hohe Frankreich-Sieg keine Überraschung. Aber: Trotz der vier Tore überzeugten die Franzosen noch nicht restlos.
Spanien
Als wäre die Japan-Niederlage für die deutsche Nationalmannschaft nicht schon schlimm genug gewesen, setzte der nächste DFB-Gegner Spanien ein Ausrufezeichen: Die Spanier hatten mit Costa Rica überhaupt keine Probleme und dominierten nach Belieben – am Ende stand ein 7:0-Sieg. Die Torschützen Spaniens: RB-Spieler Dani Olmo, Marco Asensio, Ferran Torres (2x), Gavi, Carlos Soler und Alvaro Morata. Spanien brillierte zwar mit bestem Tiki-Taka (über 100 Pässe, 82 % Ballbesitz), zur Wahrheit gehört jedoch auch, dass Costa Rica kaum Gegenwehr zeigte.
Strauchelnde Favoriten und Enttäuschungen
Katar
Der Gastgeber ist das erste Mal bei einer WM-Endrunde dabei und deshalb keineswegs Turnierfavorit. Dass die Katarer im Eröffnungsspiel gegen Ecuador (0:2) aber so schwach auftraten, darf als Enttäuschung bezeichnet werden, hatte der Wüstenstaat doch zwölf Jahre lang Zeit, sich auf das Turnier vorzubereiten. Gegen Ecuador sprang nur eine echte Torchance heraus. Damit ist Katar der erste Gastgeber der WM-Geschichte, der das Auftaktspiel verloren hat.
Argentinien
Auch Argentinien muss nach dem ersten Spieltag und der kaum für möglich gehaltenen Niederlage gegen Saudi-Arabien (1:2) enttäuscht sein. Besonders in den ersten 45 Minuten hatten der Mit-Favorit auf den Titel aber auch Pech: Sie führten nur 1:0, erzielten aber drei Abseitstreffer. Die Abseitspositionen waren eher knapp. In Halbzeit zwei verlor die Messi-Elf den Faden, ließ die Saudis das Spiel drehen – und auch anschließend blieb ein Sturmlauf aufs saudische Tor aus.
Die beste Nachricht für die Südamerikaner: Die weiteren Gruppenkonkurrenten aus Mexiko und Polen trennten sich mit 0:0-Unentschieden. Deswegen ist nach wie vor alles möglich in dieser Gruppe C.
Dänemark
Bei der EM im vergangenen Sommer kamen die Dänen bis ins Halbfinale und gelten in Katar als Geheimfavorit. Der Rolle wurden sie allerdings im ersten Auftritt nicht gerecht. Gegen Tunesien (0:0) sprang ein schmeichelhaftes Unentschieden heraus. Die Mannschaft von Trainer Kasper Hjulmand steht nun im Spiel gegen Gruppenfavorit Frankreich gehörig unter Druck.
Deutschland
Wie schon bei der WM 2018 (0:1 gegen Mexiko) und der EM 2021 (0:1 gegen Frankreich) startete das DFB-Team erneut mit einer Pleite in ein großes Turnier. 1:2 gegen Japan, trotz Führung. Nach einer soliden Vorstellung in Halbzeit eins war die deutsche Elf nach dem Wiederanpfiff nicht wiederzuerkennen – und kassierte zwei Gegentreffer durch die Bundesliga-Spieler Ritsu Doan (SC Freiburg) und Takuma Asano (VfL Bochum). So kommt es für Deutschland schon am Sonntag gegen Spanien zu einem Endspiel.
Die afrikanischen Teams
Häufig enttäuschen die afrikanischen Teams bei großen Turnieren, so scheint es auch in Katar zu sein. Denn ein Spiel gewonnen hat noch keine der fünf Nationen aus Afrika. Der Senegal verlor gegen die Niederlande (0:2), Kamerun verlor knapp gegen die Schweiz (0:1) und Ghana gegen Portugal (2:3). Einzige Lichtblicke: Tunesien trennte sich torlos von Dänemark wie auch Marokko von Kroatien. Mit Blick auf die Ergebnisse fällt jedoch auf: Einzig Ghana hat getroffen.
Verletzungen
Alireza Beiranvand
Irans Keeper Alireza Beiranvand sorgte für den ersten Schreckmoment im Turnier: Nach einem üblen Zusammenprall blieb der Keeper auf dem Platz liegen. Zunächst spielte er weiter, doch wenige Minuten später setzte er sich auf den Boden, ein Weiterspielen war undenkbar. Nach zehnminütiger Verletzungsunterbrechung wurde er vom Platz getragen. Mit Verdacht auf eine schwere Gehirnerschütterung und einen Nasenbeinbruch kam er ins Krankenhaus.
Yasser Al-Shahrani
Einen schlimmen Zusammenprall gab es auch im Spiel zwischen Argentinien und Saudi-Arabien. Der saudische Torwart Mohammed Al-Owais kam aus dem Tor heraus und räumte seinen Verteidiger Yasser Al-Shahrani ab. Mit dem Knie traf der Keeper seinen Vordermann im Gesicht. Auch die Diagnose: Al-Shahrani hat sich den Kiefer und weitere Knochen in der linken Gesichtshälfte gebrochen. Außerdem erlitt er innere Blutungen.
Bayern-Stars
Zwei Spieler des FC Bayern München haben sich im Laufe des Turniers bereits verletzt. Frankreichs Verteidiger Lucas Hernández wird auch dem deutschen Rekordmeister lange fehlen, denn im Spiel gegen Australien zog er sich einen Kreuzbandriss zu. Auch der marokkanische Verteidiger Noussair Mazraoui (Hüfte) hat sich verletzt, eine Diagnose steht noch aus. Zudem konnte Deutschlands Leroy Sané (Knieverletzung) seiner Mannschaft im Eröffnungsspiel gegen Japan nicht helfen.
Tränen bei den Superstars
Neymar
Der Superstar der Brasilianer musste gegen Serbien nach einem Tritt auf seinen linken Knöchel unter Tränen ausgewechselt werden. Das Foto seines geschwollenen Fußgelenks ging um die Welt. Wie schlimm die Verletzung ist? Noch ungewiss. Brasiliens Teamarzt Rodrigo Lasmar sagte nur so viel: "Wir haben direkt die Behandlung gestartet, auf der Bank schon mit Physiotherapie angefangen. Wir müssen 24 bis 48 Stunden warten, um eine genauere Diagnose abgeben zu können."
Ronaldo
Während vor dem Duell gegen Ghana die portugiesische Hymne im Stadium 974 erklang, kullerten Ronaldo Tränen aus den Augen. Der Portugiese war sichtlich bewegt.
Der Grund für die Emotionen dürfte freudiger Natur sein: Ronaldo, der gerade seinen Vertrag bei Manchester United aufgelöst hat und vereinslos ist, ist in den erlauchten Kreis der WM-Rekordteilnehmer aufgestiegen. Der Portugiese kam in seiner schillernden Karriere bereits bei fünf Endrunden zum Einsatz, erstmals 2006 in Deutschland.
Das Beste kommt zum Schluss
Als letzter Topfavorit stieg am Donnerstagabend Brasilien ins Turnier in Katar ein. Die Seleção lieferte – und wie! Gegen Serbien sorgten die Südamerikaner bei all den Negativschlagzeilen rund um die WM endlich für ein fußballerisches Schmankerl. In Person von Stürmer Richarlison. Der Tottenham-Angreifer traf beim 2:0 gleich doppelt und schoss mit seinem fulminanten Seitfallzieher das Tor des ersten Spieltages, vielleicht sogar schon der WM.
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- Eigene Beobachtungen und Recherche