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DFB-Torwart über 2018 | "Wir waren der Situation nicht gewachsen"


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DFB-Torwart über 2018
"Wir waren der Situation nicht gewachsen"

  • Noah Platschko
InterviewVon Noah Platschko

Aktualisiert am 23.11.2022Lesedauer: 6 Min.
Marc-André ter Stegen: Der DFB-Keeper wird bei der WM vermutlich keine Minute spielen.Vergrößern des Bildes
Marc-André ter Stegen: Der DFB-Keeper wird bei der WM vermutlich keine Minute spielen. (Quelle: IMAGO/ULMER)

Seine Rolle ist die Nummer Zwei – bei dieser WM. Marc-André ter Stegen über die Konkurrenz zu Neuer und die Freundschaft zu Götze.

Für Marc-André ter Stegen ist die WM in Katar schon die zweite seiner Karriere. Bereits 2018 war der Torhüter des FC Barcelona Teil des DFB-Kaders. Bei keinem der drei Gruppenspiele stand er auf dem Feld, ehe es nach dem historischen Vorrunden-Aus wieder zurück nach Deutschland ging.

Auch bei dieser Weltmeisterschaft wird ter Stegen voraussichtlich keine Minute spielen. Vielleicht bekäme er das Spiel um Platz 3, wie einst Oliver Kahn 2006 oder Hans-Jörg Butt 2010.

Doch der mittlerweile 30-Jährige hat seine Rolle im Team angenommen – ohne seinen Ehrgeiz zu verlieren. Der frühere Gladbacher wirkt im Interview mit t-online entspannt und sagt: "Ich habe Manuel gegenüber eine Verantwortung." Gleichzeitig zeigt ter Stegen Unverständnis über das Handeln der Fifa.

t-online: Herr ter Stegen, haben Sie sich schon gut eingelebt im Teamquartier?

Marc-André ter Stegen: Wir haben hier perfekte Bedingungen, im Hotel genauso wie auf dem Trainingsplatz. Außerhalb des Trainings sitzen wir nach dem Essen noch zusammen, verfolgen gemeinsam die WM-Spiele. Dass ich auf meinem Zimmer bin, passiert eher selten. Wenn's nach mir geht, kann es jetzt endlich losgehen.

Wie viel kriegen Sie persönlich von der kritischen Berichterstattung in Deutschland rund um dieses Turnier mit?

Man bekommt schon einiges mit. Wir wissen ja auch um die schwierige Situation in Katar, was Menschen hier teilweise Schlimmes widerfährt. Wir wollen ganz andere Werte vermitteln. Vieles stößt uns negativ auf. Für uns Fußballer liegt der Fokus so kurz vor dem ersten Spiel jetzt aber aktuell auf einem guten Start in das Turnier.

Manuel Neuer hatte eigentlich die "One Love"-Binde tragen wollen. Daraus wird jetzt offenbar nichts. Haben Sie mit ihm über das Thema geredet?

Das Verbot der Binde durch die Fifa ist sicher in allen Ländern der betroffenen Mannschaften ein großes Thema. Auch bei uns. Denn es kann nicht sein, dass man eine Mannschaft oder einen Kapitän sportlich bestraft, weil er diese Binde trägt.

Die letzte EM haben Sie wegen Ihrer Knie-OP bewusst verpasst, Ihr letztes Turnier war die verkorkste WM in Russland. Was ist dieses Mal anders als 2018?

Wir haben jetzt eine andere Dynamik im Team, das sieht man auch von außen. Wir haben eine super Truppe, die auch vom Alter her gut zusammenpasst. Wir waren damals einfach nicht bei 100 Prozent, sind sehr schlecht in die WM gestartet. Die Gruppe war der Situation dann nicht gewachsen. Wenn ich aber sehe, wie wir jetzt aufgestellt sind: Da passt sehr viel zusammen.

Haben Sie einen "Best Buddy" im Team, mit dem Sie sich am besten verstehen?

Es gibt viele Jungs, die ich schon länger kenne, unter anderen die Jungs vom FC Bayern. Aber der, zu dem ich die größte persönliche Beziehung habe, ist Mario Götze. Unsere Söhne sind im gleichen Alter und wir sind über die Jahre immer in Kontakt geblieben.

Entsprechend froh waren Sie vermutlich, dass er nach fünf Jahren wieder mit dabei ist.

Ich habe mich unglaublich gefreut. Nicht nur über seine Nominierung für die Weltmeisterschaft, sondern generell darüber, wie sich die Situation für ihn entwickelt hat. Wenn man einen Freund hat, der in einer schwierigen Situation steckte und über den auch medial sicher nicht immer nur wohlwollend berichtet wurde, dann ist man einfach glücklich, ihn wieder so toll Fußball spielen zu sehen. Er ist so entspannt, in Frankfurt passt einfach alles. Mario hat sich die Nominierung absolut verdient.

Seit gut 15 Monaten ist nicht mehr Andreas Köpke, sondern Andreas Kronenberg Ihr Torwarttrainer. Wie unterscheiden sich die beiden?

