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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Chancenlos in den Härtetests? Nagelsmann wird zu "Bob, der Baumeister"
Nagelsmann hat seinen Kader für die kommenden Testspiele bekannt gegeben. Langsam wird es ernst mit Blick auf die EM. Doch wie gut ist Deutschland momentan?
Bei Kaderbekanntgaben wie am Donnerstag (mehr dazu lesen Sie hier) liegt das Augenmerk zunächst immer auf etwaigen Überraschungen und möglichen Debütanten. Bundestrainer Julian Nagelsmann hat, wie im Vorfeld bereits durchgesickert war, direkt vier Spieler vom derzeit formstarken VfB Stuttgart nominiert – und zudem Jan-Niklas Beste vom 1. FC Heidenheim sowie Maximilian Beier von der TSG Hoffenheim ausgewählt. Während gestandene Spieler wie Mats Hummels, Julian Brandt und Leon Goretzka zuschauen müssen. Ob Beste und Co. letztlich bei der EM dabei sind, ist natürlich noch unklar. Und es ist wohl auch nicht relevant.
- Julian Nagelsmanns DFB-Kader: Verständlich, aber mit einem Risiko
Denn ein solches Turnier wird von einem starken Mannschaftskern getragen, nicht von den Spielern 17 bis 21 im Kader. Beim Blick auf die Liste der Nominierten fällt erneut auf, dass Deutschland eine Fülle von offensiv begabten Mittelfeldspielern besitzt, aber auf allen anderen Positionen keine europäische Spitzenklasse hat.
Durch die Rückkehr von Toni Kroos hat die Dichte im Zentrum noch mal zugenommen. Kroos soll auf seine alten Tage das Spiel von der Sechs aus gestalten, während davor Jamal Musiala, Florian Wirtz und der für die Testspiele gesperrte Leroy Sané ein äußerst talentiertes Offensivtrio bilden.
Frankreich hat überall Hochtalentierte
Wer im Mittelsturm die beste Option darstellt, bleibt ein Streitthema. Kai Havertz konnte zuletzt für den Premier-League-Tabellenführer Arsenal als Angreifer überzeugen, für Thomas Müller spricht die Erfahrung, für Niclas Füllkrug die körperliche Präsenz. Neuling Beier ist aufgrund seines Tempos wohl eher einer für eine Doppelspitze oder die Außenbahn.
Unklarheit herrscht außerdem noch ein wenig in der Abwehr. Die Innenverteidigung werden voraussichtlich Jonathan Tah und Antonio Rüdiger bilden, Joshua Kimmich muss sich mit der Rolle als Rechtsverteidiger abfinden und links hinten könnte momentan Maximilian Mittelstädt die besten Karten haben.
Das mag für jene, die vor allem die Bundesliga verfolgen, nachvollziehbar und vielleicht auch verheißungsvoll wirken. Aber im Vergleich zum französischen Team, auf das Deutschland am übernächsten Samstag in Lyon trifft, fehlt doch ein gehöriges Stück. Die Équipe Tricolore besitzt jede Menge hochtalentierte Spieler und Ausnahmeathleten.
Linksverteidiger ist zum Beispiel der omnipräsente Theo Hernández vom AC Mailand, für diverse Mittelfeldrollen kommen die beiden Real-Madrid-Juwelen Eduardo Camavinga und Aurélien Tchouaméni sowie Paris Saint-Germains 18-jähriger Shootingstar Warren Zaïre-Emery infrage. Im Angriff hat Frankreich zudem Topstürmer Kylian Mbappé sowie Allrounder Antoine Griezmann in petto. Natürlich gibt es auch beim WM-Finalisten gewisse Fragezeichen, aber keine deutliche Schwachstelle in einer möglichen ersten Elf.
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Bekannte aus der Bundesliga
Auch die Niederlande, der zweite deutsche Testgegner, sind, obwohl sie derzeit nicht zur absoluten Weltspitze zählen, übers gesamte Feld hinweg ausgeglichener mit Qualität bestückt. In der Abwehr kann Bondscoach Ronald Koeman auf Virgil van Dijk, Nathan Aké und Micky van de Ven aus der Premier League bauen. Bayern Münchens Matthijs de Ligt muss sich unter Umständen strecken, damit er sich einen Stammplatz sichert.
Im Mittelfeld besitzt die Oranje unter anderem den spielintelligenten Teun Koopmeiners und Xavi Simons, der zurzeit von Paris an RB Leipzig ausgeliehen ist und in dieser Saison zu einem der aufregendsten Spieler der Bundesliga avancierte. Weiter vorn gibt es auf klassisch niederländische Weise einige starke Flügelangreifer wie Cody Gakpo und Donyell Malen. Bayer Leverkusens Jeremie Frimpong stellt zudem eine Option sowohl als Rechtsverteidiger als auch als rechter Flügelstürmer dar.
Deutschland mangelt es nicht generell an Talent und Klasse. Aber man gewinnt den Eindruck, dass jeder richtig gute Fußballer den Weg ins Mittelfeld sucht, um dort eine tragende Rolle zu spielen. Bundestrainer Nagelsmann kann jedoch nicht mit zehn Mittelfeldspielern antreten. Das hätte sich selbst Ballbesitz-Connaisseur Pep Guardiola in seinen ausgefallensten Zeiten nicht getraut. Deshalb wird aus dem hiesigen Nationaltrainer derzeit meist Bob der Baumeister, der mit Improvisation und glücklichem Händchen die Mannschaft zusammenfügen muss.
- Eigene Recherche