Beide haben große Qualitäten, arbeiten aber sehr unterschiedlich. Ich bin super happy mit dem Training, wie ich mich taktisch zu verhalten habe oder mich positionieren soll. Ich nehme mir viel mit nach Hause zum FC Barcelona. Und mein Torwarttrainer dort ist dann meistens glücklich darüber, wie das Training bei der Nationalmannschaft gelaufen ist.

Kronenberg hat darauf verzichtet, einen Zweikampf zwischen Ihnen und Manuel Neuer auszurufen. Hätten Sie sich gewünscht, dass da offener mit umgegangen wird?

Hansi Flick hat von Anfang an kommuniziert, dass er eine klare Nummer 1, Nummer 2 und Nummer 3 hat, sodass nicht bei jedem Lehrgang ein neuer Zweikampf entfacht wird. Das ist okay für uns alle. Natürlich gilt das Leistungsprinzip. Ich respektiere die Entscheidung und werde alles daransetzen, in Topform zu sein. Solange ich auf der Bank sitze, werde ich Manu unterstützen.

Trotzdem ist es doch auf Dauer Ihr Anspruch zu spielen.

Natürlich. Aber ich merke es ja beim FC Barcelona, wie es ist, auf der anderen Seite zu stehen. Wenn ich sehe, wie Iñaki (Peña) und Arnau (Tenas) mich im Klub unterstützen und mit dafür sorgen, dass ich in guter Form bin, dann imponiert mir das. Und zu sehen, dass sie alles für mich geben, aber dann kaum spielen, das ist hart. Beim DFB bin ich eben in dieser Situation und versuche, meiner Rolle gerecht zu werden.

Sie sind die Nummer 2 im DFB-Team – und das schon sehr lange. Was motiviert Sie, trotzdem jedes Mal zur Nationalmannschaft zu fahren?

Manchmal ist es nicht leicht, weil ich, wenn alles normal läuft, keine Minute spielen werde. Aber ich habe Manuel gegenüber eine Verantwortung, ebenso gegenüber der Mannschaft. Und daneben habe ich natürlich persönliche Ziele und möchte in der bestmöglichen Verfassung sein.

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Als Manuel Neuer jüngst verletzt ausfiel, war viel von der "Schulter der Nation" die Rede. Ärgert Sie das?

Nein, ich verstehe das komplett. Manu hat sich sein Standing erarbeitet, wir verstehen uns gut, auch mit Kevin Trapp als drittem Torwart. Wir sitzen morgens zusammen, quatschen miteinander, trinken Kaffee, lachen. Wir pushen uns gegenseitig, gleichzeitig sind wir Konkurrenten, die alle absolut in der Lage sind, für Deutschland zu spielen. Wir alle akzeptieren die Situation so, wie sie ist. Nach einer hoffentlich sehr erfolgreichen WM werden wir dann sehen, wie es weitergeht.

2024 findet die Heim-EM in Deutschland statt. Hat Manuel Neuer Ihnen verraten, ob er da noch spielen wird?

Es macht keinen Sinn, mich damit jetzt zu beschäftigen. Für mich geht es darum, Leistung zu bringen und fit zu sein, dann werde ich in der Lage sein, Druck auszuüben. Alles Weitere ergibt sich dann.

Wir können aber davon ausgehen, dass Sie nicht vor Manuel Neuer aus der Nationalmannschaft zurücktreten? Er ist 36, Sie sind 30.

Auch damit beschäftige ich mich nicht. Ich war und bin immer stolz, für Deutschland auf dem Platz zu stehen. Für Trappo (Kevin Trapp, Anm. d. Red.) ist die Situation ja ähnlich. Geduld war nie meine Stärke, aber ich werde auf meine Chance warten.

Was erwarten Sie für einen Gegner heute Abend?

Ich wusste schon vor unserer Videoanalyse, dass es kein Spaziergang wird. Japan wird eine große Herausforderung für uns. Wir müssen hoch motiviert sein, um das Ding zu gewinnen. Auch für Japan ist es der Start in die WM. Und auch die Japaner wollen, dass die Menschen zu Hause stolz auf sie sind.

Wenn es für Deutschland nicht zum Titel reicht, wem würden Sie den Titel am meisten gönnen?

Ich habe meinen Mitspielern beim FC Barcelona angemerkt, wie fokussiert die Jungs auf die WM waren. Ob Frenkie de Jong, Memphis Depay oder andere. Mein Ex-Trainer Luis Enrique, der jetzt Spanien trainiert, meinte, er würde es nach seinem Team Lionel Messi am meisten gönnen.

2014 sind Sie nach Barcelona gewechselt – und bestimmt auf einen geknickten Lionel Messi getroffen ...

Am Anfang war mein Spanisch noch nicht so gut, als dass ich ihn verstanden hätte (lacht). Aber die Finalniederlage 2014 war sicher eine große Enttäuschung für ihn. Aber Messi spielt ja jetzt nicht mehr bei Barça. Wenn Deutschland nicht Weltmeister wird, hoffe ich, dass sich wenigstens einer meiner Vereinskollegen über den Pokal freuen darf.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Marc-André ter Stegen im DFB-Medienzentrum.
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